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The 1975

Mara Palena

„If You’re Too Shy (Let Me Know)“ von The 1975 ist der Song zum Sonntag

Ein weiteres, seltsames Lied von „Notes on a Conditional Form“, dem Ende Mai rauskommenden, vierten Album von The 1975.

Von Christoph Sepin

The 1975 ist eine wunderliche Band, trotz ihres Rufs und ihres Erfolgs im Mainstream, das ist klar und wird immer klarer, wenn man sich die bereits veröffentlichten Lieder auf ihrem langerwarteten Album „Notes on a Conditional Form“ anhört.

Da folgt auf einen aufgeladenen Greta-Thunberg-Monolog die anprangernde Nu-Metal-Hommage „People“, dann ein verblüffendes, verträumtes und schnulziges Liebeslied, wie aus der kitschigen Feder von Blink-182, mit dem offensichtlichen Titel „Me & You Together Song“.

Und jetzt die neue Krönung des Absurden, ein Lied namens „If You’re Too Shy (Let Me Know)“, ein so von 80s-Pop-Drama durchzogener Track, dass man sich hier fragen muss, ob das denn alles einfach nur eine Parodie ist und The 1975 ein als Satire erfundenes, durchdachtes Stück Performance-Art.

Sämtliche Popklischees wurden von der Band aus England schon in der Vergangenheit bedient, nun wagt man sich an den großen 80er-Jahre-Hit aus dem Nachmittagsradio. Selbstverständlich ist das große Thema hier Liebe, typisch für das Jahrzehnt, dem der Sound entsprungen scheint, auch noch im oberflächlichsten Sinne.

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  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist*innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

Sänger Matty Healy und die Person seiner Träume treffen sich regelmäßig im Internet, soviel verraten die Lyrics, und egal, wo es ihn hinverschlägt, auf Tour, in die Hotels und Motels der Welt, er möchte immer nur zurück zu ihr, geduldig wartend auf der anderen Seite seines Bildschirms: „Girl of your dreams, you know what I mean, there’s something about her stare that makes you nervous. And you say things that you don’t mean“.

Man möchte sich gar nicht vorstellen, aus welchen Recording Sessions heraus dieses Lied entstanden ist, welche Inputs, Ideen und Meinungen letzten Endes zu diesem erstaunlichen Resultat geführt haben. Kitschig und überzuckert sind die Melodien, verspielt verzweifelt die Stimme und natürlich darf da auch ein schnulziges Saxofonsolo nicht fehlen - man muss sich nur den übertriebensten 80s-Hit vorstellen, dann weiß man auch schon, wie das alles klingt.

Wäre dieses Lied tatsächlich vor dreißig Jahren rausgekommen, dann wäre es wohl der finale Outrosong für die US-Highschool-Comedy geworden, der Coming-of-Age-Moment, wenn sich zwei Außenseiter am nächtlichen, von Scheinwerfern beleuchteten Footballfeld küssen und in die Arme fallen, während um sie herum der Regen vom Himmel prasselt. Und schon allein, dass es The 1975 schaffen, mit ihrer Musik solche Bilder im Kopf zu erzeugen, ist bemerkenswert. Am 22. Mai kommt „Notes on a Conditional Form“ raus und schon jetzt ist klar: Das wird ein Album für die Jetztzeit, auf das wohl noch in Jahrzehnten zurückgeblickt werden wird, als Relikt einer seltsamen Zeit, Anfang der 2020er.

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