Den Kopf in den Wolken
Normalerweise hat Elke Ludewig nicht die Zeit, tagsüber zwei Stunden via Skype etwas über ihren Beruf und ihre Erfahrungen mit extremen Wetterbedingungen zu erzählen. Aber es ist ja gerade nichts normal. Also sitzt sie in ihrem Homeoffice in Salzburg und ich in meiner Wohnung in Wien. Wie schön, wieder einmal mit jemandem ausführlicher zu sprechen, den ich nicht kenne, denk ich mir und bin neugierig auf diese junge Forscherin, die als erste Frau 2016 die Leitung am Sonnblick übernommen hat.
Elisabeth Scharang
Aufmerksam geworden bin ich auf sie durch diverse Interviews in Tageszeitungen, in denen sie zu der momentanen Luftqualität befragt wurde. Durch den weltweiten Shut-down hat sich unser wirtschaftliches und gesellschaftliches Leben sehr reduziert, es gibt viel weniger Flugverkehr, zumindest auf dem Passagiersektor, und die Industrie läuft ebenfalls gedrosselt.
Der Klimawandel ist nicht abgesagt
Warum hatte Wien im März dennoch einen erhöhten Feinstaubwert im Vergleich zum Vorjahr? „Weil das Wetter hier einen großen Einfluss spielt. In dem Fall waren es Stürme aus der Sahara, die den Feinstaubwert nach oben getrieben haben. Natürlich sehen wir auf den Satellitenbildern, dass es zum Beispiel über den großen Städten in China oder der Poebene in Italien, wo normalerweise der Smog hängt, die Luft viel klarer ist durch den stark reduzierten Verkehr. Aber die Treibhausgase in den oberen Schichten, die sind langlebig und bauen sich nur sehr langsam ab. Da nützt dieser Shut-down leider nicht viel, da braucht es nachhaltiges Handeln.“
ZAMG
Die weltweit längste durchgehende Messreihe
Am 2. September 1886 wurden im Observatorium am Sonnblick, an der Grenze zwischen Salzburg und Kärnten, die ersten Messungen von Temperatur, Feuchtigkeit, Niederschlag, Windrichtung und Sonnenschein gemacht. Nur an vier Tagen in den letzten 133 Jahren haben die Techniker oben keine Daten eingetragen, in den Tagen nach dem Ersten Weltkrieg. Diese nahezu lückenlose Zeitreihe erlaubt genaue Aussagen zu Klimawandel und Gletscherschwund.
„Wir haben die Veränderungen schwarz auf weiß. Sehen tun wir es verstärkt bei den Gletschern“, erzählt Elke Ludewig. „Die sind im Sommer immer öfter schneefrei.“
Auf die Berge, die sie jetzt beruflich besteigt, ist sie schon als Kind gewandert. Auf dem Gipfel oben, wenn der Wind die Wolken über den Himmel gejagt hat, ist ihr Berufswunsch entstanden, Meteorologie zu studieren. Elke wollte die Wolken studieren und welchen Zusammenhang sie mit dem Klima haben. Dass sie nun an den Schauplatz ihrer Kindheit zurückgekehrt ist und das altehrwürdige Observatorium leitet, ist für sie ein wahrgewordener Traum.
„Ich habe von der freien Stelle erfahren, als ich für 13 Monate das Überwinterungsteam der Neumayer-Polarstation des Alfred-Wegener-Instituts in der Antarktis geleitet habe. Ich habe meine Bewerbungsunterlagen unter erschwerten Umständen dort zusammengestellt und abgeschickt. Und als ich zurückkam, hat es dann auch tatsächlich geklappt.“
Von Dezember 2014 bis Jänner 2016 war Elke Ludewig Teil eines Forschungsteams in der Antarktis. Für 13 Monate vom Rest der Welt isoliert. „Ich habe angefangen, unterschiedliche Schattierungen von Weiß zu sehen und mich sehr über das Grün gefreut, als ich zurück gekommen bin. Aber im Großen und Ganzen hatte ich nicht viel Zeit, um zu grübeln, weil die Tage mit der wissenschaftlichen Arbeit, die zu tun war, mehr als ausgefüllt waren.“
Radio FM4
Im FM4 Doppelzimmer am Ostermontag, 13. April, von 14 bis 15 Uhr erzählt Elke Ludewig über ihre Zeit im ewigen Eis, wie man sich auf so eine Extremsituation vorbereitet und wie sie die Zeit nach derzeitigen Shut-down einschätzt, vor allem aus Klimaschutzperspektive. Die Sendung ist anschließend für 7 Tage im FM4 Player und darüber hinaus als FM4 Interview Podcast verfügbar.
Publiziert am 12.04.2020