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"I know this much is true" Serie Stills

HBO

„I Know This Much Is True“: Das geballte Unglück im Serienformat

Marvel-Star Mark Ruffalo kehrt zu seinen Indie-Roots zurück: mit einer Doppelrolle, die unter die Haut geht.

Von Christian Fuchs

Wie viel Tragik erträgt der Mensch? Eine Frage, die einem bei der neuen HBO-Miniserie „I Know This Much Is True“ dauernd im Kopf herumkreist. Die Hauptfigur Dominick Birdsey muss ganz schön viel überstehen. Die Mutter ist unheilbar an Krebs erkrankt, den Vater hat er nie kennengelernt, der Stiefpapa hat eine Prügel- und Missbrauchsvergangenheit.

Ach ja, Dominik, Anfang 40, hat seine akademischen Träume abgebrochen und strampelt sich als Maler und Anstreicher durch. Seine langjährige Beziehung ist am Ende, die Gründe dafür sind schrecklicher Natur.

Vor allem muss sich Dominik aber um seinen Zwillingsbruder kümmern. Thomas Birdsey leidet seit Kindheitstagen an paranoider Schizophrenie. „I Know This Much Is True“ beginnt mit dem extremsten seiner Ausbrüche. In einer öffentlichen Bibliothek schneidet sich Thomas vor kreischender Menge eine Hand ab. Der religiös verwirrte Mann sieht die Tat als Gottesopfer, die Ärzte sperren ihn erstmal in eine Anstalt.

"I know this much is true" Serie Stills

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Das Schicksal schlägt zu

Es wird alles noch viel ärger. Wir befinden uns immer noch in der ersten von sechs Folgen der neuen Serie von Derek Cianfrance, die hierzulande via SKY verfügbar ist. Der US-Regisseur liebt dunkle Stimmungen, sagt er sinngemäß in Interviews. Seine Filme wie „Blue Valentine“, „The Place Beyond The Pines“ oder „The Light Between The Oceans“ rühren allesamt zu Tränen. In „I Know This Much Is True“ schlägt das Schicksal aber so geballt zu, dass man gar nicht zum Weinen kommt, vor lauter Fassungslosigkeit.

Stellt sich die Frage: Wie viel Tragik erträgt der Serienzuseher? Derek Cianfrance, der hier einen Bestsellerroman von Wally Lamb adaptiert, überspannt den Bogen restlos. Irgendwann ist man betäubt von all dem Schmerz, der da über den Bildschirm flimmert. Wenn man glaubt, das alles lässt sich nicht mehr steigern, enthüllt sich in einer Rückblende noch die Familienvergangenheit der Brüder als endloser Albtraum. Das erinnert beinahe an die radikalen Melodramen von Lars von Trier, in denen Zusehergefühle auf die Folter gespannt werden.

"I know this much is true" Serie Still

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Schonungslose Tour de Force

Muss man sich diese Serie also wirklich antun? Was „I Know This Much Is True“ sehenswert macht, neben den stimmigen 35mm-Bildern und einem perfekt passenden Soundtrack, sind die Darsteller*innen. Melissa Leo, Kathryn Hahn, Imogen Poots, bis in die kleinsten Nebenrollen brilliert das Ensemble. Und dann ist da Mark Ruffalo.

Das Mainstream-Publikum kennt ihn wohl nur als Dr. Bruce Banner in den Marvel-Blockbustern. Oder auch als sein computeranimiertes Alter Ego, den wütenden grünen Hulk. Dabei ist Ruffalo außerhalb des Comic-Kinos natürlich eine Institution des Autorenfilms. Filme wie „The Kids Are Alright“, „Foxcatcher“ oder „Spotlight“ verschafften ihm zu Recht Oscar-Nominierungen.

Der supersmarte Indie-Akteur spielt schonungslos den zerrütteten Dominik und den zerstörten Thomas zugleich. Tour de Force nennt man das, Mark Ruffalo geht an seine Grenzen. „Unsere Serie kommt genau zum richtigen Moment“, sagen Hauptdarsteller und Regisseur. „Manchmal, wenn man durch harte Zeiten geht, kann uns ein Drama helfen, damit wir uns nicht allein fühlen.“ Wer Katharsis sucht, diese Serie steht bereit.

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