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Konsum in der Krise

Die Lokale stehen wieder offen, Geschäfte laden zum Shoppen ein. Aber nach dem ersten Post-Lockdown-Run scheint unser Konsumverhalten nicht mehr das Alte zu sein. Umfragen zeigen, dass viele von uns jetzt ihr Geld in der Freizeit anders ausgeben. Das bringt Chancen und Risiken mit sich in Zeiten von Wirtschafts- und Klimakrise.

Von Claudia Unterweger

„Ich gehe nicht mehr jedes zweite Wochenende shoppen,“ sagt mir die Influencerin Christlclear im Interview. Seit 3 Jahren ist sie selbständig im Business. Ihre aktuell 16.100 Instagram Follower hält sie täglich über ihren Arbeitsalltag, ihr Eheleben und die Lifestyle-Produkte, die sie featured, am Laufenden. Durch die Krise ist Christlclear nicht nur einiges an Shootings und Aufträgen weggebrochen. Auch ihr eigener Konsum hat sich verändert. „In den letzten 8 Wochen bin ich draufgekommen, dass ich gar nicht so viel brauche.“

Hält sich unsere Lust am Shopping jetzt in Grenzen? Gehen wir in Richtung bewussterer Konsum? Was wollen und können wir uns noch leisten?

Stärker auf Nummer Sicher

Die Corona-Krise hat unser Interesse schlagartig auf unsere Grundbedürfnisse gerichtet: Gesundheit, sichere Lebensmittel, Unterstützung aus der Gemeinschaft waren angesagt. Auch nach dem Ende des Lockdowns spiegelt sich das in einem veränderten Kaufverhalten. Konsument_innen gehen seltener einkaufen, geben ihr Geld vorsichtiger aus, verschieben größere Investitionen und greifen im Supermarkt immer noch zu krisensicheren Lebensmitteln wie Kohlgemüse und Nudeln.

Konsum in der Krise

In FM4 Auf Laut beleuchteten wir den Konsum in der Krise: Wie geben wir unser Geld nach dem Lockdown? Was wollen und können wir uns überhaupt noch leisten? Hier als FM4-Podcast zu hören.

Eine Umfrage des Gallup Instituts Österreich bestätigt ein höheres Sicherheitsbedürfnis. Mehr als drei Viertel der Befragten wollen ihr Geld nach Ende der Corona-Krise zwar teilweise ausgeben, aber zu einem Gutteil auch anlegen. Weitere 11 Prozent wollen es zur Gänze aufs Sparbuch überweisen bzw. in Finanzprodukten anlegen.

Einer der Gründe für den Vertrauensverlust liegt sicher in Einkommenseinbußen, sagt Konsumforscherin Nina Tröger von der Arbeiterkammer Wien. Der Verlust des Arbeitsplatzes oder die Angst davor führt bei vielen Personen zu Schwierigkeiten, ihren Alltag zu bewältigen – Fixkosten wie Miete oder Kreditrückzahlungen sind belastend.

Doch auch der wochenlang verordnete Rückzug ins Private wirkt nach, sagt Lisa Panhuber, Expertin für nachhaltigen Konsum bei Greenpeace Österreich. Nach der Geschäftsöffnung haben viele von uns Baumärkte und Möbelhäuser gestürmt. Lifestyle-Produkte wie Textilien und Kosmetik hingegen eher links liegen gelassen. Wozu, wenn man sowieso kaum ausgeht?

Verzicht auf das Einkaufserlebnis?

Haben Ausgehen und Shopping als Freizeitbeschäftigungen fürs Erste ausgedient? Eher nicht. In der Gastronomie herrscht nach der Wiedereröffnung Verunsicherung, das Geschäft läuft vielerorts langsam an. Für manche Gäste sind die gewöhnungsbedürftigen Sicherheitsvorgaben ein Stimmungskiller, andere scheinen aus gesundheitlichen Überlegungen noch Lokalbesuche zu meiden.

