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Buchcover "Die Geschichte von Joy Division"

Heyne Hardcore

Der Mythos Joy Division lebt weiter

In „Sengendes Licht, die Sonne und alles andere“ erzählen Zeitzeugen die Geschichte der Band Joy Division. Jon Savage hat daraus ein Buch gemacht.

Von Eva Umbauer

„Ich sah Manchester durch die Augen von Joy Division.“ Das sagt der englische Musikjournalist, Pophistoriker und Autor Jon Savage über die legendäre Band Joy Division. Auch vierzig Jahre nach dem Freitod von Sänger Ian Curtis ist der Mythos Joy Division am Leben.

Fast schon in detektivischer Weise geht der britische Musikjournalist Jon Savage - er wurde vor allem durch seine Bücher „England’s Dreaming“ (1991) und „Teenage“ (2007) bekannt - an die so einflussreiche englische Band Joy Division heran.

Was wurde noch nicht erzählt über Ian Curtis und Joy Division? Was hat man noch nicht erfahren in den bisherigen Biografien, Dokumentationen und Filmen über diese Post-Punk-Band, die bloß zwei Alben veröffentlicht hatte, „Unknown Pleasures“, 1979 und „Closer“, 1980, aber seither weiterhin eine große Anziehungskraft ausstrahlt. Von The Cure bis zu den Editors, melancholischer Indierock, wie es ihn ohne Joy Division wohl so nicht gäbe.

Impulsgeber

"Ian hat die Impulse gegeben. Wir nannten ihn ‚den Entdecker‘. Er sagte zum Beispiel so was wie: „Klingt gut, wir nehmen noch ein bisschen Gitarre dazu." Wir wussten nicht, was gut klang, aber er schon, weil er einfach nur zugehört hat. Das hat das Songwriting beschleunigt. Es gab immer einen, der zugehört hat. Ich kann’s nicht erklären, das war reines Glück. Hatte gar keinen bestimmten Grund.“

Das sagt Peter Hook, der Bassist von Joy Division, über Ian Curtis und die gemeinsame damalige Band, über deren Mitglieder. Der Autor Jon Savage sagt, dass sie nach etwas suchten, das sie selbst nicht verstanden, für das sie keine Begriffe hatten, aber das sie einfach verkörperten – und damit große Kunst schufen.

Jon Savage war in den späten 1970er Jahren als junger Mann von London nach Manchester gezogen, weil er einen Job bei Granada Television bekommen hatte, einer unabhängigen, regionalen Fernsehgesellschaft. Auch wenn London damals „rough“ war, der Umzug in die heruntergekommene Industriestadt im englischen Nordwesten war eine Art Schock für Jon Savage.

Sengendes Licht, die Sonne und alles andere. Die Geschichte von Joy Division

Heyne Hardcore

„This Searing Light, The Sun And Everything Else: Joy Division: The Oral History“ von Jon Savage ist in deutscher Übersetzung von Conny Lösch unter dem Titel „Sengendes Licht, die Sonne und alles andere: Die Geschichte von Joy Division“ bei Heyne erschienen.

Mit den Augen von Joy Division

Joy Division halfen ihm mit ihrer Musik, die Stadt zu begreifen. Jon Savage begann, sie durch die Augen von Joy Division zu sehen. Und so erfahren wir in „Sengendes Licht, die Sonne und alles andere“ auch viel über Manchester und die Geschichte der Stadt.

„Bei zwei Begriffen dachte man immer an die Städte im englischen Norden, insbesondere an Manchester. Der eine war ‚Slum‘. Slums waren dreckige Wohngebiete der Arbeiterklasse. Der andere Begriff ist ‚Arbeitslosigkeit‘. Das sind die beiden Begriffe – das ’S’-Wort und das ’A’-Wort –, meist in Verbindung mit ‚dreckig‘. Manchester war eine wirklich dreckige Stadt, eine dirty, dirty old town.“

So zitiert Jon Savage in seinem Buch über Joy Division einen gewissen Tony Wilson. Der mit nur siebenundfünfzig Jahren an Krebs verstorbene Tony Wilson ist eine Manchester-Ikone. Er war der Gründer des Factory-Plattenlabels, das Bands wie Joy Division und dann New Order oder die Happy Mondays veröffentlichte. Weiters war Tony Wilson der Gründer der legendären Hacienda, jenem Club, der dann in den späten 80er und frühen 90er Jahren zum Epizentrum neuer Indie-Dance-Musik aus Manchester wurde.

In diesem neuesten Buch über Joy Division kommen vor allem die üblichen Verdächtigen zu Wort, von den ehemaligen Bandkollegen von Ian Curtis bei Joy Division bis zu Deborah Curtis, die selbst einmal ein Buch über ihren geschiedenen Mann Ian schrieb. Aber diese „üblichen Verdächtigen“ wissen wohl am genauesten, wie es damals wirklich war inmitten von und rund um Joy Division, auch wenn sie sich in diesem Buch durchaus auch mal widersprechen.

Verschiedene Stimmen

„Sengendes Licht, die Sonne und alles andere“ von Jon Savage ist eine „oral history“, ein Format, das es dem Autor erlaubt, nicht nur mit seiner eigenen Stimme zu sprechen, sondern mit verschiedenen Stimmen.

Der Buchtitel, mit den Wörtern Licht und Sonne, soll deutlich machen, dass es bei Joy Division nicht ausschließlich um „doom and gloom“ ging, nicht nur um das Dunkle und das Düstere, sondern dass diese Band auf eine Weise auch etwas Helles ausstrahlte, bei ihren Konzerten etwa: Da waren Kraft und Energie, und etwas Erhabenes.

Gute Popmusik, so Jon Savage, ist destillierte Emotion. In dieser Hinsicht sind Joy Division unerreicht. Aber manchmal, und das ist schön zu hören, waren Joy Division auch einfach nur ein bisschen komisch.

„Ian hatte schon immer ein tolles Gespür für Mode gehabt. Er hatte eine echt smarte Stoffhose und trug immer so einen RAF-Mantel dazu – Berlin 1935, so ein Stil. Dazu Barney mit Schnurrbart und Hooky, der sich anzog wie ein schwuler Tänzer, wie einer von Village People: Das war damals ziemlich seltsam, mit der Schirmmütze, dazu trug er noch ein Lederhalsband mit Nieten. Das Ganze war ein ziemlicher Mischmasch.“

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