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Straße in Harlem, New York City

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In Ann Petrys Roman „The Street” wird die Straße zum Symbol für Verzweiflung

1946 schuf die amerikanische Journalistin Ann Petry mit „The Street“ einen Aufschrei über afroamerikanisches Leben in Harlem. Nun ist eine Neuübersetzung erschienen.

Von Philipp Emberger

„The Street – Die Straße“ von Ann Petry ist ein Buch der Hoffnungslosigkeit. Es erzählt von einer Welt, in der schwarze Menschen jeden Tag gegen ein System der Ungerechtigkeit kämpfen. Allerdings werden den Kämpfer*innen keine ausreichenden Mittel zur Verfügung gestellt, um den Kampf gewinnen zu können. Das Buch beschreibt einen sozialen und ökonomischen Teufelskreis, dem nur schwer zu entkommen ist. Eine diskriminierende Gesellschaft führt zu wirtschaftlichen Nachteilen der Protagonist*innen. Kein Geld bedeutet keine Perspektive.

„Aber sie wollte mehr vom Leben. Sie hatte es doch schon weit gebracht, obwohl arm, schwarz und so ausgeschlossen, als hätte man ihr die Tür vor der Nase zugeschlagen. Nun, die würde sie aufstoßen, sie würde donnern, hämmern und drücken und sie notfalls mit dem Brecheisen öffnen.“

Ann Petry (1908 – 1997) war eine afroamerikanische Journalistin und Autorin. Sie schrieb Kurzgeschichten, Kinderbücher und Romane und beschäftigte sich mit dem Thema Rassismus und dem afroamerikanischen Leben.

Die Protagonistin in Petrys Roman heißt Lutie Johnson. Als alleinerziehende Mutter kümmert sie sich um ihren Sohn Bubb und kämpft jeden Tag dafür, ihm ein besseres Leben bieten zu können. Als Afroamerikanerin im New Yorker Stadtteil Harlem ist das aber nicht einfach. Sie muss sich mit schlechtbezahlten Bürojobs durchkämpfen, um die Miete für die viel zu kleine und schäbige Wohnung bezahlen zu können. In dieser Wohnung in der 116th Street ist sie gelandet, nachdem sie ihren arbeitslosen Mann beim Fremdgehen erwischt hat, während sie die Familie ernährt hat. Fortan kümmert sie sich alleine um ihren Sohn.

Schmerzhafte Realität

Dabei stehen Lutie Johnson und ihrem Traum von einem besseren Leben viele Person im Weg: Der übergriffige Hauswart, die hauseigene Zuhälterin oder etwa ein einflussreicher weißer Kneipenbesitzer. Die verschiedenen Charaktere werden von Ann Petry sehr greifbar zum Leben erweckt und ihre Handlungsmotive offengelegt. Überwiegend erzählt das Buch aber anekdotisch aus Lutie Johnsons Leben und zeigt in Rückblicken das Ausmaß der Diskriminierung. So hat sie etwa als Hausmädchen einer reichen weißen Familie am Land gelebt. Dort hat sie gesehen, was der „American Dream“ bedeutet und musste die Erfahrung machen, dass viele Weiße schwarze Frauen nur als „Flittchen“ sahen. Johnsons Alltag ist geprägt von Verzweiflung und der festen Entschlossenheit, der Armutsfalle zu entkommen.

„Wer das Ganze aus der Warte eines satten Wochenlohns betrachtete und Farbige von Natur aus für kriminell hielt, der sah den einzelnen Schwarzen ja gar nicht. Und zwar deshalb nicht, weil ein Schwarzer für ihn kein Individuum war. Das war eine Bedrohung, ein Tier, ein Fluch, eine Plage oder ein Witz.“

Cover des Buch "The Street" von Ann Petry

Nagel & Kimche

„The Street“ von Ann Petry ist im Verlag Nagel & Kimche in der Übersetzung von Uda Strätling erschienen. Die Erstausgabe stammt aus dem Jahr 1946.

Ein sensationelles Buch

Ann Petrys Debütroman war bei der Veröffentlichung 1946 eine Sensation. Es war der erste Roman einer afroamerikanischen Frau, von dem über eine Million Exemplare verkauft wurden. In der nun vorliegenden Neuübersetzung ist ein Nachwort der Schriftstellerin Tayari Jones enthalten, in dem sie die Werke Ann Petrys einordnet.

„The Street“ ist kein Roman, der von den lauten Tönen lebt. Es ist vielmehr Seite für Seite ein stummer Schrei der Verzweiflung, der von Lutie Johnson ausgeht. Mit vielen kleinen Details erzählt die Autorin Ann Petry von der systematischen Diskriminierung gegenüber schwarzen Personen. Viele Details davon sind auch heute noch, rund 74 Jahre nach der erstmaligen Erscheinung des Buches, aktuell. Ann Petry liefert mit Lutie Johnson eine Protagonistin, ausgestattet mit der Fähigkeit, Sachverhalte bis ins kleinste Detail zu analysieren. Man wünscht ihr als Leser*in alles Glück dieser Erde. Denn das Buch schildert sehr eindrucksvoll ihr hartes Leben und ihre zahlreichen Versuche, für sich und ihren Sohn ein besseres Leben zu schaffen. Ann Petry beschreibt mit „The Street“ einen schockierenden Kreislauf des Elends mit einem schmerzhaften Finale.

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