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Der Song zum Sonntag: Sleaford Mods - „Second“

Sleaford Mods aus Nottingham blicken mit der Compilation „All That Glue“ zurück auf ihre Karriere bis jetzt und packen da mit „Second“ ein bisher unveröffentlichtes Lied mit drauf.

Von Christoph Sepin

Musik der Sleaford Mods ist, da passt dieser Begriff, umwerfend. Simple Kick-Snare-Drumsamples scheppern im Brustkorb, zwischen Aggression und Nonchalance poltern die Lyrics von Jason Williamson vor sich hin. Das ist selten abwechslungsreich, muss das aber auch eh nicht sein. Weil alles gut ist und bleibt bei dem Duo aus Nottingham.

Umwerfend auch Liveshows der 2007 gegründeten Sleaford Mods, wenn’s nach Bier und Schweiß stinkt und Hallen so vollgestopft mit Menschen sind, dass man sich das als Isolationsmensch im Jahr 2020 nicht mal im Traum vorstellen kann. Da kann’s einen schon mal umhauen, wenn man von Williamson von der Bühne aus angebrüllt wird und rundherum die schwitzenden Menschen herumzappeln.

Im Video zu „Second“, einem Lied aus dem Jahr 2017, das jetzt einen Platz auf der am 15. Mai rauskommenden Compilation „All That Glue“ gefunden hat, ist das zumindest (noch) nicht so. Da haben Sleaford Mods ihre Celebrityfreundinnen engagiert, Kate Dickie kennt man aus „Game of Thrones“, Emma Stansfield aus „Skins“, hier agieren sie als originale Sleaford Mods in einer alternativen Realität, die einen spärlich besuchten Gig irgendwann anno 2012 spielen. Natürlich, um sich gewissen Stereotypen zu bedienen, bei einem Open-Mic-Nachmittag in einem englischen Pub.

Ja, das Musikvideo weiß es, das Ohr beim Zuhören auch, Sleaford Mods sind natürlich eine Band, die aus Großbritannien kommt. Sind aber trotzdem zum Glück kein simples Abziehbildchen, kein Soundtrack zu einer Welt wie aus einem Guy-Ritchie-Film. Nein, das ist schon allgemeingültig, was in ihren direkten, wütenden Songs passiert, und nicht regional isoliert.

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  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist*innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

In „Second“, das stellt sich schnell heraus, ist diesmal der Materialismus das Tagesthema der Sleaford Mods: Warum bin ich immer zweiter?, fragt sich Williamson da. Zweiter zu den Stiefeln, die ich trage, zur Jacke, zum Auto, zum Logo, das auf dem Shirt prangert? Der Mensch, zum Träger der oberflächlichen Symbole runterreduziert, steht hier im Mittelpunkt. Wer bin ich, wie sehen mich andere, was ist meine Meinung? Wenn man keine hat, so wirkt’s, kann man sich halt hinter Objekten verstecken.

Drüben in den sozialen Netzwerken der Welt werden Menschen schon lange geranked, gegeneinander und miteinander verglichen. Möglichst viele Likes da, ein grinsendes Foto hier, hoffentlich hat man eh mehr Follower, als Menschen, denen man selbst folgt. Müssen auch gar nicht Menschen sein, eingekaufte Bots gehen auch, weil es schauen eh nur alle auf die Zahlen. „Two, three, four, five, six, seven, eight, nine, ten“, zählen Sleaford Mods währenddessen.

Das ist schon ein ganz herausragendes Talent des Duos, wie scheinbar mühelos da Track für Track in gleichbleibender Qualität veröffentlicht wird - und wieviele Botschaften da mit beeindruckender Simplizität auf den Weg gegeben werden. Wen man möchte und es auch noch nicht hat, noch eine Empfehlung und weiterführende Videoexkursion zur Band: Die sehr gute, 2017 veröffentlichte, Dokumentation „Bunch of Kunst“ über die Karriere der Sleaford Mods über die an dieser Stelle schon mal geschrieben wurde. Vermutlich kann man den beiden darin auch beim Verfassen von „Second“ zuschauen.

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