FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Raketenabschuss

US Air Force

Erich Moechel

Neuer „War Room“ im Pentagon nur für Hyperschallwaffen

Die USA setzen nun alles daran, den gewaltigen Rückstand im Vergleich zu Russland, aber auch China in dieser neuen Waffengattung aufzuholen. Präsident Trump schwadroniert dazu über neue „super-duper“ Raketenwaffen.

Von Erich Moechel

Während die USA mit dem „Open Skies“-Vertrag gerade dabei sind, das dritte Abrüstungsabkommen zu kündigen, kommt der Rüstungswettlauf um Hyperschallwaffen gerade so richtig in Gang. Offenbar hat ein sogenannter „Space Glider“ des Pentagon Mitte März einen Testflug absolviert, der als Erfolg gewertet wurde. Allerdings gab man dazu überhaupt keine Daten bekannt.

Wie sein russisches Gegenstück „Avangard“ rast der US-Gleiter aus mehr als 100 Kilometern Höhe mit vielfacher Schallgeschwindigkeit in Richtung Ziel. Das bisher ungelöste Problem dabei war die Steuerbarkeit des keilförmigen Vehikels. Im Pentagon ist seit April ein eigener „War Room“ nur für die Entwicklung von Hyperschall-Gleitern und Cruise Missiles eingerichtet. Am vergangenen Freitag hatte US-Präsident Donald Trump das Projekt dann auf seine Art gewürdigt.

Raketenstart

US Air Force

Der Abschuss einer Interkontinentalrakete des Typs Minuteman III Im Februar von der Vandenberg Air Base in Kalifornien dürfte ebenfalls im Zusammenhang mit dem neuen US-Gleiter zu sehen sein. Russland hat für seine Tests des Avangard-Systems ebenfalls Interkontinentalraketen zu Trägern umfunktioniert. Mehr dazu weiter unten, mehr über die Minuteman-Rakete hier.

Für 2020 und die kommenden Jahre sind in den USA Milliarden budgetiert, um den enormen Vorsprung Russlands aufzuholen. Auch China hat die USA im Hyperschallbereich bereits abgehängt.

Trumps „super-duper“ Raketenwaffen

Trumps geplante Aufkündigung des „Open Skies“-Abkommens zwischen den NATO-Staaten und Russland wird von heftiger Kritik begleitet, der ehemalige CIA-Direktor Michael Hayden etwa befand die Aktion als „geisteskrank“, weil sie den USA massiv schaden würde. Das Abkommen erlaubt allen Unterzeichnerstaaten eine begrenzte Zahl von unbewaffneten militärischen Überflügen zur Kontrolle, ob Abrüstungsabkommen wie der START-Vertrag von der anderen Seite auch eingehalten werden. START läuft im Februar 2021 aus, das Nachfolgeabkommen wird gerade verhandelt.

Trump hatte bei einer Flaggenzeremonie für die neue Space Force vor einer Woche über eine neue „super-duper“ Raketenwaffe schwadroniert, die dreimal schneller fliegen würde als vergleichbare Geschosse Russlands oder Chinas, nämlich mit 17-facher Schallgeschwindigkeit, während es die Konkurrenz gerade einmal auf fünf Mach bringen würde. Wie US-Fachmedien berichteten, wurden die Äußerungen von Experten mit Konfusion aufgenommen, seitens des Pentagon wurden die Ankündigungen mit betretenem Schweigen quittiert.

Rakete

CGTN

Dieser Screenshot stammt von einem Bericht des chinesischen Staatsfernsehens CGTN über die Militärparade anlässlich der Feiern zum siebzigjährigen Bestehen der Volksrepublik China im Herbst 2019. Es wurden vor allem Raketenwaffen vorgeführt, an der Spitze der Parade fuhren etwa ein Dutzend Lafetten mit dem Hyperschall-Marschflugkörper DF-17, der bereits an diverse Einheiten der chinesischen Volksarmee ausgeliefert wurde.

Ende Dezember 2018 hatte Russland einen Glider mit einer Interkontinentalrakete vom Schwarzen Meer bis in die Kamtschatka geschossen, Einschlagstempo angeblich 27 Mach.

Umfunktionierte Interkontinentalraketen

Im Verteidigungsministerium der USA weiß man natürlich, wie weit die USA seit dem Amtsantritt von Donald Trump im Hyperschallbereich hinter Russland und China zurückgefallen sind, dementsprechend sind die Militärs um große Diskretion bemüht. Über den angeblich erfolgreichen Test vom 19. März wurde nur bekannt gegeben, dass der „Common Hypersonic Glide Body“ - ein Gemeinschaftsprojekt von Navy und Army, von dem es bis jetzt nicht einmal eine Zeichnung zu sehen gibt - von der Raketenbasis in Kauai auf Hawaii „mit Hyperschallgeschwindigkeit zu einem designierten Aufschlagspunkt“ abgeschossen wurde. Entfernung, Flughöhe und -dauer, erreichte Geschwindigkeit und Trägerrakete gab man nicht bekannt.

