FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Regina Porter: Die Reisenden Cover & Illustration

S. Fischer Verlag

buch

Von besseren Verhältnissen und Plänen für die Zukunft

Kein Leben ist gewöhnlich: Regina Porter packt síeben Jahrzehnte US-amerikanisches Familienleben in ihren Debütroman. Bis zum Ende ist man über mehr als Verwandtschaftsverhältnisse im Bilde.

Von Maria Motter

Ein Buch, das man aus diesem gar seltsamen Frühjahr auch in den Sommer mitnehmen kann, ist Regina Porters „Die Reisenden“. Die US-Amerikanerin führt ihre Leser*innen sofort in andere Verhältnisse und tischt einem Lebensgeschichten auf, die an den Blog „Humans of New York“ erinnert, in dem Menschen sehr offen erzählen, was ihnen lieb und teuer ist, oder auch, was ihnen schwerfällt und sie bedrückt. Auch die Familiensaga „Die Reisenden“ setzt sich aus vielen Lebensgeschichten zusammen und vermittelt mehr als große Gefühle und Gedanken.

Als der Junge vier war, fragte er seinen Vater, warum Menschen eigentlich Schlaf bräuchten. Sein Vater antwortete: „Damit Gott den ganzen verfickten Scheiß wieder richten kann, den die Menschen verfickt haben.“

So eröffnet Regina Porter ihren ersten Roman „Die Reisenden“. Bisher hat sie Theaterstücke geschrieben und auch in ihrem Prosadebüt bringt sie ein kurzes Drama unter und führt eine Liste der handelnden Personen – noch dazu geht die Liste über zwei Seiten. Wer Romane niemals vor dem Ende auf den letzten Seiten aufschlägt, findet die Liste erst zum Schluss und könnte die eigenen Notizen abgleichen.

Doch „Die Reisenden“ ist kein Werk, das einen überfordert. Ist ein Stift schnell zur Hand, unterstreicht man beim Lesen so manche Lebensweisheit.

Die US-amerikanische Autorin Regina Porter freut sich

Liz Lazarus

Autorin Regina Porter

Regina Porter erzählt die Geschichten einer schwarzen Familie und einer weißen Familie, und wie sich ihre Leben überschneiden, wie sie sich lieben, scheitern, Geheimnisse bewahren – von der Bürgerrechtsbewegung in den 1950er Jahren an (manche Herkunft führt in Verweisen noch weiter in die Vergangenheit) bis zur Präsidentschaft Obamas. Die gesellschaftspolitischen Veränderungen über sieben Jahrzehnte werden über die Beziehungen miterzählt.

Die Erzählperspektiven wechseln, immer wieder wird ein Charakter für ein Kapitel zum Ich-Erzähler und die Aufmersamkeit gehört ihm oder ihr - bis man wieder vom Nächsten zu abgelenkt wird und diesem folgt.

Regina Porter: Die Reisenden Cover & Illustration

S. Fischer Verlag

Auffällig ist, wie leichtfüßig „Die Reisenden“ geschrieben ist. Klipp und klar, doch atmosphärisch sehr schön und in den Details historisch akkurat und in kurzen Sätzen versteht es Regina Porter, das Glück ebenso festzuhalten wie Gewalt und Tragik. Polizeigewalt wird ein junges Paar auseinanderreißen, die rassistische Gewalt einen Unbescholtenen zum Mörder machen. So manche Ehe wird schließlich doch noch gerettet, während andere wie Eloise ihre Beziehungen geheimhalten müssen. Überhaupt Eloise, diese Frauenfigur, die in der Armee Karriere macht. Regina Porter braucht für die Wucht der einschneidendsten Handlungen nicht viele Worte.

Regina Porter: Die Reisenden Cover & Illustration

S. Fischer Verlag

„Die Reisenden“ von Regina Porter ist in der Übersetzung von Tanja Handels bei S. Fischer erschienen.

"Die Wahrheit in den Worten ihrer Mutter ließ Eloise den Kopf schwirren. „Pa hat aufgehört“, gab sie zu bedenken. „Und ist abgehauen. Wenn man trocken wird, lässt man alles zurück, was man bereut.

Die Familiensaga spielt an zig Schauplätzen in den USA, von Georgia bis Brooklyn, auch über einem Flugzeugträger im Südchinesischen Meer und bis in die Bretagne und in die Militärbasis Rammstein. Dutzende Filme laufen beim Lesen im Kopf ab. Bei allem Realismus bringt das Leben dieser liebevoll gezeichneten Charaktere auch magische Momente und skurrile Begegnungen.

Die Mafia wäre in einem Blumenladen anzutreffen, allein, man schaut besser nicht über die Treppe in den ersten Stock. Alligatoren überfliegt man am besten. Über runde Hintern kann man sich auch mal freuen. Halbbrüdern kann man sich stellen. Ein Brief ist unterzeichnet mit „Eloise mit neuer Freundin“.

Subtiler Humor ist auch eine Kunst und jedes Leben ist außergewöhnlich. Regina Porters „Die Reisenden“ ist mit etlichen historischen Fotografien ausgestattet. Schlicht schön!

mehr Buch:

Aktuell: