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Hier ist die echte Alternative zu Facebook, Twitter, Insta & Co

Kennt ihr das Gefühl, wenn einem Social Media nicht ganz geheuer ist? Auf YouTube ist man nur ein paar Klicks vom Algorithmusstrudel entfernt, der einen in abstruse Verschwörungstheorien reinziehen möchte. Oder wenn die Werbung euch daran erinnert, dass ihr die privatesten Details eures Lebens mit Facebook geteilt habt. Viele merken es und doch scheint es alternativlos. Ist es aber nicht.

Von Claus Diwisch

Ungefähr so lange, wie es Facebook schon gibt, reden Leute auch schon davon, ihre Accounts wieder zu löschen. Ich spare mir an dieser Stelle die Auflistung der Datenschutzskandale und zweifelhaften Praktiken, die viele Social-Media-Plattformen und die gigantischen Unternehmen dahinter in ein schlechtes Licht gerückt haben.

Dass wir dennoch so viel Zeit auf diesen Plattformen verbringen, obwohl wir sie vielleicht gar nicht gut finden, liegt auch daran, dass es eine Form von Gruppenzwang gibt, sagt die Expertin für Datenschutz Klaudia Zotzmann-Koch. Mit ihr habe ich über die Probleme, aber auch über mögliche Lösungen gesprochen. Das ganze Gespräch seht ihr hier:

Was ist die Alternative?

Vor drei Jahren wurde auf Mashable getitelt „Bye, Twitter. All the cool kids are migrating to Mastodon”. Seitdem ist die Zahl der Nutzer*innen von Mastodon stark gestiegen. Es ist ein soziales Netzwerk, ähnlich wie Twitter oder Facebook, aber open source, dezentral und ohne Werbung. Mastodon ist aus der Unzufriedenheit entstanden, als Twitter den chronologischen Feed abgeschafft hat und stattdessen einen Algorithmus die Posts reihen ließ. Mastodon macht es anders.

Um zu verstehen, wie Mastodon funktioniert, muss man erstmal verstehen, dass es nur ein Teil von einem noch größeren sozialen Netzwerk ist. Ich würde fast sagen, es ist wie ein Paralleluniversum, ein Parallelnetzwerk zu Facebook und Co. Dieses Netzwerk ist das Fediverse.

Hier gibt es eine Karte, in der alle Netzwerke im Fediverse verzeichnet sind: fediverse.party

Der Kampf um offene Schnittstellen

Die Geschichte des Internets ist auch ein Kampf um offene Schnittstellen. Ein kurzer Rückblick. Das Internet selbst oder Dienste wie E-Mail haben sich auf Basis von offenen Protokollen entwickelt, die von allen genutzt werden konnten. Große Unternehmen wollten aber immer lieber ihr eigenes Spiel spielen und waren an offenen Schnittstellen nur selten interessiert – diese lassen den Nutzer*innen nämlich die Wahl und die Möglichkeit, das Unternehmen auch einfach verlassen zu können. Die Dienste wollen ihre Nutzer*innen, so gut es geht, in ihrem Ökosystem einsperren, damit sie aus den Daten Profit generieren können. Das steht aber im direkten Widerspruch zu der prinzipiellen Offenheit des Internets.

Eine Gegenentwicklung dazu ist ein neues offenes Protokoll, das das Fundament für das Fediverse darstellt und das den seltsamen Namen „ActivityPub“ trägt. Mit diesem Protokoll ist es möglich, Posts zwischen verschiedenen Onlinediensten auszutauschen. Und so ist es auch im Fediverse – alle sozialen Netzwerke im Fediverse sind miteinander verbunden und tauschen ihre Inhalte aus. Vergleichbar ist es mit E-Mail – man hat eine Adresse bei Betreiber X, kann aber trotzdem Nachrichten von Nutzer*innen bei Betreiber Y bekommen.

Im Fediverse gibt es viele Projekte, die für bekannte Dienste Alternativen anbieten. Das bekannteste von ihnen ist Mastodon. Es sieht aus und fühlt sich sehr ähnlich an wie Twitter oder Facebook. Funkwhale ist eine offene Alternative zu Soundcloud, Peertube zu YouTube und Pixelfed zu Instagram.

Warum ist das jetzt so toll? Weil man als Nutzer*in die Wahl hat. Die Daten gehören einem selbst, man selbst kann entscheiden, wie der Feed angezeigt werden soll, die Daten werden nicht verkauft und wenn man unzufrieden ist mit seinem Server, packt man seine Sachen und nutzt eben einen anderen oder setzt seinen eigenen auf. Im Vergleich: Wenn ich heute mit Facebook unzufrieden bin, habe ich entweder Pech gehabt oder ich trage einen jahrelangen juristischen Kampf aus, so wie es Max Schrems macht.

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Eugen Rochko

Screenshot | AGPL 3.0

Wie fühlt sich das Fediverse an?

Mastodon hat als größtes Netzwerk im Fediverse derzeit ungefähr 4,4 Millionen Nutzer*innen. Im Vergleich zu Facebook ist das wenig, aber das hat auch Vorteile.

Jede neue Plattform erzeugt am Beginn ein Gefühl von Intimität. Am Anfang war Facebook für viele ein Ort, an dem sie ihr privates Tagebuch geschrieben haben. Irgendwann war es das nicht mehr - man musste sich Gedanken machen, wie man sich öffentlich darstellen will, weil es nicht mehr nur die fünf Freund*innen waren, denen man etwas auf die Wall gepostet hat. Die eigenen Social-Media-Seiten wurden mehr zu einem Ort, an dem man eine Version seiner selbst präsentiert, fast wie eine Marke. In diesem Zusammenhang ist auch die Verwunderung darüber zu sehen, dass Politiker*innen vermehrt auf TikTok auftauchen, was in der subjektiven Jungfräulichkeit von TikTok wie eine Störung wirkt. Auf Mastodon gibt es das noch – das Gefühl, dass es mehr um die Inhalte geht und um den Austausch als um die Präsentation und das Sich-selbst-Verkaufen. Und durch die Dezentralisierung schwebt auch das Versprechen darüber, dass es so bleiben könnte.

Das Fediverse lebt von der Idee, dass die Leute mehr interessante Diskussionen mit weniger Missverständnissen haben und dass es ein offenes Netzwerk für alle gibt, das unter der Kontrolle von allen steht und sich dadurch effektiver reguliert, als wir es bisher kennen.

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