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Das Wiener Label Siluh Records feiert seinen 15. Geburtstag

Seit 15 Jahren fungiert Siluh Records als Schnittstelle zwischen Noise-Appell, szenigem Underground und Indie-Attitüde. Labelchef Bernhard Kern erinnert sich im Interview an die schönsten Momente, an Überraschungen und an die Geburtsstunde von Siluh Records.

von Michaela Pichler

„Es war eine ziemliche Schnapsidee, im wahrsten Sinne des Wortes,“ erzählt Bernhard Kern im Interview, als er an das Jahr 2005 zurückdenkt. „Wir waren damals bei einem Freund und haben die Nacht gemeinsam mit Alkohol verbracht. Irgendwann haben wir uns dann Musikvideos vorgespielt.“ Im Laufe der schicksalshaften Nacht stößt man online auch auf den befreundeten Solokünstler Gschu, dessen Musik gut bei Robert Stadtlober und Bernhard Kern ankommt, abseits seiner Musikvideos gibt es allerdings keine Veröffentlichungen von ihm. „Dann haben wir einfach gesagt: Machen wir doch eine Platte!“ Und so ist der erste Siluh-Records-Release geboren, die 7-Inch-Single „Electricity“ von Gschu. 15 Jahre später zählt Labelbetreiber Bernhard Kern mit dem neuesten Wurf von Bulbul die 94. Veröffentlichung, die im Hause Siluh Records entstanden ist.

Siluh Records sollte aber nicht einfach nur ein weiteres Indie-Label sein, auf dem der ein oder andere Release entsteht. Die Idee des Labels war auch schon von Beginn an, Konzerte und Partys zu veranstalten. Lokale wie das Shelter am Wallensteinplatz im 20. Bezirk in Wien werden zum Stammlokal für Konzertreihen, auch im Flex macht Siluh Records die Leute mit neuer Musik bekannt.

FM4 Soundpark Spezialstunde zu 15 Jahre Siluh Records

Noch mehr in den Label-Erinnerungen Schwelgen gibt es am Donnerstag, den 30. April, im FM4 Soundpark: Ab 21 Uhr widmet sich FM4 Moderatorin Lisa Schneider in einer Spezialstunde dem Siluh-Sound aus fünfzehn Jahren!

So veranstalten Bernhard Kern und Robert Stadlober dort auch das zweite Konzert der Künstlerin Soap&Skin; damals wurde sie allerdings noch als Support der isländischen Musikerin Kría Brekkan gebucht. Neben den eigenen Veranstaltungen in Österreich erinnert sich Labelchef Bernhard Kern aber auch gern an das Tourleben zurück: „Früher bin ich sehr viel auf Tour mitgefahren. Dann steht man in einer anderen Stadt und bekommt dort mit, dass es in Esslingen oder in Hannover Leute gibt, die das alles mitbekommen, was man veröffentlicht. Die Fans sind und zu den Shows kommen.“ Die Touren bringen die Siluh-Familie aber nicht nur in deutsche Provinzen und Großstädte, mit Mile Me Deaf und den Sex Jams geht’s auch in die Staaten. „Diese Erfahrungen zu machen, das ist schon ein tolles Privileg für mich.“

Der kunterbunte Siluh-Stall

Sich auf keine Nische festlegen und der DIY-Attitüde freien Lauf lassen. Was „Indie“ alles soll und muss, das war Siluh Records seit seiner Gründung immer schon reichlich egal. Die Ausrichtung des Wiener Labels ist deshalb auch breit und bunt gestreut. „Von Anfang an wollten wir ganz unterschiedliche Sachen rausbringen und auch heute wollen wir kein Genre-Label im herkömmlichen Sinn sein. Das ist marketing-strategisch vielleicht nicht sonderlich hilfreich, aber unser Credo war schon immer: Wo wir musikalische Anknüpfungspunkte finden, da sind wir dabei!“, erklärt Labelchef Bernhard Kern im Videochat-Interview.

Seit fünfzehn Jahren sorgt Siluh Records in der österreichischen Musikszene für Vielfalt im noisigen DIY-Sektor. Die Liste des Bandkatalogs ist lang und umfasst rund 30 Artists, von Aivery, Bad Weed, Culk, Didi Kern & Philipp Quehenberger, bis hin zu Francis International Airport, Gary, Half Girl, Luise Pop, Petra und der Wolf, Sluff und Vague - nur um einen kleinen, alphabetischen Überblick über das Angebot zu geben.

So unterschiedlich die einzelnen Bands klingen, so ähnelt sich doch der Zugang zum Sound insgesamt. Er sollte stets nur nicht zu glatt, zu poppig, zu langweilig klingen. Doch nicht nur Brüche, Ecken und Kanten vereinen die Indie-Artists auf Siluh Records. Viele der Bands sind auch Fans von den ganz großen Melodien. Einer, der davon gleich in mehreren Siluh-Bands ein Lied singen kann, ist Wolfgang Möstl. Als Mile Me Deaf stapelt der Soundbastler ein Sample nach dem anderen über den Noise-Teppich, der sich in Endlos-Loops im Kreis dreht, verliert dabei aber nie eine gewisse Ohrwurmtauglichkeit aus den Augen.

Gemeinsam mit Kati Trenk, Lukas Bauer, Rudi Braitenthaller und Florian Seyser bestreitet Möstl mit den Sex Jams auch furiose Pfade in Richtung Post-Punk-Noise-Rock’n’Roll. Auch Wolfgang Möstl beginnt zu schwelgen, wenn er an die unterschiedlichsten Siluh-Erinnerungen zurück denkt: „Wir sind gemeinsam schon durch dick und dünn gegangen und ich bin sehr stolz, dass ich mich seit den frühen Anfangstagen zu diesem inzwischen unglaublich buntem Stall dazu zählen darf!“

Vom Siluh-Langzeit-Freund Möstl ist es auch nur noch ein kleiner Sprung zu den Dives, die zu den neuesten Acts unter Siluh Records gehören und bereits mit Möstl als Producer gemeinsam im Studio gestanden sind. Seit sich Tamara Leichtfried, Viktoria Kirner und Dora de Goederen am Pink Noise Girls Rock Camp vor fünf Jahren kennen gelernt haben, ist einiges passiert. Der bisherige Erfolg des Trios war für Bernhard Kern eine überaus erfreuliche Überraschung: „Damit haben wir alle nicht gerechnet. Ich habe sie nach einem Konzert im Flex Café gefragt, ob sie schon Ideen für eine Platte haben. Und so ist es zur ersten EP gekommen. Das hat dann so gut funktioniert, dass Dives eigentlich zwei Jahre durch Europa getourt sind. Und jetzt mit dem Debütalbum hätten sie eigentlich auch über 20 Shows gehabt, die hoffentlich nachgeholt werden können. Aber dass die Reaktionen so positiv sind, freut uns natürlich alle!“

Unter Siluh Records erscheint aber auch Musik, die kurzzeitig die verzerrten E-Gitarren beiseitestellt und Raum für anderes lässt, zum Beispiel für dadaistischen Electro-Pop á la Euroteuro. Aber auch der Wiener Producer Wandl ist so ein Siluh-Ausreiser, der auf den ersten Blick nichts mit dem sogenannten „Indie“ zu tun hat. Wandl produziert seine Lo-Fi-Hip-Hop-Beats aber in bester DIY-Manier in den eigenen vier Wänden. Und passt damit ins Siluh-Konzept, das „Indie“ wieder seiner ursprünglichen Bedeutung gerecht wird: Unabhängig, eigenständig, allen Moden zum Trotz. Auf weitere 15 Jahre Anecken!

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