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Thao & The Get Down Stay Down

Shane McCauley

Das neue Album von Thao & The Get Down Stay Down ist eine Coming-Out-Platte

Nach vier Alben mit charismatischem Gitarrenpop hätte die US-Band Thao & The Get Down Stay Down fast ihre Instrumente weggepackt. Zu schwierig schien die Situation für Frontfrau Thao Nguyen. Letztlich sind zum Glück aber doch neue Songs entstanden: „Temple“ ist eine sehr persönliche Platte geworden, ein Coming-Out-Album.

Von Eva Umbauer

Für Thao Nguyen konnte es so einfach nicht mehr weitergehen. Sie musste etwas ändern. Etwas das schon lange klar war, von dem sie aber entschieden hatte, dass es geheim bleiben soll. Thao Nguyen liebt Frauen. Aber wie das ihrer Mutter und den weiteren (vietnamesischstämmigen) Verwandten beibringen, vor allem den älteren? Ohne diese zu verlieren, ohne, wie Thao im FM4-Interview erzählt, nicht „verstoßen“ zu werden.

Es war eine schwierige Situation. Bevor diese Sache nicht geklärt war, konnte bei Thao keine neue Musik entstehen. Inzwischen ist Thao Nguyen verheiratet und hat zusammen mit ihrer Frau ein Haus gekauft.

Thao & The Get Down Stay Down Albumcover

Thao & The Get Down Stay Down

„Temple“ von Thao & The Get Down Stay Down ist beim Londoner Plattenlabel Domino erschienen.

Happy End

Thao hat nach wie vor ein gutes Verhältnis zu ihrer Mutter, von der sie wohl die große Musikbegeisterung mitbekommen hat, auch wenn beide Frauen viele Kilometer voneinander trennen, und zur Zeit, wegen der Coronavirus-Krise, keine persönlichen Treffen möglich sind. Thao wohnt in Oakland, nahe San Francisco, während ihre Mutter nach wie vor in Virginia zuhause ist, also im Südosten der USA. Dort betrieb Mrs. Nguyen viele Jahre lang einen Waschsalon.

Die Alleinerzieherin aus Vietnam liebte die amerikanische Motown-Soul-Musik und das Tanzen. Für beides blieb aber nicht wirklich Zeit, Frau Nguyen hatte praktisch rund um die Uhr mit ihrer Wäscherei zu tun. Tochter Thao war viel alleine, beschäftigte sich mit sich selbst, hing Tagträumen nach.

Einer der neuen Songs, „Temple“, der Albumtitelsong, ist aus der Perspektive der Mutter von Thao geschrieben. „I lost my city in the light of day, thick smoke, helicopter blades, heaven on earth I’ve never moved so fast“, heißt es in diesem Stück über den Vietnamkrieg und die Flucht der Mutter.

Das Video zu „Temple“ wurde in Los Angeles gedreht, zusammen mit tanzbegeisterten Frauen und Männern einer dortigen vietnamesischen Community. Tanz und vietnamesische Tempel sind eng miteinander verbunden. Der Tempel auch als Ort des stillen Zusammenkommens, der Zugehörigkeit, aber auch der Grenzen, die viel zu eng werden können, wie etwa für Thao Nguyen, die junge Frau aus dem Waschsalon irgendwo in den USA.

Erste Gitarre

Thao Nguyen wusste schon als Kind, dass sie einmal Songs schreiben möchte. Die Gitarre schien ihr dafür als das praktikabelste Instrument. Mit dem verdienten Geld eines Jobs neben der Schule kaufte sich Thao ihre erste akustische Gitarre, denn ihre Mutter hatte nicht viel Geld und Thao wollte sie nicht belasten, so wie sie immer alles tat, um ihrer Mutter ja keine Schwierigkeiten zu bereiten. Deshalb dauerte das Coming-Out von Thao dann eben auch so lange, denn sie hatte Angst, ihre Mutter würde eine queere Tochter womöglich als Schande empfinden.

