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Cage in "Vampire's Kiss" mit blutverschmiertem Mund

Hemdale/Magellan

Nicolas Cage und die schöne Kunst des Auszuckens

Sein neuer Film „Color Out Of Space“ spielt punkto Wahnsinn im Mittelfeld. Wer Nicolas Cage aber besonders exzentrisch erleben will, für den hat die Filmwissenschaftlerin Sabrina Mikolajewski ein paar Tipps parat.

Von Christian Fuchs

Der Film „Color Out Of Space“, seit kurzem fürs Heimkino erhältlich, schürte im Vorfeld hohe Erwartungen unter Genrefreaks, sind mit dem psychedelischen Horror-Sci-Fi-Mix doch mehrere zugkräftige Namen verknüpft.

Zum einen ist da der Autor der Vorlage, der ikonische H.P. Lovecraft, dessen nachtschwarze Literatur Generationen fesselte. Zum anderen wurde „Die Farbe aus dem All“ vom amerikanischen Indiefilmstudio Spectre Vision produziert. Der Firma des Ex-Hobbit Elijah Wood verdanken wir auch atmosphärische Werke wie „A Girl Walks Home Alone At Night“ oder „Mandy“.

Dass sich Spectre Vision für die Lovecraft-Adaption den verschollenen Regisseur Richard Stanley holte, der in den frühen 90ern kleine, heiß verehrte Science-Fiction-Thriller mit Horrortouch drehte, begeisterte die Geek-Gemeinde noch mehr. Und dann ist da der Hauptdarsteller mit dem manischen Ruf: Nicolas Cage, Auslöser für unzählige Memes, GIFs und Blog-Artikel. Der 56-jährige Schauspiel-Exzentriker ist es auch, der „Color Out Of Space“ letztlich sehenswert macht.

Cage in "Color Out of Space"

Amazon Prime

„Color Out of Space“

Der Film bemüht sich zwar mit halluzinatorischen Farbsequenzen und bizarren Ideen visuell zu begeistern. Die besten Schauwerte liefert aber Nicolas Cage, der als durchgeknallter Familienvater durch das Geschehen gestikuliert.

Der Yuppie als Nervenbündel

„Color Out Of Space“ spielt punkto Wahnsinn trotzdem nur in der mittleren Nicolas-Cage-Liga. Wer den Großmeister des Auszuckens wirklich auszucken sehen will, muss zu anderen Filmen greifen. 1988, da ist Cage erst Mitte 20, erscheint der tragikomische Horrorstreifen „Vampire’s Kiss“. Als affektierter Jung-Yuppie verwandelt er sich darin durch einen Blutsaugerbiss in ein hysterisches Nervenbündel.

Kritiker verrissen den Film seinerzeit als Overacting-Albtraum, für die deutsche Filmwissenschaftlerin Sabrina Mikolajewski ist „Vampire’s Kiss“ aber ein frühes Meisterwerk des Cage’schen Irrsinns: „Ich glaube, der Film ist vor allem durch das Internet in den letzten Jahren zum Kult geworden. Es sind sehr vieles Memes daraus bekannt geworden, es gab dann auf Youtube auch sehr viele Zusammenschnitte der besten Momente.“

Cage in "Vampire's Kiss" mit irrem Blick

Hemdale/Magellan

„Vampire’s Kiss“

„Bei Nicolas Cage gibt es eben diese expressionistische Ausdrucksform seines Körpers im Mittelpunkt“, schwärmt Mikolajewski, „er ist ja auch sehr geprägt vom deutschen Expressionismus, beeinflusst von Max Schreck in ‚Nosferatu‘, das hat er in dem Film sehr schön zur Schau gestellt. Dieses Over-the-top-Acting, wie manche sagen würden, ist in diesem Film einzigartig“.

Nicht allzu oft passiert es auch, dass ein Darsteller in einer Horrorkomödie eine echte Küchenschabe runterschlingt. In „Vampire’s Kiss“ sieht man das tatsächlich, in einer kurzen, berüchtigten Einstellung ohne Schnitt. Die Berliner Filmwissenschaftlerin lacht: „Ich finde es natürlich nicht notwendig, dass ein Schauspieler lebende Tiere isst. Aber Nicolas Cage ist eine Person, die eben über Grenzen geht. Ich habe auch gelesen, dass er höllische Angst vor Kakerlaken hatte - und ich glaube, er setzt sich selbst solche Herausforderungen, um sie zu bezwingen. Ich glaube, diese Szene war auch seine Idee. Sie musste übrigens zweimal gedreht werden.“

Cage in "Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans", er steht neben einem Gemälde und hält sich den Mund zu

Millennium Films

„Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans“

Werner meets Nicolas

Aus dem einstigen Hollywood-Superstar Nicolas Cage ist bekanntlich ein Vielarbeiter geworden, der mehrere mehr oder weniger brachiale Billigfilme pro Jahr dreht. Inmitten der Fließband-Thriller sind aber immer wieder verrückte Geniestreiche. Wie zum Beispiel „Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans“ anno 2009. Mr. Cage trifft dabei auf the one and only Werner Herzog im Regiestuhl. Die Geschichte eines rabiaten und zerrütteten Polizisten als filmischer Fiebertraum, mit einigen Szenen für die Ewigkeit.

Cage in "Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans", bewaffnet vor einem Kiosk

Millennium Films

„Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans“

Sabrina Mikolajewski ist begeistert: „Einfach Herzog und dazu die Mischung mit Nicolas Cage, das ist unfassbar toll, sehr entertaining auch. Es hat auf der Leinwand gefunkt und in mir auch. Ich finde, vor allem in dem letzten Satz des Films kommt diese Harmonie der beiden am stärksten zum Vorschein, wenn Cage fragt ‚Do fish have dreams?‘ Das ist, als ob Werner Herzog durch Nicolas Cage sprechen würde.“

Ein Film als schlimmer Drogentrip

Ein Film, an dem man als Cagianer*in nicht vorbekommt, ist „Mandy“, einer der umwerfendsten Beiträge zum Avantgarde-Pop-Kino der Gegenwart. Einem Kino, das einerseits ununterbrochen Genre-Knöpfe drückt. Und auf der anderen Seite bewusst die narrativen Klischees verweigert, die zu konventionellen Horrorfilmen gehören.

Nicolas Cage passt natürlich perfekt in das bewusst rudimentäre Handlungsgerüst, rund um ein schrulliges Pärchen, das in einem einsamen Haus in den Wäldern von einer Sekte attackiert wird. Nach dem grausamen Tod der geliebten Frau sieht Cage rot, im wahrsten Sinn des Wortes. „Mandy“ verknüpft Heavy-Metal-Symbolik, Zitate an Fantasy-Comics und Splatter-Action, mittendrin in diesem Filmrausch wütet Nicolas Cage.

„Ich finde in dem Film provoziert nicht Cage selbst dieses extreme Verhalten, sondern die Umwelt, die seine Figur dazu treibt. Dieser brutale Mord an seiner Frau treibt ihn in den Wahnsinn, das wird dann im Laufe des Films immer ärger, bis alles nur noch wie ein richtig schlimmer Drogentrip wirkt.“

Cage in "Mandy", blutverschmiert

Spectre Vision

„Mandy“

Sabrina Mikolajewski fasst ihre Faszination für Maestro Nic Cage perfekt zusammen: „Ich bin insgesamt Kinofan des Extremen, ich mag einfach Filme, die über die Stränge schlagen. Nicht nur was Bilder angeht, sondern auch punkto Schauspiel. Das sieht man ja viel zu selten, dass ein Schauspieler so sehr die Grenzen des Schauspielerischen ausdehnt.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

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In der neuen Ausgabe des FM4 Filmpodcast feiern Pia Reiser und Christian Fuchs ihre Rückkehr ins Studio am Küniglberg, wo sie gleich Jan Hestmann dazu einladen. Auf Abstand plaudern die drei über Heimkino-Neuerscheinungen. Im Zentrum steht dabei das surreal angehauchte Popstar-Drama „Vox Lux“ mit Natalie Portman, aber auch über kontroverse Menschenjagden, Will Ferrell, einen doppelt gequälten Mark Ruffalo wird geplaudert. Musik- und Schikurs-Traumata inklusive.

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