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CC0 via Pixabay

Studie: Wie verändert die Corona-Krise unser Liebes- und Sexleben?

Corona und Social Distancing lassen unser Liebesleben nicht unberührt. Eine Studie will jetzt herausfinden, wie das Virus unser soziales Zusammenleben und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen verändert.

Von Ambra Schuster

In der Medizin läuft die Forschung rund um Corona auf Hochtouren. Darüber, wie sich die aktuelle Krise und der neue Alltag aber psychosozial auswirkt, ist bisher wenig bekannt. Wird es in neun Monaten einen Baby-Boom geben? Oder doch eine höhere Scheidungsrate? Oder beides? Was hinter anekdotischen Prognosen steckt, wird in einer aktuellen Studie erforscht.

„Diese schnellen Spekulationen, die man in den ersten Wochen in den Medien gelesen hat, muss man erstmal auf eine wissenschaftliche Basis stellen. Ob sich dieser Baby-Boom realisieren wird, wage ich zu bezweifeln,“ sagt Barbara Rothmüller. Sie ist Soziologin und Sexualitätsforscherin an der Wiener Sigmund-Freud-Universität und hat die Studie zum Thema Liebe, Intimität und Sexualität in Zeiten von Corona initiiert. Die Onlineumfrage läuft seit 1. April und wird in Kooperation mit dem Kinsey Institute for Research in Sex, Gender, and Reproduction der Indiana University durchgeführt.

Neben Fragen zu Liebesbeziehungen und sexuellem Verhalten, beschäftigt sich der Fragebogen aber auch mit den aktuellen Lebensumständen, beruflicher und privater Überforderung und der Nutzung von sozialen Netzwerken. Auch Ungleichheiten in der Gesellschaft und sozialer Zusammenhalt sind Thema.

Die 20-minütige Onlinebefragung ist anonym und richtet sich an Menschen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. In ein paar Monaten soll sie wiederholt werden.

Hierzulande läuft die Onlinebefragung noch bis Donnerstag, 30. April, aus den USA gibt es aber schon erste Teilergebnisse.

Freud und Leid der Distanzierung im Neo-Biedermeier

Was für die einen eine entspannte Intensivierung der Partnerschaft ist, bedeutet für andere soziale Isolation. Und für manche hat sich auch gar nicht so viel verändert.

Barbara Rothmüller

Barbara Rothmüller

Barbara Rothmüller

„Was man generell sehen kann, ist, dass dieser neo-biedermeierliche Rückzug ins Private, diese Haushaltsbeziehungen so bedeutsam macht. Als wäre der Haushalt jetzt die einzig legitime soziale Einheit,“ sagt Rothmüller. Ausschlaggebend dafür, wie Menschen diese Krise gerade erleben, ist also, wie gut sie mit den Personen im Haushalt auskommen. Das wiederum ist ebenso von verschiedenen Faktoren abhängig. Wie wohnen Menschen? Wie ist ihr Beziehungsstatus? Wie abgesichert sind sie? Wie gestresst sind sie deswegen auch? Die Bandbreite der Erfahrungen, die gerade gemacht werden, ist groß und geht ebenso ins Positive wie Negative. In all dem können neue Formen der Intimität entstehen.

Weniger Lust, mehr Kreativität

Das Ausmaß an sexueller Lust und Begehren hat sich für viele Menschen verändert. Aus den Teilergebnissen der US-amerikanischen Studie ist aber deutlich geworden, dass es eine gewisse Spaltung gibt, was sexuelle Lust betrifft: Viele Menschen haben wegen Corona und dem damit verbundenen Stress weniger Lust auf Sex. Gleichzeitig hat sich das sexuelle Verlangen bei manchen erhöht und sie sind in der Pandemie kreativer geworden. Diese Menschen haben ihr sexuelles Repertoire um erotische Texte, Nacktfotos und diverse Praktiken erweitert, mit denen man die Zeit der physischen Distanzierung überbrücken kann.

