FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Idles am Nova Rock Festival 2019

Franz Reiterer

song zum sonntag

Der Song zum Sonntag: Idles - „Mr. Motivator“

Conor McGregor düst auf Rollerblades durch die Gegend, Tracey Emin hört The Fall und Flava Flav reitet am Rücken von John Wayne in „Mr. Motivator“, dem Lockdown-Workout-Motivationssong der Idles aus Bristol.

Von Christoph Sepin

Zu lange waren Workout-Playlisten der Spielplatz des schlechten Geschmacks: Da die ironiedurchzogenen Schweißband-Dancetracks aus verwaschenen 80s-Filmerinnerungen mit Kevin Bacon oder Patrick Swayze, dort die Popsongs der frühen 2000er, in denen fade Popstars zum oberflächlichen Selbstoptimieren auffordern. Die Idles machen jetzt damit Schluss - und machen den Workout-Song auch noch politisch.

Die Band aus Bristol gehört zu den Guten, die (Punk-)Rock’n’Roll auch im Mainstream wieder relevanter machen, nicht umsonst sind sie in unserer Punker*innenecke, der Basement Show im FM4 House of Pain, zu einer der wichtigsten Gruppen des vergangenen Jahrzehnts gekürt worden. Diesen Hang zu Relevanz und Pointiertheit teilen sie sich mit Bands wie den schwedischen Viagra Boys oder The Garden aus Kalifornien: Songtexte sind hier keine Füllwörter, alles hat schon einen Grund, eine Aussage und eine Bedeutung, warum das dort ist, wo das ist, in den Liedern dieser Musiker. All killer, no filler auch wieder im jetzt veröffentlichten akustischen Arschtritt der Idles namens „Mr. Motivator“.

Hier müsste man wohl zuerst ein bisschen britisches Hintergrundwissen teilen, um zu verstehen, was es denn genau mit diesem Songtitel auf sich hat: Den Titel Mr. Motivator trug nämlich schon vor den Idles eine echte Person, der Fitnesstrainer Derrick Evans, der in den 90ern die britische Bevölkerung vor den Fernsehbildschirmen zum morgendlichen Sporteln einlud.

  • Alle Songs zum Sonntag auf FM4
  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist*innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

In Zeiten des Lockdowns übernehmen die Idles jetzt diese Funktion - das zeigt auch schon das Musikvideo, das Fans der Band, physisch distanziert, aber musikalisch vereint, bei schönsten Workoutperformances zu den wilden Takten der Band begleitet. Da tanzen Menschen etwa durch den Garten, machen Hampelmann als Boris Johnson verkleidet und drücken Hanteln in die Luft. Gerne möchte man da mitmachen, wenn man sich das ansieht und anhört - und sollte das auch.

Die Mission ist einfach, selbstbestimmt und schnell zusammengefasst, das wissen die Idles schon zu Beginn von ihrem „Mr. Motivator“: „I am I and I intend to go“, so Vokalist Joe Talbot nach einem kurzen „Repeat after me“. Und dann werden allerlei motivierende Statements gedroppt, die zum Bewegen, zum Springen und zum Tanzen überzeugen sollen: „Like Conor McGregor with a samurai sword on rollerblades“ wird da der MMA-Kämpfer ins Lied projiziert, „like Kathleen Hannah with bear claws grabbing Trump by the pussy“, folgt da die Riot Grrrl-Ikone drauf. „Like Tracy Emin in her unmade bed listening to The Fall“.

Wir nutzen den Tag, wir halten uns an den Händen, wir strecken den Mittelfinger nach oben, grölen die Idles weiter, wenn sie ihren Refrain starten: „Let’s seize the day, all hold hands, chase the pricks away“. Dass das alles hier simple Floskeln sind, die man eben so braucht, um zum Workout motiviert zu werden, wissen sie auch: „How do you like them clichés?“, folgt da verspielt immer wieder die Frage.

Idles sind Tanz und Bewegung, Freude und Motivation, wie ein zum Lied gewordenes Shia LaBeouf-Meme, wenn sie ins Mikrofon brüllen: „You can do it, you can do it, it’s all about the confidence“. Eine der aktuell besten Rockbands der Welt schüttelt sich damit in dreieinhalb Minuten einen der besten Workoutsongs aus dem Ärmel. „Like Flava Flav in the club riding on the back of John Wayne, like David Attenborough clubbing seal clubbers with LeBron James“.

Aktuell: