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Neues Austra-Album „Hirudin“

Anlässlich der Veröffentlichung des neuen Austra-Albums „Hirudin“: Die schönsten und schrecklichsten Schmetterarien des Pop.

Von Christian Lehner

Nicht alle bekommen das so gut hin mit der Vermählung von Oper und Pop wie Katie Stelmanis aus Kanada. Die an der Klassik geschulte Sängerin ist die einzige Fixgröße der Band Austra. Auch am neuen und vierten Album „Hirudin“ werden New-Wave-Synths und Gesangstechniken für große Häuser in Einklang gebracht.

Wo ein Freddie Mercury die Brust anschwellen ließ wie der eitle Gockel, der er war, um anschließend Kraft seiner Stimme die Kerzen in der hintersten Loge auszublasen, geht Stelmanis etwas behutsamer zur Sache. Sie zieht die Noten zart in die Höhen und mildert den Abgang mit einem sanften Timbre.

Drama gibt’s dafür in den Texten, die sich aktuell an einem Überthema des Pop und auch der Oper abarbeiten: „Hirudin“ kümmert sich um toxische Beziehungen, um Herzschmerz und Betrug, Schein und Sein, gepackte Koffer und neue Schlafzimmer.

Hier geht es zur FM4-Homebase Spezialstunde zum neuen Austra-Album „Hirudin“ und hier zum Podcast mit Katie Stelmanis.

Lasst uns also einen Blick auf die schönsten und schrecklichsten Schmetterarien des Pop werfen.

Disclaimer 1: Gänsehaut garantiert, die Frage ist nur in welche Richtung. Disclaimer 2: Das Genre „Rockoper“ findet in dieser Aufführung keine Berücksichtung, setzt es doch weniger auf Elemente der Klassik, sondern auf die epische Anlage und/oder visuelle Inszenierung eines Albums. In Folge also kein „Tommy“, (leider) kein „Phantom in Paradise“ und auch kein „Jesus Christ Superstar“. Disclaimer 3: Auch Symphonisches wie nordischer Klassik-Metal-Quark oder die Kolonovizierung von Drum’n’Bass bleiben Außen vor.

Der Urknall – Queen „Bohemian Rhapsody”

Laut oscarprämiertem Biopic haben sie alles erfunden: den Klassik-Rock, den Opern-Rock und wahrscheinlich auch den Pornoschauzer. Gestritten haben sie nur selten. Der Sänger ist an einer mysteriösen Krankheit verstorben - so genau weiß man das heute nicht mehr. Aber: Wayne’s World kann nicht irren! Es ist natürlich das Beste, das Schönste, das Herrlichste. Will you do the Fandango?

Die Entrückte – Kate Bush „Wuthering Heights“

Auch hier bitte mit dem Räuspern bis zur ersten Pause warten. Wer glaubte, Elfen würden nur zwischen dicken Umschlägen oder in einer kindlichen Fantasie existieren, wurde Ende der 1970er-Jahre durch das Heranflattern von Kate Bush eines Besseren belehrt. Fast frech, wie sie ihre exaltierte Stimme in Richtung Parodie dreht, wo sie es doch so ernst meint mit der Sinnlichkeit. British-Folk, Art-Pop, Prog-Rock, New-Wave fallen zusammen in einem einzigen Tänzchen durch Mutter Natur. Falls euch nach den Corona-Lockerungen im Park eine Midsommar-Cosplay-Truppe begegnen sollte, handelt es sich wahrscheinlich eher um einen Wuthering-Heights-Fanclub.

Der Gefallene: Elvis „Unchained Melody“

Es gibt diese Anekdote, wonach Elvis in seiner Filmzeit Anfang der 1960er-Jahre, vollgepumpt mit Aufputschmitteln, im Wohnmobil durch die Wüste Kaliforniens unterwegs war, plötzlich den Wagen anhielt, ausstieg und im Himmel das Bildnis Stalins zu erblicken glaubte. Keine Ahnung, ob der King of Rock’n’Roll damals beschloss, Opernsänger zu werden. Elvis tat das später in Las Vegas. Es war ein Drama. Der Jumpsuit, die wampenkaschierenden Gürtelschnallen, das bebende Doppelkinn, der Schweißperlensturzbach. Der König war gefallen und er sollte auch nicht mehr hochkommen. Da Elvis das irgendwie zu ahnen schien, floß jegliches Restleben in den musikalischen Vortrag seiner pompös inszenierten Shows. Der Blue-Eyed Soul-Klassiker „Unchained Melody“ von den Righteous Brothers geriet wenige Wochen vor Elvis‘ Tod zum markerschütternden Testament seines Untergangs.

Der Tönerne – Peter Hoffmann „Liebe Pur“

Normalerweise findet das Werben zwischen der sogenannte E- und U-Musik unterm Balkon der E-Musik statt. Nur selten steigt umgekehrt ein Heldentenor wie Peter Hoffmann hinab in den feuchten Grund der leichten Muse. Wäre er nur oben geblieben! Sorry, aber da müsst ihr jetzt durch.

Der Außergewöhnliche – Klaus Nomi „Wasting My Time“

Noch immer da? Gut! Er war wahrlich außergewöhnlich. Er war ein Hobby-Konditor, der die Downtown-Szene New Yorks Ende der 1970er-Jahre mit Torten versorgte. Er war ein Kontertenor from Germany, der Klassik, Moderne und New-Wave miteinander verbandelte. Er war ein Performer, der zunächst in Vaudeville-Schuppen brillierte, dann einen Novelty-Popmoment hatte und später von seinem Gönner David Bowie fallengelassen wurde. Klaus Nomi verstarb 1983 als eine der ersten prominenten Persönlichkeiten an AIDS.

Die Schrille - Nina Hagen „New York New York“

Auch die olle Nina Hagen war einmal in New York und hat ihr teutonisches Grollen mitgebracht. Das mit Lover und Wohnung hat sicher auch geklappt.

Die Unterschätzten – KISS „Under The Rose“

Frage deinen Ü-55-Nachbarn, den, der noch bei Mama wohnt und seit Jahren das ausgewaschene „Destroyer“-T-Shirt trägt, nach der schlechtesten KISS-Platte aller Zeiten. Er wird sagen: „Music From The Elder“. Selbst die ewige Lustzunge Gene Simmons würde sich lieber den Schlecker abbeißen, als noch einmal seinen kunstblutüberströmten Axt-Bass in der Nähe dieses Konzeptalbums zu stimmen. Nach ihren Disco-Ausflügen („I Was Made For Lovin’ You”) wechselten die Space-Rocker aus New York 1981 für ein Album ins Fantasy-Fach. Simmons krizelte eine Kurzgeschichte über Gut und Böse auf einen Zettel, Bob Enzrin (u.a. Lou Reed und Pink Floyd) produzierte. Es ertönte so manche Fanfare. „The Elder“ gilt als einer der größten Flops der Hard’n’Heavy-Geschichte. Zu Unrecht, wie unser Song-Beispiel eindrucksvoll demonstriert. Hört ihr den Trockennebel zischen und die Styropor-Felsen herunterdonnern? Auf den Chorus kommt es an! „The Elder“ war hundertpro eine Inspirationsquelle für This Is Spinal Tap.

Die Getunte – Charli XCX „Lucky“

Machen wir einen großen Sprung in die Gegenwart unter Auslassung von Enya, ihren Klonen und der sträflichen Missachtung diverser Neo-Soul und R’n’B-Wagneranerinnen. Charli XCX ist das Chamäleon der aktuellen Popwelt. Kein Stil ist ihr fremd, kein Kostüm zu bunt, kein Feature zu abwegig. Sehr schön anzuhören ist der künstlich mit Auto-Tune und anderen Effekten hochgezogene Koloratursopran im Stück „Lucky“ (ab Minute 03:30). Oft reichen nur wenige Takte zum großen Glück.

Die Vollenderin – Christine And The Queens „La Vita Nuova”

Charli XCX ist freundschaftlichst verbunden mit Christine And The Queens und Caroline Polachek. Erstere spielt die Hauptrolle, zweitere eine wichtige Nebenrolle in „La Vita Nuova“. Streng genommen dürfte der Musikfilm, der auf der aktuellen EP der Französin basiert, hier gar nicht in die Liste. Er fällt in die Kategorie „Rockoper“ und ist in Bezug auf Setting und Inszenierung eine Referenz an das Musical „Phantom Der Oper“. Aber lassen wir Christine And The Queens ob der Vollendung und Pracht und Schönheit dieser Szenen einfach gewähren. Applaus und Vorhang!

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