Ein Jahr nach „Ibiza“
Jetzt ist es offiziell: Heinz-Christian Strache ist wieder zurück auf der politischen Bühne. Er will Wiener Bürgermeister werden. Drehen wir die Uhr ein Jahr zurück. Im Mai letzten Jahres durchfuhr ein politisches Beben das Land, nach dem kein Stein auf dem anderen blieb. Auslöser war ein Video. Veröffentlicht wurde es von der Süddeutschen Zeitung gemeinsam mit Spiegel Online und der Wiener Stadtzeitung Falter.
Das FM4 Doppelzimmer mit Bastian Obermayer und Frederik Obermaier ist im FM4 Player inklusive Musik für 7 Tage sowie als Interview Podcast in voller Länge zu hören.
Das Investigativteam der Süddeutschen hatte lange an dieser brisanten Veröffentlichung gearbeitet. Zehn Monate vergingen vom Erstkontakt mit einem Informanten bis zum 17. Mai, dem Tag, an dem die politische Karriere des Heinz-Christian Strache zu Ende schien. Strache versuchte damals, die ganze „Ibiza“- Affäre als „b’soffene G’schicht“ zu verharmlosen und seine Einladung zur Korruption abzufedern. Ein Untersuchungsausschuss, der am 4. Juni beginnen wird, will nun in insgesamt 42 Befragungstagen Klarheit schaffen. Wie sah es mit der politischen Einflussnahme auf Postenbesetzungen und auf Medien während der türkis-blauen Regierungszeit aus?

Obermayer&Obermaier
Die „Ibiza“-USB-Sticks kurz vor der Veröffentlichung
Wer steckt hinter dem „Ibiza“-Video?
„Wir waren schon etwas frustriert, dass in den ersten Wochen nach der Veröffentlichung des Videos der Fokus auf der Jagd nach den Unbekannten war, die das Video hergestellt hatten, und weniger auf dem brisanten Inhalt. Insofern ist es gut, dass sich der Staub etwas gelegt hat und nun die Justiz an der Reihe ist. 35 Verfahren laufen ja noch“, kommentiert Bastian Obermayer den aktuellen Stand in Sachen „Ibiza“-Affäre. Er und sein Kollege Frederik Obermaier sind die Aushängeschilder des Investigativteams der Süddeutschen Zeitung. Die beiden waren bei großen Aufdeckungsgeschichten wie den Panama Papers oder der ADAC-Enthüllung dabei, die Veröffentlichung des „Ibiza“-Videos hat sie auch hierzulande ins Rampenlicht gerückt und ihnen diverse Journalismuspreise beschert.

Obermayer&Obermaier
Frederik Obermaier und Bastian Obermayer 2015 in Washington DC bei der ersten Präsentation der Panama Papers
Wir treffen uns via Konferenzschaltung aus München und Wien im virtuellen Raum für ein Gespräch und lassen das Jahr nach dem Beginn der „Ibiza“-Affäre noch einmal im Schnelldurchlauf an uns vorüberziehen. Die Zweifel an der Echtheit des Videomaterials, die Angst, in eine Falle gelockt zu werden, das Ohrengutachten und die sich überschlagenden Ereignisse in den Tagen nach der Veröffentlichung des Videos. Schnell ist der Bogen von der österreichischen zur deutschen politischen Kultur gespannt. Und zu der Frage: Wäre so etwas wie die „Ibiza“-Affäre in Deutschland möglich? „Nein“, kommt Bastians schnelle Antwort. „Kein deutscher Politiker würde sich in so einer Konstellation in eine spanische Finca begeben. Viel zu riskant.“ Frederik legt nach: „Sie sind langweilig, aber sehr professionell.“

Radio FM4
Elisabeth Scharang mit Frederik Obermayer und Bastian Obermaier
No Cowboys for President
Ich finde diese positive Verwendung des Begriffs Langeweile in Zusammenhang mit Politiker*innen interessant, vor allem, wenn man in die USA schaut. Fad ist er ja nicht, der amerikanische Präsident. Auch wenn einem die immer selben Kasperliaden mit der Zeit auf die Nerven gehen. Aber will man Showmänner und Showfrauen tatsächlich auf der politischen Bühne sehen? Ja, wenn man nicht an die Demokratie glaubt und alles für ein bloßes Theater für die Massen hält, während die Konzerne sich die Welt im Hintergrund ohne Zuschauer*innen aufteilen. Aber so fatalistisch will ich nicht denken. Schon gar nicht gegenüber zwei Gesprächspartnern, die unermüdlich in Daten und Fakten wühlen, um unsere Perspektive auf das politische Geschehen zu erweitern. Man könnte auch sagen, um die Welt ein Stück weit fassbarer und transparenter zu machen.
Im FM4 Doppelzimmer am 1. Mai 2020 erzählen Frederik Obermaier und Bastian Obermayer aus dem Investigativteam der Süddeutschen Zeitung über Journalismus in Zeiten von eingeschränkten Grundrechten über Drohungen und Einschüchterungsversuche, über die Möglichkeiten von Datenjournalismus und warum ihnen beiden das Lachen bis heute nicht vergeht.
Die Sendung ist im FM4 Player inklusive Musik für 7 Tage sowie als Interview Podcast in voller Länge zu hören.
Publiziert am 01.05.2020