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Someday You'll return

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Die Bestie vom Böhmerwald: „Someday You’ll Return“

Das tschechische Horror-Abenteuer „Someday You’ll Return“ verzettelt sich im Überfluss - schade drum.

Von Rainer Sigl

Die Sonne funkelt zwischen den Bäumen, riesige Granitblöcke bilden malerisch bemooste Hügel, Vögel zwitschern und ein Pfad schlängelt sich durch den Wald. Entspannt fühle ich mich hier aber trotzdem nicht, denn ich bin auf einer verzweifelten Suche. Meine Tochter ist nicht nach Hause gekommen, und irgendwo hier verliert sich ihre Spur. Das Auto ist Schrott, Handy-Empfang gibt’s nur sporadisch und irgendwie lande ich nach längeren Irrwegen verdächtig oft wieder am Ausgangspunkt, und dann wird’s auch noch Nacht - dieser Wald ist trotz seiner Schönheit nicht geheuer.

In der Gestalt eines besorgten Vaters irre ich im Videospiel „Someday You’ll Return“ durch diese Landschaft, doch je länger die Suche dauert, desto unheimlicher wird alles. In einem verlassenen Bunker geht es nicht mit rechten Dingen zu, wirre Visionen machen mir zu schaffen und langsam, aber sicher wird der Waldspaziergang zum bizarren Albtraum, der in die eigene Vergangenheit zurückführt.

Horror mit viel Lokalkolorit

Allein im Wald und von bösen Mächten verfolgt - das kennt man aus einem Dutzend Horrorfilmen und auch Videospielen. „Someday You’ll Return“ hebt sich durch sein Lokalklorit von seinem überfüllten Feld ab: Das Spiel eines tschechischen Entwicklerduos bemüht sich um eigenständigen Charakter. Mal gibt es ein tschechisches Pfadfinderlied zu hören, dann finde ich Rätsel in altslawischer, glagolitischer Schrift, das Jugendlager tief im Wald basiert mit großer Sicherheit auf realen Vorbildern und auch so manche Spukgestalt entstammt der lokalen Folklore. Das ist allein deshalb sympathisch, weil man die Hollywood-US-Blaupausen nicht nur im Horrorgenre schon satt hat - das ähnlich gelagerte schwedische Horror-Abenteuer „Unforgiving“ hat ja bewiesen, dass europäische Settings ihren besonderen Reiz haben können.

Allerdings, und hier ist erste, schwerwiegende Kritik angebracht, hätten seine Entwickler sich hier am schwedischen Vorbild ein Beispiel nehmen können und auf gute tschechische Sprecher plus Untertitel statt der vollständigen englischen Synchronisation setzen sollen, denn die ist schlicht und einfach misslungen. Ein geschwätziger, hoffnungslos fehlbesetzter englischer Sprecher lässt die Hauptfigur statt differenziert schlicht unsympathisch werden und macht durch übermäßiges Monologisieren der Atmosphäre den Garaus.

Someday You'll return

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Überladen und zu lang

Zum anderen und abseits davon ist „Someday You’ll Return“ ein fast klassisches Beispiel für zu große Ambition und den wohlbekannten „Feature Creep“: Seine Entwickler haben sich sichtlich bemüht, möglichst viel in ihrem Spiel unterzubringen - leider zu viel. Die lange Spieldauer von weit über 15 Stunden erweist sich schon weit vor der Hälfte als Fluch, denn ab dann ärgert man sich über Wiederholungen, spielerisch wenig gelungene Schleichsequenzen und eine Handlung, die zuerst ins Unsinnige und dann ins splattrige Horrorklischee kippt.

Kurios: Die Macher haben als Reaktion auf diese auch von anderen Rezensent*innen und Spieler*innen vorgebrachte Kritik in einem neuen Update ihr Spiel sogar nach eigenen Angaben „um mehrere Stunden“ gekürzt und - sehr willkommen - viele spätere Stealth-Sequenzen optional gemacht.

„Someday You’ll Return“, entwickelt und vertrieben vom tschechischen Zwei-Mann-Studio CBE software, ist für Windows erschienen.

Trotz dieser Kürzungen bleibt „Someday You’ll Return“ (zu) lang und vor allem: übervoll. Anfangs rechnet man das dem First-Person-Abenteuer noch als Abwechslungsreichtum an: Das hier ist weitaus mehr als „nur“ ein hübsch gruseliger Walking Simulator, denn es gibt hier jede Menge Spielmechaniken. Klassische Rätsel, originelle Crafting- und Puzzle-Aufgaben mit Werkzeug, eine witzige Klettermechanik, Kräutersammeln und Tränkebrauen, actionlastige Flucht- sowie Schleichpassagen, dies, das und dann noch einige andere Dinge werden schon hier im ersten Drittel in rascher Abfolge eingeführt. Bis zum Ende des Spiels werden viele davon allerdings bis zum Überdruss wiederholt.

Schade drum: Weniger wäre hier in vielerlei Hinsicht mehr gewesen.

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