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Tales from the Loop

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Vom Kunstwerk zur Serie: „Tales from the Loop“

„Tales from the Loop“ zeigt eine entschleunigte und fesselnde Welt. Fernab von Science-Fiction-Klischees bietet die Serie einen interessanten narrativen Ansatz.

Von Philipp Emberger

Jonathan Pryce hat das päpstliche Kreuz um seinen Hals aus dem Film „The Two Popes“ abgelegt und schlüpft in der neuen Amazon-Serie in die Rolle von Russ. Er ist Chef des Mercer Center for Experimental Physics (MCEP) im US-Bundesstaat Ohio. Das MCEP ist Betreiber des namengebenden Loops. Als Geschäftsführer des MCEP begrüßt Russ die Zuseher*innen direkt zu Beginn der Serie, durchbricht dabei die vierte Wand und erklärt, wie die Serie zu ihrem Namen kommt: Der Loop ist eine unterirdische Maschine, ein Teilchenbeschleuniger, und soll die Mysterien des Universums entschlüsseln. Während er das tut, scheint der Loop jedoch oberirdisch im Dorf Mercer, seltsame Ereignisse auszulösen. Von diesem Monolog an widmet sich die Serie nun also dem Loop und den vielen Geschichten rundherum.

Unterteilt ist die Serie in 8 Episoden. Inhaltlich legt jede Folge den Fokus auf eine andere Figur. Ihre Geschichten sind lose miteinander verbunden, das verbindende Element sind vor allem übernatürliche Ereignisse. So wird in der ersten Folge dann auch gleich eine trügerische Idylle etabliert: Eine malerische Schneelandschaft, unterstützt von atmosphärischer Musik. Diese reduzierte und gemächliche Erzählweise diktiert dann auch das Erzähltempo für die restlichen Folgen. Das funktioniert in manchen Episoden sehr gut, erzeugt aber in anderen Folgen leider deutliche Längen, die es auszuhalten gilt.

Geheiligt sei der Loop

Wenn die Kinder sich im winterlichen Ohio in den Schnee legen und ihr Ohr gegen den Boden drücken, können sie den Teilchenbeschleuniger Loop hören. Dieser scheint verantwortlich zu sein für herumfliegende Dächer, herumwandelnde Roboter und herumstehende Bewohner*innen. In der ersten Episode stolpert ein junges namenloses Mädchen, ausgestattet mit einem beeindruckenden analytischen Verstand, unverhofft in ihre eigene Zukunft. In der Zukunft angekommen ist sie konfrontiert mit der Frage nach der eigenen Vergangenheit, der eigenen Zukunft und dem eigenen Sein.

Tales from the Loop

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Wer bei Science-Fiction an hochkonzentrierte Wissenschaftler*innen im weißen Kittel oder fliegende Raketen denkt, wird in „Tales from the Loop“ enttäuscht oder – je nach Perspektive – überrascht. Denn die Eklipse, das pochende Herz des Loops, ist nur der Ausgangspunkt der Geschichten und bietet nur den äußerlichen Handlungsrahmen für die Serie. Viel mehr geht die Serie menschlichen Fragen nach und zeigt diese auf subtile und emphatische Art. Der Autor der Serie, Nathaniel Halpern, hat ein erstaunliches Gespür für Gefühle und arbeitet dabei mit ästhetischen Bildern, tragender Musik und nicht zuletzt den Charakteren selbst. Die Fragen, mit denen die handelnden Figuren konfrontiert sind, geben sie unaufdringlich an die Zuseher*innen weiter. Die Themen, die die Serie anspricht, sind groß: Zugehörigkeit, Freundschaft oder Liebe. Wenn in der zweiten Folge zwei Freunde durch eine herumliegende Kugel im Wald ihre Körper tauschen, um für einen Tag dem eigenen scheinbar vorbestimmten Leben zu entfliehen, wirft das die Frage auf, wie wir unsere Lebenszeit gestalten wollen (einer der beiden steigt dabei wesentlich schlechter aus: Er muss eine Scheune streichen). Damit zeigt die Serie, dass Chancengerechtigkeit auch in einer futuristischen Welt ein Thema sein kann.

Vom Kunstwerk zur Serie

Die Grundlage für die Serie ist interessant und außergewöhnlich. Mit seinen retrofuturistischen Kunstwerken liefert der schwedische Künstler Simon Stålenhag die Vorlage für die Serie. Die Schauplätze seines Kunstbuches „Tales from the Loop“ wurden nun zu Leben erweckt. Der große Vorteil daran: Die Welt, in der die Serie spielt, hatte bereits bevor die erste Zeile des Drehbuchs geschrieben wurde, ein visuelles Konzept und eine ästhetische Erzählung. Davon profitiert nun die Serie.

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Neben Jonathan Pryce sind auch Schauspielerin Rebecca Hall oder Tyler Barnhardt, zu sehen in der Serie „13 Reasons Why“, zu sehen. Auf dem Regiestuhl hat für jede Folge eine andere Person Platz genommen. In der achten und letzten Episode war das keine geringere als Schauspielerin Jodie Foster.

Eine melancholische Serie

Der Erzählstil der Serie ist subtil und verlangt den Zuseher*innen phasenweise Durchhaltevermögen ab. Obwohl die Serie einige Twists bereithält, werden diese Stück für Stück aufgebaut und kommen nicht als großer Knall daher. Das fügt sich gut in die ruhige Gesamtstimmung der Serie ein, die als melancholisch beschrieben werden kann. Einen großen Anteil daran hat die Musik der Serie. Verantwortlich dafür sind Philip Glass und Paul Leonard-Morgan.

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Obwohl die Serie in einer rätselhaften Science-Fiction-Welt mit herumwandelnden Robotern und anderen seltsamen Ereignissen angesiedelt ist, lebt sie nicht davon. Viel mehr sind es die persönlichen Geschichten der Charaktere, die durch die Serie tragen. Die Folgen mit ihren Metafragen, eingebettet in einer futuristischen Welt, sind ein interessanter Ansatz.

Mit „Tales from the Loop“ hat Amazon große Ambitionen und diese scheinen in der ersten Staffel zum Großteil aufzugehen. Drehbuchautor Nathaniel Halpern hat eine eigenstände, rätselhafte und irgendwie auch magische Welt geschaffen. Die Serie lebt vom reduzierten Tempo und bietet einen interessanten erzählerischen Ansatz. Die Stärke dessen geht jedoch in manchen Folgen leider verloren und hinterlässt eine lange Durststrecke, die fast schon in Langeweile kippt. Die großen Themen der Serie wissen aber ebenso zu überzeugen wie die vielen einzelne Elemente, die geschickt ineinander gewoben sind.

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