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Ungewollt schwanger während der Corona-Krise

Die Corona-Krise verschärft die Lage von ungewollt schwangeren Frauen. Die Versorgungslage ist prekärer denn je, Expertinnen schlagen Alarm.

Von Ambra Schuster

Was passiert mit Frauen aus Tirol, wenn der einzige Arzt, der Schwangerschaftsabbrüche durchführt, selbst mit dem Corona-Virus infiziert ist? Fahren sie entgegen aller Ausgangsbeschränkungen in andere Bundesländer? Und wenn sie es tun, werden sie dann behandelt, wenn sie aus einem Risikogebiet kommen? Die Corona-Krise trifft ungewollt schwangere Frauen unter Umständen hart. Sie stehen vor einer Vielzahl zusätzlicher Probleme.

Zugang abhängig vom Bundesland

Auch vor der Corona-Krise hat es in Österreich keinen öffentlichen, flächendeckenden Zugang zu Abtreibungen gegeben.

Schätzungen zufolge werden in Österreich zwischen 20.000 und 35.000 Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr durchgeführt, eine genaue Statistik dazu gibt es nicht. Je nachdem, wo in Österreich eine betroffene Frau wohnt, ist der Zugang zu fristgerechten Schwangerschaftsabbrüchen auch in normalen Zeiten beschränkt.

Hier ist eine Übersicht, wo aktuell noch Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.

Am schlechtesten ist die Versorgungslage im Burgenland und in Westösterreich. Im Burgenland gibt es überhaupt keine Möglichkeiten zu einem Schwangerschaftsabbruch zu kommen. In Tirol und Vorarlberg gibt es jeweils nur einen niedergelassenen Arzt, der Abbrüche durchführt.

Die Corona-Krise verschärft die ohnehin schon schlechte Versorgungslage zusätzlich. „Würden die wenigen Möglichkeiten durch Krankheit von Ärzt*innen wegfallen, dann gebe es überhaupt keinen Zugang mehr für betroffene Frauen“, sagt Barbara Maier. Sie ist Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF) und Primarärztin der Gynäkologie im Wiener Wilhelminenspital. Hier werden aktuell nach wie vor ein bis zwei chirurgische Schwangerschaftsabbrüche pro Woche durchgeführt.

In vielen anderen öffentlichen Spitälern werden wegen der Corona-Krise keine oder nur eingeschränkt Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Die Begründung: Ressourcen werden gebündelt und der Rest auf einen minimalen Notbetrieb heruntergefahren. Es finden nur mehr akute und dringende Eingriffe statt. Was akut und dringend ist, liegt im Ermessen des behandelnden Arztes. Ein Vorgehen, das die Plattform Pro Choice Austria kritisiert. Man finde es wichtig, dass Spitalsressourcen in Zeiten einer Pandemie geschont werden, allerdings halte man es für "hochproblematisch, dass das auf Kosten von ungewollt Schwangeren passiert. Schwangere sind in einer existenziellen Krisensituation von ärztlicher Willkür abhängig, um einen notwendigen medizinischen Eingriff zu erhalten.“

„Schwangere sind in einer existenziellen Krisensituation von ärztlicher Willkür abhängig“ - Pro Choice Austria

Einzig in Wien ist die Situation nahezu unverändert. Hier ist auch jetzt der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen leichter. Noch sind die privaten Ambulatorien offen und haben ausreichend Kapazitäten. Viele Frauen fahren deshalb für einen Schwangerschaftsabbruch aus den Bundesländern nach Wien. Das wird durch die Ausgangsbeschränkungen derzeit aber zusätzlich erschwert. Vor allem dann, wenn aktuell die Kinderbetreuung fehlt oder der Partner nichts von der Abtreibung erfahren soll.

Die Krux mit den Kosten

Neben der psychischen Belastung, die ein Schwangerschaftsabbruch mit sich bringt, besteht jetzt mehr denn je auch eine finanzielle Belastung. Schwangerschaftsabbrüche sind privat zu zahlen. Je nach Bundesland und Einrichtung kostet eine Abtreibung zwischen 320 Euro und 1000 Euro. Wer wegen der Corona-Krise gerade den Job verloren hat, kann sich das womöglich einfach nicht mehr leisten.

Künftig könnte sich auch der Bedarf an sicheren Abtreibungen ändern. Die Leute verbringen nicht nur mehr Zeit zuhause und Verhütung ist schwerer zu bekommen, es geht in Zeiten der höchsten Arbeitslosigkeit seit 1946 vielen ökonomisch schlechter. Ungewollte Schwangerschaften und die Nachfrage nach Abbrüchen könnten bald steigen.

Forderung nach „Abtreibungspille“ für Zuhause

Als Lösung für die schlechte Versorgungslage fordern Frauenrechtsorganisationen schon lange, dass der Zugang zu einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch erleichtert wird. Die WHO sieht den medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs mittels der „Abtreibungspille“ Mifegyne sogar als essenziellen Gesundheitsdienst. Unter telefonischer, ärztlicher Beratung sei sie sicher anwendbar.

In Österreich darf das Medikament bisher nur in Spitälern und Ambulatorien verabreicht werden, nicht aber von niedergelassenen Gynäkolog*innen. Dabei spricht aus medizinischer Sicht nichts gegen eine Abgabe durch niedergelassene Ärzt*innen, im Gegenteil: „Internationale Studien belegen, dass ein medikamentöser Abbruch schonender für die Frauen ist und nicht mehr Risiken birgt als ein chirurgischer Eingriff.“ Diese Form des Schwangerschaftabbruchs wäre nachhaltig und im Sinne der Frauengesundheit absolut zu befürworten, so Barbara Maier, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung.

Pro Choice Austria schließt sich der Forderung an. Es wäre ein Zeichen, „dass Schwangerschaftsabbrüche als eine grundlegende Gesundheitsleistung endlich anerkannt werden.“ Würde diese Regelung gelockert werden, wäre ein Abbruch auch während der Pandemie zuhause durchführbar. Politisch und rechtlich bleibt es aber bis auf Weiteres beim eingeschränkten Zugang.

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