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Gewalt gegen Frauen

pixabay / Tumisu

Mehr häusliche Gewalt durch die Coronakrise?

Viele Länder verzeichnen seit den Ausgangsbeschrnäkungen mehr Gewalt gegen Frauen – zum Beispiel Italien, Spanien, Deutschland, China oder Kanada. Auch in Österreich gab es Befürchtungen, dass die Zahlen nach oben gehen werden. Wir haben bei den Autonomen Frauenhäusern und der Männerberatung nachgefragt, was sie beobachten.

Von Lukas Lottersberger

Bis vor kurzem hat der Verein Autonome österreichische Frauenhäuser (AÖF), der auch die Frauenhelpline betreut, immer wieder um Fördermittel gebangt. Nach den Ausgangsbeschränkungen im März befürchteten viele, dass die häusliche Gewalt zunehmen werde, und plötzlich gab es für die Frauenhelpline prominente Unterstützung von politischer Seite – nämlich von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). Zudem startete eine Infokampagne für die Nummer, bei der Flyer in Supermärkten aufgelegt wurden. Und seitdem läutet das Telefon bei der Frauenhelpline deutlich öfter.

Frauenhelpline

0800 222 555

Anonyme Erstanlaufstelle für Frauen – rund um die Uhr kostenlos erreichbar.

www.frauenhelpline.at

„Wir haben 50 bis 70 Prozent mehr Anrufe als sonst“, sagt Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin der Autonomen Frauenhäuser. Rösslhumer leitet aber aus der Steigerung nicht zwangsläufig ab, dass es mehr häusliche Gewalt gibt. Sie glaubt, dass der Anstieg hauptsächlich auf die Kampagne zurückzuführen sei.

Doch nicht nur bei der Frauenhelpline, sondern auch bei den Frauenhäusern selbst gebe es mehr Anrufe als sonst, sagt Maria Rösslhumer. „Es gibt aber weiterhin genug freie Plätze in den meisten Häusern.“ Das deutet die Geschäftsführerin aber nicht unbedingt als gutes Zeichen: Sie glaubt, dass sich viele Frauen erst bei den Frauenhäusern melden werden, wenn weitere Lockerungen kommen werden oder gewaltbereite Männer wieder zu ihrem Arbeitsplatz zurückkehren. Diese Verzögerung kennen die Frauenhäuser von der Weihnachtszeit: Erst wenn der Feiertagstrubel vorbei ist, würden viele von Gewalt betroffene Frauen Hilfe suchen.

Maria Rösslhumer

Lisa Bolyos/Augustin

AÖF-Geschäftsführerin Maria Rösslhumer

Männerinfo.at

0720 70 44 00 (Ortstarif)

Beratung für Männer bei Gewalt in der Familie, Wegweisung, Betretungsverbot, einstweiliger Verfügung. Krisenintervention, Deeskalation, Konfliktberatung.

maennerinfo.at

Männerberatungsstellen

Bei den Männerberatungsstellen habe man hingegen nur einen leichten Anstieg bei Anrufen verzeichnet, erklärt Alexander Haydn von der Männerberatung Wien. Die Einrichtung betreibt unter anderem „opferschutzorientierte Täterarbeit“ für bereits gewalttätig gewordene Männer, aber auch Präventionsarbeit gegen Gewalt in der Familie, und bietet zahlreiche andere Hilfeleistungen für Männer an.

Momentan gibt es bei der Männerberatung Wien nur eingeschränkten Betrieb und kaum persönliche Gespräche. Stattdessen versucht die Einrichtung aus der Ferne zu helfen: „Hier versuchen wir vor allem deeskalierend zu wirken, Krisenintervention [zu betreiben], telefonischen Kontakt zu haben, aber [die Anrufer] auch zu vertrösten auf einen persönlichen Termin, sobald wir die Beratungsstelle wieder öffnen dürfen.“ Mindestens bis 18. Mai bleiben die Türen der Wiener Männerberatung jedoch geschlossen.

HelpChat

Onlineberatung täglich von 18 bis 22 Uhr und Freitag vormittags von 9 bis 11 Uhr von einem professionellen, mehrsprachigen Beratungsteam.

www.haltdergewalt.at

Appell zu Wachsamkeit

Ob es tatsächlich zu einem Anstieg bei häuslicher Gewalt gekommen ist, kann man derzeit nicht genau sagen. Unsere Anfrage beim Innenministerium bezüglich der Fallzahlen von häuslicher Gewalt blieb bis zum Nachmittag unbeantwortet. Die Einrichtungen gegen Gewalt in der Familie fürchten jedenfalls eine Steigerung.

Eines ist klar: Für viele Familien waren die letzten Wochen eine enorme Belastungsprobe. Auch wenn es inzwischen zu Lockerungen gekommen ist, bleibt die aktuelle Lage in vielen Familien weiter angespannt. Deshalb mahnt Maria Rösslhumer zu Zivilcourage und Wachsamkeit unter Nachbarn.

Bei Auffälligkeiten kann es sinnvoll sein, „bei den Nachbarn zu läuten und nachzufragen, ob alles in Ordnung ist, oder vorzugeben, dass Zucker oder Mehl ausgegangen sind“, erklärt Maria Rösslhumner. „Es ist wichtig, den Betroffenen zu signalisieren: ‚Wir sind da‘ und den Tätern zu signalisieren: ‚Wir bekommen mit, was passiert – und das ist nicht okay.‘“ Wenn ganz offensichtlich Gewalt im Spiel ist, soll man nicht zögern, die Polizei zu rufen.

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