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Zinn

Wer steckt hinter der Wiener DIY-Sensation Zinn?

Dialekt-Lyrik, Songtexte, die vom morbiden Wien erzählen und ein Hang zur Schwermut: Das Trio Zinn hat zwar erst zwei Singles veröffentlicht, mit ihrer markanten Mixtur setzen sie allerdings gekonnt auf Qualität.

Von Michaela Pichler

Zinn ist ein chemisches Element der vierten Hauptgruppe im Periodensystem. Zinn ist ein sehr weiches Schwermetall. Zinn ist aber auch eine Band, die seit kurzem in der Wiener DIY-Szene aufgetaucht ist und zurecht für Furore sorgt. Margarete Wagenhofer, Jasmin Strauss und Lili Kaufmann haben sich vor gut zwei Jahren als Zinn zusammengetan, die Musikerinnen kennt man aber auch schon aus anderen Formationen wie Schapka oder Small Night Searching. Letzteres war das Soloprojekt von Margarete Wagenhofer. Die Sehnsucht nach dem gemeinsamen Musik machen mit anderen Musikerinnen war dann aber wieder größer und Zinn war geboren. „Es gibt viele verschiedene Assoziationen zu unserem Bandnamen. Für mich war die Nähe von ‚Sinn‘ und ‚Zinn‘ einfach sehr schön. Aber das Charakteristikum ‚sehr weiches Schwermetall‘ passt natürlich auch genau zu uns!“

Gesungen wird bei Zinn im leichten Dialekt vom morbiden Wien, im Retro-Sound versteckt sich immer wieder eine sehnsuchtsvolle Trompete, die von Gastmusikerin Leona vom Duo Giulia y la Leona gespielt wird. Und die Texte erinnern an minimalistische Verse á la Bands wie Die Heiterkeit oder International Music. Dem zugrunde liegt außerdem eine Liebe zu besonderen Worten, die sich schon in den Songtiteln wie „Diogenes“ oder „Lethargie“ abzeichnet. Verantwortlich für die Zinn-Texte ist Margarete Wagenhofer: „Ein 08/15-Text ist für mich das allerschlimmste! Wir haben zwar Lieder, in denen nur ein Satz vorkommt. Aber genau darum geht es: Ein guter Text muss nicht wahnsinnig lang sein. Es kann auch nur ein Satz sein – der muss dann dafür aber auch schön sein.“

Das erste Lebenszeichen von Zinn in Form eines Releases war die Single „Diogenes“, die im Januar bereits im Wiener Gürtellokal Rhiz vor Publikum Premiere feiern durfte. Ein guter Ort, um die Ode an die windige und manchmal auch sehr graue Hauptstadt zu präsentieren. „Ich mag das Morbide, das ein bissl Kranke an Wien - ich wollte seitdem ich 14 bin in diese Stadt, jetzt lebe ich seit 12 Jahren hier und ich lieb’ Wien immer noch sehr“, gesteht Bassistin Jasmin Strauss.

„Der Wind waht und es kann di keiner hörn / Willst nix sein / willst nirgendwo hin / der Wind waht und du woast du bist in Wien“

Die lähmende Aktualität

Die zweite Zinn-Single ist mittlerweile mitten im Lockdown veröffentlicht worden und hat den derzeitigen Gemütszustand perfekt eingefangen: „Lethargie“ befasst sich mit dem lähmenden Gefühl, das sich im Körper ausbreitet, wenn gar nichts mehr geht und man in der Schwere versinkt.

Zinns „Lethargie“ ist ein fröhliches Lied über träge Tage

Christoph Sepin hat sich im Song zum Sonntag auch mit Zinns zweiter Single auseinandergesetzt

Vielleicht auch in der Selbstisolation. Eigentlich hatte das Label Numavi Records schon alles für ein dazu perfekt inszeniertes Musikvideo vorbereitet. „Der Videodreh war wirklich schon bis aufs kleinste Detail geplant gewesen, wir hatten schon unsere Kostümprobe gehabt, es wurden extra Kleider dafür angefertigt“, erzählt Jasmin Strauss. Dann konnte die Schlagzeugerin Lili Kaufmann nicht nach Österreich einreisen, ihr Flug von Belgien nach Wien wurde gecancelt. Weil der Dreh schließlich abgesagt werden musste, haben stattdessen Musik-Kolleg*innen mit Handyvideos aus der Heim-Isolation ausgeholfen – wer genau hinschaut, wird Musiker*innen von Dives, Felix Kramer, Schapka, Lady Lynch und mehr entdecken.

Melancholie ist der Kitt, der die Band zusammenhält und den Sound prägt, sie ist aber auch der gemeinsame Nenner, der die Musikerinnen auch persönlich verbindet: „Wir sind zwar manchmal natürlich wie jeder andere Mensch auch fröhlich, aber wir haben auch oft unsere melancholischen Phasen und dann kann ich nur mit Melancholie diese Welt betrachten“, meint Sängerin und Texterin Margarete Wagenhofer. Bei Zinn klingt die Melancholie nicht nach etwas, das einen tief runterzieht. Sondern viel mehr nach einem alten Freund, der einen auf tröstende Weise in den Arm nimmt.

Zinn

Zinn

Vielversprechende Zukunftsmusik

Wird es bald mehr davon geben? „Es wird sehr bald noch eine dritte Single geben und dann natürlich unser Debütalbum! Das ist schon fix fertig aufgenommen und wartet nur noch darauf, diese Welt zu bespielen“, erklärt Margarete Wagenhofer. Der Albumtitel und der Veröffentlichungstermin werden aber noch nicht verraten. Aufgenommen wurde es mit Soundbastler und Szenemann Wolfgang Möstl, der ja bekanntlich einen sehr guten Riecher für neue DIY-Entdeckungen aus Österreich hat.

Die beiden Singles „Diogenes“ und „Lethargie“ von Zinn sind via Numavi Records veröffentlicht worden.

Im Moment freuen sich alle drei schon auf die Zeit nach den Corona-Maßnahmen, wenn Konzerte wieder möglich sein werden. „Für mich ist es schwer, weil man gerade einfach keine direkten Reaktionen bekommt. Manchmal erscheint eine Review und klar, man freut sich drüber. Aber diese Nähe zum Publikum oder die ganzen Gespräche nach einem Konzert - das fehlt alles extrem in dieser Isolationszeit“, meint Drummerin Lili Kaufmann. Zwischen der Sehnsucht nach Live-Erlebnissen gibt es für Texterin Margarete Wagenhofer auch Zeit für Neues: „Das einzig Gute ist, dass ich jetzt auch schon eine kreativere Phase hatte und somit Zeit für Muse!“ „Es muss aber auch der Raum in dir für diese Muse da sein“, antwortet Lili Kaufmann darauf. „In den Sozialen Medien heißt es jetzt immer, dass man die Zeit nutzen soll, aber ich bin gerade überhaupt nicht in der Lage, irgendetwas Kreatives zu schaffen.“ Und da wären wir auch schon wieder bei der Lethargie.

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