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Control

Remedy/Dead End Thrills

Videospiel-Architektur deluxe: Digitaler Brutalismus

„Control“ und sein soeben erschienenes DLC „Foundation“ sind die prominentesten Beispiele, aber auch andere Spiele feiern die Architektur des Rohbetons. Ein Rundgang zu virtuellen Denkmälern.

Von Rainer Sigl

Nein, das ist kein flacher Videospiele-machen-gewalttätig-Gag: Brutalismus und Videospiele, das passt zusammen. Mit „Brutalität“ hat das aber nur etymologisch zu tun, denn die umstrittene Architekturrichtung des 20. Jahrhunderts bezieht ihren Namen nicht von der vermeintlich brachialen Anmutung, sondern vom „béton brut“, französisch für - Rohbeton.

Brutalismus, das heißt einfache, wuchtige Formen, monumentale Größe und gewissermaßen proletarische Erhabenheit. Zwischen den 50er- und 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden weltweit brutalistische Gebäude, viele davon in kommunistischen Ländern. Irgendwann geriet die Betonarchitektur in Verruf, irgendwann später wurde sie wieder hip. In Videospielen entfaltet sie ganz besonderen Reiz.

Brutalistische Bauwerke zu besuchen ist derzeit etwas schwierig - deshalb und anlässlich der Veröffentlichung von „Foundation“, des ersten DLCs für Remedys „Control“, ein kleiner Spaziergang zu ausgewählten Highlights des virtuellen Brutalismus.

Naissancee

Limasse Five

Naissancee (2014)

NaissanceE

Im First-Person-Spiel „NaissanceE“ (2014) spielt die Architektur die Hauptrolle, und sie ist atemberaubend: eine unmöglich titanische, großteils monochrome Vision aus Blöcken, Abgründen und Science-Fiction-Albtraum. Gemeinsam mit dem unverschämt guten Soundtrack ein absolutes Juwel nicht nur für Fans von Tetsuo Niheis Manga „BLAME“ und des Brutalismus.

Assassin's Creed Revelations

Ubisoft

Assassin’s Creed: Revelations (2011)

Assassin’s Creed: Revelations

Wie jetzt: Das Historien-Epos als Schauplatz moderner Architektur? Allerdings: Weil Ubisofts Assassinendrama ja bekanntlich eigentlich eine Science-Fiction-Story um virtuelle Vergangenheitsrekonstruktion ist, gibt es auch Brutalismus zu bestaunen. Die Missionsreihe „Desmond’s Journey“ findet in einer beeindruckend brutalistischen Architektur statt - ein toller Kontrast zum Rest des Spiels.

Kairo

Locked Door Puzzle

Kairo (2012)

Kairo

Etwas obskur, aber beeindruckend monumental ist das First-Person-Puzzle „Kairo“ (2012). Das Rätselspiel verbindet die unverkennbar moderne Architektursprache mit der Atmosphäre antiker Tempel und Monumente - und weil Brutalismus von Natur aus „low poly“ ist, sieht das kleine, alte Spiel genau deshalb noch immer ziemlich beeindruckend aus.

Moshe Linke: Der Brutalist

Man kann nicht über Brutalismus im Videospiel reden, ohne seinen Namen zu nennen. Der blutjunge Hamburger Entwickler Moshe Linke hat seine zum Großteil kostenlosen Spiele ganz in den Dienst dieser Ästhetik gestellt.

Wonders between Dunes

Moshe Linke

Moshe Linke, Wonders between Dunes (2017)

„Experimental art games“ nennt Linke seine Spiele, darunter großartige „Walking-Simulatoren“ wie „Living with the Monoliths“, „Wonders between Dunes“ und sein letztes Spiel, das großartige und intensive „Fugue in Void“. Mit gewöhnlichen Spielerlebnissen hat das meist wenig zu tun - umso mehr dafür mit einer Art virtueller Installationskunst.

Control

Remedy

Control, hier fotografiert von Deadendthrills

...und natürlich: Control

Kein Spiel hat den Brutalismus so ins Zentrum seiner Raumästhetik gestellt wie Remedys großartiger Action-Mystery-Thriller „Control“ (2019). Als Direktorin der Behörde für Paranormales durchquert man dabei das surreal-bombastische Hauptquartier des titelgebenden Federal Bureau of Control, und das ist ein Fiebertraum aus Beton, Dimensionsrissen und großartiger Architektur.

Control

Remedy

Control

„Foundation“, das erste große DLC für „Control“, ist für Windows, PS4 und Xbox One erschienen.

Das „Oldest House“, jenes mysteriöse New Yorker Gebäude, das der Schauplatz des Spiels ist, ist nicht nur in Sachen Beton einzigartig gelungen, sondern überzeugt mit seinem stilvollen Sixties-Interieur und dem ein oder anderen Dimensionsriss, der die Eindrücklichkeit der Architektur sozusagen weiter auflädt. Das soeben erschienene - und übrigens sehr gelungene - DLC „Foundation“ führt tiefer unter dieses Bauwerk, der Reiz des Brutalismus bleibt aber erhalten.

Man sieht: Auch ohne das Haus zu verlassen, darf man sich zumindest an virtuellem Brutalismus erfreuen. Und wenn man wieder raus darf, lockt vielleicht der Besuch der ganz realen Wotruba-Kirche vor die Tür - oder eines anderen nahen Bauwerks dieser Stilrichtung.

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