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APA/GEORG HOCHMUTH

Blumenaus 20er-Journal

Die großen Sport-Verbände haben ihre Allmacht verloren

Was sie zuvor über Jahre nicht zustande gebracht haben, fällt den Nationalstaaten durch den Covid-19-Ausnahmezustand quasi in den Schoß: sie haben die Macht der großen Sportverbände, vor allem des Fußballs, gebrochen.

Von Martin Blumenau

Bis vor kurzem noch haben sie auf den Nasen aller herumgetanzt, Staatschefs, Fürsten, Diktatoren, CEOs sind um sie herumscharwenzelt und konnten gegen ihre geballte Macht nichts ausrichten: die FIFA, der Fußball-Weltverband und das IOC, Ausrichter der Olympischen Spiele, setzten durch was sie wollten, ebenso die UEFA, der europäische Fußball-Verband in Europa.

Seit dem von den Nationalstaaten ausgerufenen Ausnahme-Zuständen ist ihre Einfluss-Sphäre auf den eines bittstellenden Vereins zusammengeschrumpft. Alle Veranstaltungen, also die Lebensgrundlage der Verbände, sind ausgesetzt, auf Terminkalender oder andere globale Absprachen (wie Transferzeiten) wird aktuell, freundlich gesagt, wenig Rücksicht genommen.

In Österreich zeigt sich das im Kleinen: der zuständige Minister kündigt am Mittwoch neue, in vieler Hinsicht vage Vorgaben für Breiten- und Spitzensport an, für den Profi-Fußball gelten bevorzugende Ausnahmen; die Verantwortlichen (Verband und Liga-Vereinigung) bekunden am Donnerstag, dass sie willens sind, die Möglichkeit ihrer Erwerbsgrundlage wieder nachgehen zu können annehmen, aber keine Ahnung haben, wie das praktisch funktionieren soll/wird. Wie auch das Ministerium.

Ähnlich läuft das dieser Tage überall ab; mit unterschiedlichsten Terminen, Fristen und Bestimmungen, was möglich ist. Die Nationen, die sich in gesundheitspolitischer Hinsicht nicht abgestimmt haben (auch nicht innerhalb der EU), nehmen nicht die geringste Rücksicht auf die Wünsche der Verbände nach Koordination in einem Randbereich wie dem Profi-Sport. In einer der Nationen der Top 5-Ligen Europas werden gar die einzelnen Bundesländer entscheiden, was die Bundesliga kann/darf. Empfehlungen, die FIFA oder UEFA ausgeben (und da ist bis dato erstaunlich wenig Bewegung) werden, sind jetzt schon wenig wert. Es werden bestenfalls nachbarschaftliche Absprachen zwischen befreundeten Nationalverbänden dafür sorgen, dass man sich mit den Terminen der noch ausstehenden Saison oder dem Beginn der neuen Saison halbwegs koordiniert.

Weil auch die wichtigsten Financiers des komplexen Systems Fußball zum einen (Sponsoren) mit in die Krise schlittern und ihre Geldflüsse einbremsen, zum anderen (TV-Verwerter) ihre Zahlungen mangels entsprechendem Produkt bereits einzufrieren beginnen, wird es gehörig ins Wackeln kommen. Die ökonomischen Probleme der Volkswirtschaften werden zudem auch indirekt noch schlagend werden, für strukturschwächere Weltgegenden (Fragezeichen Afrika) oder im Aufbau begriffene, noch instabile Sparten (Stichwort: Frauenfußball) kann das sehr gefährlich werden.

Die bis jetzt nur virtuell gestellte Frage ob die jahrelang künstlich hochgepushte Blase „Fußball“ irgendwann platzen wird, ist zu einer realen geworden, bei der nur noch das wann offen ist. Und es ist nicht, wie zu erwarten war, ein durch globale Gierschlund-Player herbeigeführter Kollaps, sondern ein Rückfall in die Zeiten ehe der Weltverband und ehe die reichen Kontinentalverbände die Macht erringen konnten, ein Rückfall ins Nationalstaatliche. Die Folgen werden sich bis zum Ende der Saison 2020/21 ziehen, und frühestens nach der nachgereichten Euro 2021 einer tatsächlichen Normalität weichen. Bis dorthin werden die nationalen Verbände alles, was Relevanz hat bestimmen müssen, weil sie ja auf der Basis ihrer nationalen Regierungsvorgaben agieren müssen, und da gleicht schon in Europa kein nationaler Krisen-Plan dem anderen. Das wird zu einer massiven Ungleichgewichtung führen, die sowohl die nationalen als auch die internationalen Bewerbe der nächsten Saison deutlich verzerren wird - von den jetzt schon verwirrend unterschiedlichen Handhabungen des aktuellen Saisonverlaufs einmal ganz abgesehen.

Dazu kommt, dass ökonomisch auf Sandburgenbasis gebaute Vereine die nächsten Tage, Wochen und Monate nur knapp, unzureichend oder gar nicht überleben werden und Rumpf-Meisterschaften zu befürchten sind. Das betrifft Profis ebenso wie Amateure und die gerade in Österreichs Fußball zahlreichen „Amateur“-Vereine mit de facto Profi-Betrieb. Die Percentage der Corona-Opfer unter den Vereinen wird jene innerhalb der Gesamtbevölkerung deutlich übersteigen.

Das Allsport-Pendant zur in ihren Grundfesten erschütterten FIFA, das IOC, also Olympia, versucht gerade sich durchzuschummeln, mit einem partiellen Abtauchen eine reine Verschiebung um ein Jahr vorzutäuschen ohne die Finanzierung dieses zusätzlichen Aufwands zu übernehmen. Das wird ein Drahtseil-Akt, der diese strukturell ebenso korrupte wie krisenfeste Institution vor eine echte Herausforderung stellen wird. Ich denke, dass sie, zerzaust zwar, aber doch, überleben und zu alter Kraft und wenig gebrochenem Einfluss zurückkehren wird. Auch die FIFA und die UEFA werden die kurzzeitige Verheerung ihrer Business-Modelle überleben, nicht aber in ihrer bisherigen Machtfülle und nicht mehr als die unbeschränkten Herrscher der letzten Jahre; „sleep with one eye open“ wird ihr Motto sein.

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