Die Frauen in der Familie von Thao Nguyen waren immer stark, ließen keine Schwäche zu, waren streng zu sich selbst, blickten nicht zurück, sahen stets nach vorne. Von da kommt auch Thaos Fokussiertheit. Aber, so sagt sie, ihre Identität als Mensch und als Künstlerin ist erst komplett, seit sie kein Geheimnis mehr daraus macht, dass sie eine queere Frau ist.

„This record is about me finally being specific. If you listen to my music, I want you to know who you are dealing with. Shame has made my work more general, when I’ve always wanted to be specific.“

Aktivistin

Thao Nguyen hat einen Universitätsabschluss in Soziologie und Women´s Studies. Bisher hat sie ehrenamtlich für eine kalifornische Organisation gearbeitet, die Frauen in Gefängnissen unterstützt, etwa Frauen, die schwersten häuslichen Missbrauch erleben mussten und irgendwann zu den Mörderinnen ihrer Peiniger wurden.

Thao wirkt bei dieser Organisation weiterhin mit, indem sie während der Corona-Krise etwa versucht, Frauen aus den Gefängnissen holen zu können, damit diese dort keiner Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind. Oder sie hilft Frauen, die kurz vor der Haftentlassung stehen, in dieser gerade ganz besonders schwierigen Situation.

Es ist ein Glücksfall, dass sich Thao Nguyen dann doch dazu entschlossen hat, wieder eine Platte zu machen, anstatt der Musik komplett den Rücken zu kehren. Das neue Album hat tolle Rhythmen und ist groovelastiger als ihre bisherigen Songs, auch wenn Thao immer schon Groove hatte, selbst wenn sie Folk machte und das Banjo spielte. Heute hört man bei Thao & The Get Down Stay Down verstärkt Spuren von Hip Hop und Pop.

Den perfekten Groove einfangen

„This is the record where we´ve been most successful in capturing the groove that I´ve always wanted to capture. A lot of it has to do with playing guitar and bass almost as percussive Instruments and writing lines that are almost like samples and then looping them together.“

„Phenom“ ist so ein Song samt der Melodie vom „Batman Theme“ und im Vers der Akkordabfolge von „I Am The Walrus“ der Beatles. Das Video zu „Phenom“ konnte Thao wegen der Covid-19-Krise nicht mehr wie geplant realisieren. Also machte sie ein Zoom-Video zu diesem wunderbar hibbeligen Track. Alle Tänzer*innen, die zusammengekommen wären, tanzten nun per Video-Conference miteinander, jede/r für sich alleine, aber eben doch gemeinsam. Zeitgeist-Kunst wie sie nicht gelungener sein könnte.

Das „Temple“-Album von Thao & The Get Down Stay Down wurde von ihr und ihrem Bandpartner Adam Thompson produziert. Thao wollte schon immer selbst produzieren. Aus ihren bisherigen Produktionen von Alternative-Music-Schwergewichten wie Tucker Martine, John Congleton oder Merril Garbus - die Tune-Yards-Musikerin produzierte das letzte Thao-Album - hatte man viel gelernt. Es war nun an der Zeit, selbst Hand anzulegen.

Thao & The Get Down Stay Down wären jetzt gerade auf Nordamerika-Tournee, was aber klarerweise nicht möglich ist. Das Album wollte Thao dennoch nun veröffentlichen und nicht verschieben. Sie spricht gerne über ihre neuen Songs und die generelle positive Wende in ihrem Leben, dennoch ist einer der größten Wünsche, die Thao gegenwärtig hat, einer der nichts mit ihrer Musik zu tun hat:

„In times like these, when people are pushed to their most desperate, the most desperate versions of themselves, I hope that they can still contain kindness and compassion for other people.“

Thao Nguyen. Tolle Frau, tolle Musikerin. Menschen wie sie machen Hoffnung in dieser schwierigen Zeit und überhaupt.

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