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Pixabay / CC0

Magic Moments in der Bahn: Katherina Braschels erstes Buch „es fehlt viel“

Katharina Braschel ist mit „Spargel aus dem Glas" beim FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb Wortlaut 2019 auf den zweiten Platz gekommen. Inzwischen hat sie weitere Literaturpreise gewonnen. Ihr erstes Buch heißt „es fehlt viel“ und ist dieses Frühjahr erschienen.

Von Maria Motter

Noch ein paar Tage ist Zeit, um bei Wortlaut – dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb – mitzumachen: Bis 24. Mai kannst du deine Kurzgeschichte noch einreichen. Das Thema lautet „Kontakt“.

Eine, die schon mehrfach und sehr erfolgreich bei FM4 Wortlaut mitgemacht hat, ist Katherina Braschel. Mit ihrer punktgenauen und atmosphärisch intensiven Kurzgeschichte „Spargel aus dem Glas“ über Gespräche zwischen Frauen, zwischen Freundinnen und Mutter und Tochter hat sie beim FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb Wortlaut voriges Jahr den Zweiten Platz gewonnen. Dann erhielt sie noch in Frankfurt den Wortmeldungen Förderpreis im Spätherbst.

Katherina Braschel

FM4

Jetzt liegt Katherina Braschels erster Band in den Buchhandlungen und bereits das Format fällt auf. „es fehlt viel“ ist im Querformat erschienen, der Text ist eine Montage.

"Es ist 03.38 Uhr. Ein Freund zeigt mir das Musikvideo zu „Anna" von Will Butler. Ich bemerke die Doppelung des weißen Kleides mit dem Gemälde im Hintergrund bei Minute 02:22.“

„es fehlt viel“ liest sich, als würde man die Twitter-Timeline einer Autorin auf einmal nachlesen und nur schwer unterbrechen können. Satz und Sieg – denn die einzelnen Szenen sind zwar kurz, doch sie versetzen einen sofort an den jeweiligen Schauplatz. Die literarischen Miniaturen vermitteln spezifische Atmosphären und sie weisen kleinere und größere Pointen auf. Heiterkeit macht sich breit, wenn die weibliche Ich-Erzählerin ihre Schneckenphobie, Alltagsabenteuer mit Notpass und Wegesstrecken in Wien („Ich mag das Geräusch von vielen Füßen in Winterschuhen, wenn die Rolltreppe kaputt ist. Es ist nicht vergleichbar.“) und Salzburg („Über einer Unterführung in Salzburg steht der Werbespruch: ‚Echt viel Österreich‘. ‚Ja, genau‘, denke ich mir, ‚Genau das ist das Problem.’“) dokumentiert. Doch sehr oft bittersüß und schwankend zwischen einem schönen Gedanken, einem guten Gefühl und der doch auch rauen Realität. Ihr Freund bringt ihr von einer Reise als Geschenk einen Kopfpflasterstein mit.

Vorangestellt hat Katherina Braschel den Hinweis „Dieser Text ist ein Versuch“. Ein Essay, was übersetzt Versuch bedeutet, ist der Text jedoch nicht. Katherina wollte eine möglichst offene Form. Eine Widmung fehlt. Wem würde sie ihr erstes Buch nahelegen wollen? „Menschen, die Lust haben, etwas zu lesen, das weder Lyrik noch Prosa ist, sondern eben ein Versuch,“ sagt Braschel, die 1992 in Salzburg auf die Welt gekommen ist und in Wien lebt.

Das aufgeschlagene Buch "es fehlt viel" von Katherina Braschel

edition mosaik

„es fehlt viel“ von Katherina Braschel ist 2020 bei edition mosaik erschienen.

Szenen keiner Ehe

Alltagsbeobachtungen und sogenannte Overheard-Notizen, also aufgeschnappte Aussagen von Passant*innen, bilden über 120 Seiten Montage das Alltagsleben und -erleben einer jungen Frau im Österreich der Gegenwart ab. Der Wille, ein emanzipiertes Leben zu führen, ist ein zentrales Thema. Sexismus wird angeklagt, wenn er auf Aufklebern auf Autos offen durch die Welt fährt, und er wird in Abhängigkeitsverhältnissen reflektiert. Die Ich-Erzählerin kann nicht allein spätabends an einer Haltestelle auf den Bus warten, ohne an die Bedrohungslage und Angst zu denken, mit der diese Situationen aufgeladen werden.

Ihre Liebesbeziehung und ihr nahes Umfeld hält die Protagonisten außen vor. Wenn ihr Nachname auf dem Display eines Bankomaten erscheint, hat sie „immer ein wenig das Gefühl, ich würde gerade meine Mutter bestehlen“. Die Ich-Erzählerin trägt denselben Nachnamen wie die Autorin.

Die Haltung zum Heimatland ist kritisch und fügt sich in die österreichische literarische Tradition, ja sie doppelt stellenweise bekannte Klischees. Hundekot und Heldenplatz ist etwa eine Kombination, zwei Absätze weiter liest man: „Schimmel ist eine sehr eigene Kategorie von grauenhaft stinkenden Dingen.“ Es geht hier durchaus um flotte Sprüche – aber den Text liest man am besten am Stück.

„Dass Leute viel gelacht haben, hat mich total überrascht, weil für mich das Buch nicht besonders lustig war,“ sagt Braschel, wenn man sie fragt, welche Rolle Humor für sie spielt. „Humor ist etwas ganz Wichtiges. Ich habe ich ihn aber nur an ein paar Stellen absichtlich hineingepackt. Gewisse Stellen gibt es natürlich, wo mir klar war, dass die lustig sind. Ich mag das Zitat total gerne: ’Oida diese U-Bahn ist langsamer als meine Zukunft‘. Und ich konnte kaum mein Glück fassen, dass ich genau in dieser Ubahn gesessen bin und diese Person genau diesen Satz gesagt hat.“

„es fehlt viel“ ist ein Versuch, der sich für Lesende lohnt. Katherina Braschel arbeitet jetzt an einem längeren Prosatext.

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