FM4 Doppelzimmer: GUT sein
Niemand weiß im Moment so recht, wie die Zukunft der Club-Kultur aussehen und was das für Berlin bedeuten wird. „Es gibt ja die Raves im Netz, wo sie publikumslose Partys zu den Leuten nach Hause übertragen, aber für mich ist das nichts.“ Es ist ein schöner Sonnennachmittag, an dem ich Gudrun Gut leider nicht in ihrem Garten in der Uckermark nördlich von Berlin, sondern auf meinem Bildschirm begrüße. Wieder ein Doppelzimmer auf große Distanz.

Elisabeth Scharang
Gudrun hat mir vorab eine lange Liste an Songs geschickt, mit der sie uns auf eine Reise durch ihre musikalische Laufbahn und ihr Leben nimmt. Es ist wenig zum Dösen im Liegestuhl dabei. Also ab in den Underground der 80iger Jahre.
Kaltes Klares Wasser
Schon beim Durschauen der Fotos der Frauenbands Mania D. und Malaria! habe ich Lust, die Musik dröhnen zu lassen und auf die gute Nachbarschaft der letzten Wochen zu pfeifen. Das Intro des Klaviers, das die nassen Tropfen durch den Raum hüpfen lässt, macht Platz für die Frauenstimme: Kaltes, klares Wasser.
Viele werden den Cover-Hit der Chicks on Speed dieses Undergroundklassikers kennen. Im Jahr 2000 hat Gudrun Gut das Cover des Malaria!-Klassikers bei den Chicks in Auftrag gegeben; es wurde ein Renner auf den Dance Floors.
„Nach der Schule im Plattenladen gearbeitet“
Aufgewachsen ist Gudrun Gut in der Lüneburger Heide, hat dort in einem Plattengeschäft gearbeitet und war an der Quelle von dem, was sie bis heute begleitet: Musik. Nur, dass sie heute mit Monika Enterprise ihr eigenes Label besitzt und damit nicht nur sich selbst musikalisch eine Heimat geschaffen hat, sondern auch Musikerinnen wie Barbara Morgenstern oder Contriva.

Anja Freyja
1975 ist Gudrun Gut nach Berlin gegangen, war zwei Jahre später in ihrem ersten Bandprojekt unterwegs und gründete 1979 mit Bettina Köster und zwei anderen Musikerinnen die Band Mania D. Mit dem Nachfolgeprojekt Malaria! sind sie in New York in den Clubs aufgetreten, waren viel unterwegs, aber der Plattenvertrag, der blieb trotzdem aus.
The Boys keep swinging
„Dass wir mit Malaria! keinen großen Durchbruch hatten, hing auch damit zusammen, dass wir Frauen waren. Wir hatten damals oft den Eindruck, unsere Arbeit wurde im Vergleich zu den von Männer-Bands weniger anerkannt. Alle unsere männlichen Freunde aus der Szene wurden irgendwann unter Vertrag genommen, nur wir nicht. Da gab es dieses Stigma: Diese hübsch aussehenden Girls, die können nichts. Gerade in den 70er Jahren gab es eine große feministische Szene in Berlin und relativ viele Frauenbands, gerade im Punk, aber plötzlich waren viele auch wieder verschwunden. Ähnlich in den 90er Jahren, als sich in Berlin der Techno entwickelte. Wenn sich eine neue Bewegung formiert, sind viele Frauen da, die das mittragen und organisieren. Aber wenn das ganze professionalisiert wird und es um die Kohle geht, werden sie rausgekickt. Aber ich bin im Nachhinein nicht böse darüber, wie es gelaufen ist. Wenn wir kommerziell erfolgreich gewesen wären, dann wäre mein Leben einfach gewesen; aber so ist es freier und aufregender.“

Mara von Kummer
Im FM4 Doppelzimmer, am 21.05. ab 13:00 und danach 7 Tage im FM4 Player, reden wir über Gudruns Weg vom Punk zum Synthesizer, vom Berliner Nachtleben ins Dorfleben und ihren Garten in der Uckermark, warum sie nicht so einfach in eine Vorbildrolle schlüpft für junge Musikerinnen, obwohl sie es für viele ist und wir hören eine Menge Musik aus Gudruns Plattenkoffer:
FM4 Doppelzimmer mit Gudrun Gut
Gudrun Gut + Manon | Cocoon |
Thomas Fehlmann | Du fehlst mir |
Lana del Ray | Music to Watch the Boys |
Gudrun Gut | Boys Keep Swining |
David Bowie | Aound And Visison |
Malaria! | Kaltes klares Wasser |
Gudrun Gut/Blixa Bargeld | Die Sonne |
Charlotte Adigery | Paténipat |
Pilocka Krach | If the World |
Gudrun Gut | Garten |
Publiziert am 21.05.2020