Gerade Letzteres ist eine absolut kritische Information, zumal das START-Abkommen dezidiert verbietet, Interkontinentalraketen ohne Benachrichtigung aller Unterzeichnerstaaten für andere Zwecke umzubauen. Der russische Avangard-Gleiter wird ebenfalls von einer umfunktionierten Interkontinentalrakete des Typs SS-19 („Stiletto“) an die Grenze des Alls gebracht, daher ist anzunehmen, dass die USA ähnlich verfahren. Seit 1994 ist allerdings bekannt, dass Russland die SS-19 von einer ballistischen Interkontinentalrakete für nicht näher benannte Raumfahrtzwecke adaptiert hat. Weil Russland damals eine Vorab-Meldung verabsäumt hatte, gab es einen heftigen Schlagabtausch auf diplomatischer Ebene.

Rakete

RT

Groß war die Überraschung ausländischer Beobachter Ende 2018, als Russland Videos vom Start des Avangard-Systems veröffentlichte. Dabei wurde nämlich die altbekannte russische Interkontinentalrakete UR-100 in neuer Version eingesetzt, der mithin gebräuchlichste russische Raketentyp in dieser Klasse, wegen ihrer schlanken Bauform wird sie von den US-Militärs „SS-19 Stiletto“ genannt. Das ist, wenngleich moderne, so doch herkömmliche Raketentechnik. Das „Avangard“-System aber sitzt ganz oben unter einer Schutzhülle, erst in der letzten Flugphase fliegt es dann allein.

Die USA haben die Materialfrage bei Hyperschallwaffen noch nicht vollständig gelöst. Dabei geht es um eine geeignete Legierung für Außenhülle und Leitwerk, die Temperaturen von 3.000 Grad widersteht.

„Flight Experiment 1“

Anfang Februar wurde eine solche ballistische Rakete des Typs „Minuteman III“ von der kalifornischen Luftwaffenbasis Vandenberg abgefeuert, um „die Verlässlichkeit und Treffergenauigkeit zu testen“, hieß es dazu offiziell. Diese Rakete wurde bereits in den 1970er Jahren in Dienst gestellt und hatte bis 2010 schon 200 erfolgreiche Testflüge absolviert, nur zwei Fehlschläge wurden öffentlich. Auch zum Abschuss der Minuteman gab das Pentagon keinerlei Details bekannt.

Der angeblich erfolgreiche Test des US-Gliders war offenbar nicht der erste, bei dem das Flugvehikel stabil über die Distanz bis zu einem vorgegeben Ziel geflogen ist. Wie das Fachmagazin Defense News berichtet, wurde dasselbe schon im „Flight Experiment 1“ erreicht. Defense News beruft sich dabei Vizeadmiral Johnny Wolfe, den Direktor des Programms „Strategische Systeme“ der US Navy. Von dieser Einheit stammt das Design des US-Gleiters, der laut Wolfe im Oktober 2017 „die gesamte Zieldistanz hyperschallschnell zurückgelegt hat.“

Vorläufiges Fazit

In beiden Fällen war seitens der Militärs - und nur die wissen wirklich im Detail Bescheid - nie von einem Treffer die Rede, sondern nur von einer erfolgreich zurückgelegten Zieldistanz. „Flight Experiment 1“ war auch das letzte solche, denn mit dem Jahr 2017 endete die Finanzierung dieses Testprogramms, die unter Trump vorerst nicht erneuert wurde. Der wiederum hatte im Eifer des Schwadronierens einfach wieder einmal allerhand verwechselt und das Wichtigste nicht dazugesagt.

Glider können durchaus Mach 17 erreichen und noch viel mehr, wie der Flug der Avangard gezeigt hat, die (laut russischen Angaben) mit Mach 27 eingeschlagen ist. Geschwindigkeiten von Mach 5 bis Mach 7 sind hingegen typisch für Marschflugkörper mit Scramjet-Antrieb. Die USA verfügen im Übrigen über keines der beiden Systeme, Russland und China hingegen schon.

Es gibt wieder einen RSS-Feed für diesen Blog. Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. sind über dieses Formular verschlüsselt und anonym beim Autor einzuwerfen. Wer eine Antwort will, gebe tunlichst eine Kontaktmöglichkeit an.

Aktuell: