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Parov Stelars neue EP „Voodoo Sonic Pt.2“ klingt retro, aber nicht abgedroschen

Parov Stelar ist einer der international erfolgreichsten Musiker aus Österreich: Der Mix aus 20er-Jahre-Tanzmusik und modernen Beats bescherte ihm ausverkaufte Tourneen auf der ganzen Welt und den Titel „Erfinder des Electro-Swing". Gerade bringt der Linzer eine neue EP-Trilogie heraus. Für ihn ist es eine Rückkehr zum klassischen „Parov-Stelar-Trademark-Sound“.

Von Felix Diewald

Auch wenn Parov Stelar als sehr erfolgreicher Musiker finanziell abgesichert ist, hat er eine sehr klare Meinung zum Umgang der Politk mit Musiker*innen und Kulturschaffenden währen der momentanen Corona-Krise. „Ich habe schon mit Erstaunen festgestellt, wie stiefmütterlich die Kultur in solchen Krisen-Zeiten behandelt wird. Zwischen den Zeilen bekommt man mit: Die Kultur ist eigentlich nichts Essentielles, das man zum Überleben braucht.“

Live-Konzerte als emotionales Bedürfnis für Menschen

Laut Stelar gibt es neben den physischen, auch emotionale Bedürfnisse, die Menschen haben. Und diese seien genauso wichtig zum Überleben. Und Live-Auftritte seien ein wichtiger Teil zum Decken dieser emotionalen Bedürfnisse. Noch dazu treffe das Auftrittsverbot Musiker*innen zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Mittlerweile hätten sich Musiker*innen nämlich langsam aus der letzten großen Krise zurückgekämpft, die entstanden ist durch illegale Downloads und Streaming-Anbieter, die nur Cent-Beträge bezahlen. Mit Live-Auftritten hätten Musikschaffende in den vergangenen Jahren eine neue, stabile und gute Einkommensquelle gefunden. „Das hat sich transformiert die letzten Jahre. Musiker haben in Kauf genommen, dass sich Tonträger nicht mehr so gut verkaufen. Dafür haben wir das Live-Business gestärkt und da einen Ausgleich geschafft. Und jetzt kommt plötzlich der nächste große Crash.“

„Für Live-Musiker ist Corona eine Katastrophe.“

Parov Stelar hat neben den Live-Auftritten mit seiner Band auch viele Aufträge als Produzent für andere Musiker*innen. Diese kann er auch jetzt vom Studio aus weiter verfolgen. Und Abgeltungen für Kompositionen bekommt Stelar auch weiterhin. Er befindet sich also, verglichen mit vielen Kolleg*innen in einer vergleichsweise privilegierten Position. „Aber wenn du überlegst, wie viele Musiker nur davon leben, auf die Bühne zu gehen. Die jetzt nicht die großen Tonträger- oder AKM-Auswertungen im Hintergrund haben - das ist eine Katastrophe. Ich versuche zumindest mit meiner Band Studioaufnahmen zu machen und mehr in diese Richtung zu machen. Insgesamt ist es eigentlich ein Wahnsinn, und da fehlt mir auch der Lösungsansatz.“

Aufenthalt in der Burnout-Klinik

Parov Stelar hat schon viel erlebt. Er war bisher zwei Mal auf Platz Eins der amerikanischen Elektronik-Charts, er hat Tourneen auf der ganzen Welt gespielt und bald kommt eine Doku über ihn raus. Aber es war auch nicht alles easy bei Parov Stelar in seiner mittlerweile 15-jährigen Karriere: Nachdem er jahrelang alles gibt, findet er sich 2011 in einer Burn-Out-Klinik wieder, weil es nicht mehr weiter geht.

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„Da habe ich schon erstmal nachdenken müssen: Puh, welchen Job habe ich mir da eigentlich ausgesucht als Musiker? Und irgendwann beginnt eine Aussöhnung, ein Lernprozess. Wie schaffe ich es, sehr arbeitsintensiv weiterzumachen, ohne dass ich einen kompletten Raubbau an meinem Körper und meiner Psyche betreibe. Nach 15 Jahren fangts jetzt an, dass ich die Balance finde und weiß, wann es gut ist, die Studiotür zuzusperren.“

Laufen und Boxen als Ausgleich

Mittlerweile hat Parov Stelar auch seine eigenen Tricks gefunden, wie er nach einer langen Studio-Session abschalten und Energie für Neues tanken kann. Was ist sein persönlicher Tipp für eine gute Work-Life-Balance? „Ein ganz wichtiger Aspekt war für mich der Sport. Den habe ich sehr vernachlässigt, vor allem in den ersten Jahren. Aber ich habe dann nachher gespürt: Das hilft mir irrsinnig. Nach dem kreativen Denkprozess den ganzen Tag musst du etwas tun, das genau das Gegenteil ist. Da renne ich raus in die Natur oder mache Kampfsport mit meinem Trainer. Und es erlaubt mir auch, den Blick zu verändern auf meine eigene Arbeit.“

Neue EP „Cinematic Vintage Jazz“

Gerade bringt Parov Stelar eine EP-Trilogie heraus. Der aktuelle Teil, „Voodoo Sonic Pt 2.“ Ist Ende April erschienen. Für ihn ist die EP eine Rückkehr zum klassischen „Parov-Stelar-Trademark-Sound“. Parov Stelar über die Veröffentlichung: „Ich würde es Electro-Swing nennen. Aber sehr organisch. Es geht sogar in Richtung ‚cinematischer Vintage Jazz.‘ Ich habe mich viel mit Soundtracks beschäftigt und mir zum Beispiel alle Staffeln der Serie „Babylon Berlin“ angeschaut. Ein großartiger Soundtrack. Ich wollte eine Brücke schlagen zwischen einem modernen Sound und Retro – ohne aber dieses abgedroschene Retro-Ding, das ja inflationär im Trend ist, zu integrieren.“

Rückkehr zum Trademark-Sound

Dabei hatte der Musiker lange keine Lust mehr auf klassischen Electro Swing. „Zum einen wirst du immer als der Erfinder eines Genres gepriesen. Gleichzeitig habe ich gemerkt: Es lässt wenig Raum für Experimente abseits dieses Electro-Swing. Damit habe ich lange gekämpft in den letzten Jahren. Irgendwann habe ich gemerkt: Dieser Konflikt ist für mich bereinigt, auch persönlich. Und plötzlich war die Freude an dieser Art von Musik wieder da. Ich habe wieder das Gefühl wie vor 15 Jahren gehabt, als ich angefangen habe und Samples gesucht habe. Das war sehr befreiend. Und da ist „Brass Devil“ eigentlich der erste Song, der wieder komplett in diese Richtung geht. Ein sehr spezielles Lied für mich.“

Geplanter Herbst-Auftritt im Wiener Konzerthaus

Parov Stelar will, wenn Konzerte in diesem Ausmaß dann wieder möglich sind, am 19. September eine ganz besondere Show im Wiener Konzerthaus spielen. Camo & Crooked haben es im Februar ja bereits vorgemacht. Wir sind gespannt.

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