Doch für viele von uns ist Konsum Belohnung und Freizeitbeschäftigung. Er bietet die Möglichkeit, aus dem Alltag auszubrechen, uns selbst “etwas Gutes zu tun”, sagt Lisa Panhuber von Greenpeace. Dieser Wunsch könnte nach der Krise möglicherweise noch stärker werden. Dass sich die zu Beginn erzwungene Reflexionsphase zu einem generellen Nachdenken oder Überdenken unserer Konsumgesellschaft entwickeln könnte, daran glaubt auch AK-Expertin Tröger nicht. Sofern das Angebot bestehen bleibt und es zu keinen Lieferengpässe aufgrund des Virus kommt oder weiterhin Reiseeinschränkungen gelten, werden wir mittelfristig wieder im gleichen Ausmaß konsumieren, ausgehen und reisen wie zuvor, schätzt Tröger. Der soziale Konsumdruck ist nach wie vor vorhanden.

Online Shopping und die Folgen

Was sich definitiv durch die Krise verändert hat – und auch längerfristig bestehen bleiben wird – ist die Art, wie wir konsumieren, sagen die Konsumexpertinnen Panhuber und Tröger. Die Verschiebung des Konsums ins Internet wird zur Gewohnheit und den Versandhandel in Zukunft noch stärken. Mit sozialen und ökologischen Folgen.

Vor allem internationale Handelsriesen wie Amazon & Co werden profitieren, lokale Geschäfte und damit verbundene Arbeitsplätze haben das Nachsehen. Für die Umwelt bedeutet das noch mehr Verpackungsmüll und Ressourcenverschwendung. Ein großer Teil der Waren, die wir retour schicken, wird nicht weiterverkauft, sondern landet direkt im Müll.

Damit kleinere heimische Geschäfte neben internationalen Handelskonzernen nicht untergehen, sind jetzt dringend Strategien notwendig, sagt Wirtschaftsforscher Dieter Scharitzer von der WU Wien. Um uns Konsument_innen nach dem Lockdown wieder verstärkt zum lokalen Shoppen zu animieren, brauchen kleine Lokalbesitzer_innen vor allem: Mut, eine präsente Marke und digitale Vertriebswege.

Nachhaltiger auch nach der Krise?

Doch im Lockdown haben manche ihre Konsumgewohnheiten auch bewusst in Richtung Selbermachen oder Regionalisierung umgestellt. „Ich kaufe seit der Krise mehr bei kleinen Shops,“ sagt auch Influencerin Christlclear. „Allerdings haben wir auch das Privileg, dass wir uns das leisten können.“ Es herrscht größere Nachfrage nach Lebensmittel ab Hof, Aktivist_innen haben österreichische Internetplattformen und Onlineshops gegründet. AK-Konsumforscherin Nina Tröger schätzt, dass durch positive Erlebnisse von Konsument_innen der Kontakt mit lokalen Produzent_innen auch längerfristig bestehen bleiben könnte.

Aber reicht das in Zeiten von Wirtschafts- und Klimakrise? Wenn wir tatsächlich nachhaltiger leben wollen, muss unser Konsumniveau sinken, sagt die Greenpeace-Expertin Lisa Panhuber. Die Verantwortung kann jedoch nicht bei den Konsument_innen alleine hängen bleiben, die Politik muss neue Rahmenbedingungen für unseren Konsum schaffen. In der Krise haben wir erkannt, wie abhängig wir von schwer unterbezahlten Arbeitskräften wie Erntehelfer_innen oder Pfleger_innen sind. Hier braucht es dringend bessere Arbeitsbedingungen, fordert Nina Tröger von der AK. Und dass jetzt Branchen wie die Luftfahrtindustrie staatliche Unterstützung fordern, hätte fatale Folgen für die Umwelt - wenn nicht an ökologische Bedingungen gekoppelt. Auf dem Weg aus der Corona-Krise bietet sich jetzt die Chance, an den Nachhaltigkeits-Schrauben zu drehen.

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