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Spargel Bündel

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Aktion Spargel

Ein Bekannter von Todor hat einen Vorschlag für die diesjährige Spargel-Ernte in Österreich. Vielleicht ist seine Idee gar nicht so schlecht.

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

„Wir müssen Spargel kaufen!,“ sagte meine Mutter eines Frühlingstages im Jahr 1998. Unsere Familie war gerade in Deutschland angekommen, wo meine Mutter für eine bulgarische staatliche Behörde arbeiten sollte. Ich hatte schon von Spargel gehört, aber ich hatte noch keinen gesehen und schon gar nicht gekostet. Er sah exotisch aus und schmeckte mir nicht besonders. Außerdem war er viel zu teuer für das Gehalt meiner Mutter. Für mich war Spargel schon immer etwas Aristokratisches, sogar etwas Schnöseliges. Und wenn man zu viel Spargel isst, dann riecht deine Pisse nach Schwefel.

In den letzten Jahren habe ich mitbekommen, dass die Menschen, die den Spargel in Österreich pflücken, Landsmänner aus Bulgarien oder aus Rumänien sind. Ganze Dörfer kommen jährlich hierher, um sich um die Spargelernte zu kümmern. Sie arbeiten im Schlamm für eine Bezahlung, die oft viel niedriger als der ausgehandelte Kollektivvertrag ist. Die österreichischen Bauern nutzen gerne diese neue europäische Leibeigenschaft aus und meinen, dass sie nicht mehr zahlen können. Denn der Markt bestimme die Preise und jeder wolle günstigen Spargel im lokalen Diskonter kaufen. Aber dieses Jahr sind die Erntehelfer ausgeblieben.

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Da niemand da ist, der zur Spargelernte antreten möchte, wollen die Bauern, dass man in einer „Aktion Spargel“ Erntehelfer aus Osteuropa einfliege, genau wie die 24-Stunden Betreuerinnen. Das Landwirtschaftsministerium besteht aber darauf, dass man Erntehelfer im Land suchen solle. Laut den Gemüsebauern würde niemand 40 Stunden in der Woche im Spargelfeld für diese Bezahlung arbeiten. Österreichische Jugendliche wären bereit, nur Samstags oder 2-3 Stunden am Tag zu arbeiten. Für mehr Geld. Und so bleibt der Spargel ungepflückt. Und wenn es keine Spargel im Frühling gibt, ist es, als ob es keinen heurigen Wein im Herbst gäbe. Bleibt das die „neue Normalität“?

Ein Bekannter von mir, der im sozialistischen Jugoslawien aufgewachsen ist, meint, man solle „freiwillige“ Brigaden von Jugendlichen organisieren, die zur Spargelernte antreten. Laut ihm hocken die Jugendlichen in Österreich nur zu Hause herum und spielen Computerspiele. Dieser Bekannte, der über 60 ist, hat romantische Erinnerungen an sozialistische, „freiwillige“ Brigaden, als er Pfirsiche in Schumadija gepflückt hat. Er erinnert sich nicht an das Pflücken selbst oder an die Pfirsiche, sondern an das Flirten mit den jungen Pflückerinnen, Studentinnen aus den Städten.

Vielleicht ist seine Idee gar nicht so schlecht. Erstens würden die Stadtjugendliche lernen, dass Spargel nicht auf Palmen wachsen. Die harte Arbeit würde sie dazu bringen, die unterdrückende Heimquarantäne zu vergessen. Bundeskanzler Kurz als junger Mensch könnte ein persönliches Beispiel geben und sich als erster Erntehelfer anmelden. Und genau wie wir, die bulgarischen und rumänischen Erntehelfer, müssten sie dann alle auf dem Feld leben und mit dem Lohn, den sie bekommen, auskommen.

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