Daten auf eigenes Risiko

Manche Menschen würden jetzt auch die Zeit nutzen, um neue Partner*innen zu finden, weil sie eben Zeit haben. Andere sehen die Zeit jetzt als Pause etwa von Online-Kontakten, weil sie wissen, dass sie sich ohnehin nicht treffen können. Fest steht, auf Dauer wird sich diese Art von Distanz nicht aufrechterhalten lassen können.

Aber soll man sich jetzt treffen oder lieber doch allein gegen die Einsamkeit ankämpfen? „Es geht um einen verantwortungsvollen Umgang mit Risiken, ohne sich den Spaß verderben zu lassen“, sagt Barbara Rothmüller. Schließlich wisse man seit der Aids-Pandemie, dass alle Appelle an ein risikobewusstes Sexualverhalten nur dann funktionieren, wenn sie an die Lebensrealität der Menschen angepasst sind. „Aber aktuell beobachte ich, dass das Risikoverhalten eher moralisiert wird. Dabei betrifft uns das als Kollektiv und Einsamkeit macht letztendlich auch krank.“

„Einsamkeit macht letztendlich auch krank.“ – Soziologin Barbara Rothmüller

Menschen, die sich jetzt trotz allem mit anderen treffen oder auf Dates gehen, gelten als fahrlässig. Nähe und Intimität wird als bedrohlich wahrgenommen, weil man sich anstecken könnte. Dabei vergesse man, dass für manche Menschen der psychosoziale Druck einfach sehr hoch sei und Sexualität sehr unterschiedlich gelebt wird, gibt Barbara Rothmüller zu bedenken. Am einfachsten ist Dating gerade für Personen, die ohnehin auf der Suche nach mehr Verbindlichkeit sind. Menschen, die mit mehr als einer Person unverbindlichen Sex haben wollen, können sich aber nicht mehr so einfach treffen und ausleben. Die Distanzierung bedeutet eine Umstellung auf andere Formen der Begegnung und andere sexuelle Praktiken. Das ist mitunter schwer auszuhalten.

Lernen von Fernbeziehungen

Vorerst muss man sich aber noch nicht allzu viele Sorgen machen. „Menschen finden immer einen Weg, ihre Bedürfnisse nach Nähe und Intimität zu befriedigen.“ Barbara Rothmüller empfiehlt, sich ein Beispiel an Fernbeziehungen zu nehmen. Sie beweisen, dass man Intimität auch in der Distanz herstellen kann. Nicht umsonst boomen Telefonsex, Sexting und Porno-Seiten. Wenn man auf die digitale Sicherheit achtet, sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Was Distanz und Einsamkeit mit uns macht

Nicht für alle ist diese Zeit der sozialen und physischen Distanzierung gleichermaßen krisenhaft. Manche Menschen können sich auch gut selber Nähe geben. Der Entzug von sozialen Kontakten und körperlicher Nähe über eine längere Dauer kann Menschen aber auch depressiv machen. Wenn sie sich einsam fühlen kann sich das als chronischer Stress manifestieren. „All das sind Folgen dieser Distanzierung, die meiner Meinung nach auch stärker bedacht und berücksichtigt werden müssten,“ sagt Barbara Rothmüller.

FM4 Auf Laut: #staythefuckhome: Wie das Virus unser Sexleben verändert

Social distancing lässt auch unser Liebesleben nicht unberührt. Für Singles ist Körperkontakt in der Isolation Mangelware. Viele Paare spüren bei 24/7-Zweisamkeit daheim eher Stress als Lust. Sexdates sind verpönt und Cruising im öffentlichen Raum strafbar. Doch Ärzte ermuntern uns alle - ob Single oder nicht - zu mehr Sex. Dating-Apps boomen, Telefonsex feiert ein Revival, Pornostreaming-Plattformen bieten Premium-Content gratis an und jubeln über Höhenflüge bei den Zugriffszahlen. Wie verändern die Ausgangsbeschränkungen unser Sexleben? Welche kreativen Lösungen hast du für dich gefunden? Anrufen und mitdiskutieren, bei FM4 Auf Laut am Dienstag, 28.4. ab 21:00!

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