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„Zwei Königskinder“: Wenn Liebe weh tut

Der Roman „Zwei Königskinder“ erzählt von der Liebe zwischen zwei Mädchen, religiösem Wahn und dem Aufwachsen in einem kleinen Dorf. Inspiration für das Buch hat die Autorin in einer alten Volksballade gefunden.

Von Sophie Liebhart

Das Volkslied „Zwei Königskinder“ hat die Autorin Sophie Reyer als junges Mädchen zum ersten Mal gehört. Es handelt von zwei Königskindern, die einander lieben, aber nicht zusammen sein können, weil „das Wasser viel zu tief“ ist.

Buchcover "Zwei Königskinder" mit einer Balettanzenden Libelle drauf

Czernin Verlag

Der Roman „Zwei Königskinder“ ist im Czernin Verlag erschienen.

Das Lied hat Sophie Reyer seitdem immer wieder beschäftigt und ist deshalb auch Grundlage für ihren Roman „Zwei Königskinder“ geworden. Eine Schlüsselstelle in dem Buch ist deshalb auch fast autobiografisch:

Ich erinnere mich noch ganz genau: Der grüne Teppich. Meine kleinen Füße. Die großen Hände der Mutter und eine Musikkassette. Alles war sehr klar und einfach damals. „Was ist mit denen?“, habe ich gefragt. „Die ertrinken“, war die rasche Antwort, sie kam ein wenig rau. „Warum?“ „Sie lieben sich“, murmelte meine Mutter. (...) Von da an hörte ich die Kassette mit dem Lied „Zwei Königskinder“ oft. Ich wurde süchtig nach den Klängen, drückte wiederholt auf Play, bis die Kassette eierte. Aber es half nichts. Je älter ich wurde, desto größer wurde die Angst. Als meine Mutter uns verließ, hatte sie ihren Höhepunkt erreicht. Aber zum Glück begegnete mir da Johanna.

Liebe zwischen zwei Mädchen

Käthe, die Ich-Erzählerin in „Zwei Königskinder“, ist dreizehn und wächst in der Provinz auf. Sie fühlt sich einsam und hässlich. Ihre Mutter hat die Familie verlassen, ihr Vater ist wortkarg. Das Erwachsenwerden fällt ihr schwer. Ihr größter Wunsch ist es, geliebt zu werden. Ihre Freundin Johanna verkörpert hingegen all das, was Käthe nicht ist und nicht hat: Sie ist bildhübsch, kommt aus einer wohlhabenden, behüteten Familie, kann bezaubernd singen und tanzen. In dieses Idealbild verliebt sich Käthe.

Dass sie die einzige Liebe war, die ich jemals haben würde, wusste ich.

Und dass diese Liebe nichts mit Männern zu tun haben werde. Man hatte es mit vorgelogen, dass es Mädchen glücklich machte, Jungs zu lieben, Frauen glücklich machte, Männer zu lieben. Man hatte mich für einen Narren gehalten, mich manipulieren wollen. Mir einreden wollen, dass dann alles gut sei. Wenn erst einmal der Richtige käme. Es würde keinen richtigen geben. Ich selbst war nicht richtig. Ich liebte Frauen. Das wusste ich jetzt.

Erste große Liebe

Die Autorin Sophie Reyer mit ihrer Erzählung von dieser jungen, kompromisslosen Liebe bei ihren Leser*innen Erinnerungen an die eigene erste große Liebe wecken: „Dieses jung und absolut sein. Dann gibt’s nur das und dann wird alles getan, um das Herz dieses Menschen zu gewinnen. Und das ist ausweglos und es ist tragisch. Weil es halt so zerbrechlich ist, wenn man so jung ist. Weil das Leben eine ganz andere Erbittlichkeit hat als im Alter, wo man dann schon abgeklärt ist.“

Das Lied über die zwei Königskinder hat Sophie Reyer wie gesagt zu ihrem Roman inspiriert. Wie im Lied gibt es auch bei Käthe und Johanna kein Happy End. Käthe will Johanna für sich alleine haben. Johanna entwickelt aber einen religiösen Wahn und entfernt sich mehr und mehr von ihrer Freundin.

Dass es kein Happy End gibt, entspricht Sophie Reyers Vorstellung davon, was Kunst und Literatur unter anderem tun sollten: sich mit Schmerz auseinandersetzen. Und das tut sie mit einer sehr direkten, unmittelbaren Sprache, die Beschönigungen und Floskeln außen vor lässt. An manchen Stellen kann man sich so gut in Käthe hineinversetzen, dass man ihren Schmerz spürt, als würde er einem selbst widerfahren. Man will es bis zum Schluss nicht wahrhaben, aber:

„Es waren einmal zwei Mädchen, die liebten einander. Und das Wasser zwischen ihnen war viel zu tief.“

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