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Mugtaba Hamoudah

Gersin Livia Paya/FM4

„Das Schlimme an solchen Videos ist, dass man sich darin wiedererkennt“

Mugtaba Hamoudah ist 19 Jahre alt und einer der Organisator*innen der #BlackLivesMatter-Demo in Wien. Er will aktiv etwas gegen Rassimus tun und der erste große Schritt für ihn ist es, auf die Straße zu gehen.

Von Gersin Livia Paya

Es ist das erste Face-To-Face-Interview für mich seit Monaten: Wir treffen uns auf der Straße in Wien, in jenem Raum, in dem Mugtaba Hamoudah für Donnerstag eine #BlackLivesMatter-Demo organisiert. Der 19-jährige Student holte sich dafür die Hilfe von der österreichischen Ärztin und Politikerin Mireille Ngosso.

Die aktuellen Proteste in den USA nach dem Tod von George Floyd in einem brutalen Polizeieinsatz führten zu weltweiten Solidaritätsbekundungen. Am Donnerstag wird nun auch in Wien eine Anti-Rassismus-Demo stattfinden. Ich habe mich für die Gedanken von Mugtaba Hamoudah zu den USA und den Parallelen zu Österreich interessiert und ihm einige Fragen gestellt.

FM4: Du bist Österreicher, du bist Wiener, es ist anzunehmen, dass du schon rassistische Erfahrungen machen musstest. Wie war es für dich, den Tod von George Floyd in den USA mitzubekommen?

Mugtaba Hamoudah: Ich glaube, wie für viele schwarze Menschen oder allgemein People of Color war es einfach die Spitze des Eisbergs. Sowohl in den USA als auch in Österreich gibt es sehr viel Rassismus und sehr viel Alltagsrassismus, mit dem schwarze Menschen sowieso zu kämpfen haben. Das war ein Ereignis, das uns die rassistischen Strukturen nochmal vor Augen geführt hat.

FM4: Als du das gesehen hast, wie war deine erste Reaktion und wie haben du und dein Umfeld darauf reagiert?

Mugtaba Hamoudah: Äußerst kritisch. Am Anfang natürlich geschockt, aber das Schlimme an solchen Videos ist, dass man sich darin wiedererkennt. Weil wir alle Erfahrungen machen mit Polizeigewalt, mit Alltagsrassismen. Also man sieht sich und seine Familien in dieser Situation. Deshalb ist es ziemlich schwer, damit umzugehen, aber ich glaube, es ist wichtig, sich nicht nur darüber aufzuregen - vor allem im Internet -, sondern aktiv etwas dagegen zu tun. Und da ist der erste große Schritt, auf die Straße zu gehen.

FM4: Wann hast du beschlossen, die Demo auf die Beine zu stellen?

Mugtaba Hamoudah: Ich bin 19 Jahre alt und seitdem ich bewusster wahrnehmen kann, was in der eigenen Umgebung passiert, bin ich ständig mit Rassismus konfrontiert. Man regt sich ständig darüber auf, man schreibt Postings auf Facebook und Instagram und man hat jetzt das erste Mal wieder gemerkt, dass die österreichische Gesellschaft und Menschen weltweit bereit sind, sich das Thema nochmal anzuschauen und aktiver hinzuhören.

Wir sind in einer Zeit angekommen, in der sich so viel angehäuft hat über mehrere Generationen

Es liegen sehr viel Wut und Trauer und auch Potenzial in der Gesellschaft, das man sehr gut aufgreifen kann, um das Thema alltagspolitischer zu machen. Daher war es sehr praktisch, eine Demo zu organisieren. Wir dachten anfangs, dass maximal 100 Menschen auftauchen würden, da Rassismus für viele Menschen nicht alltagsrelevant ist. Aber da wir vernetzt sind, vieles im Internet veröffentlicht wird, findet aktives Wahrnehmen verstärkt statt. Und die Menschen wollen zum Ausdruck bringen, dass es ihnen nicht gut geht und dass es nicht tragbar ist. Aus diesem Unmut heraus haben sich nun sehr viele Menschen dazu bereit erklärt, auf die Straße zu gehen, um Gehör zu finden und ihre Anliegen anzubringen und aktiv daran teilzuhaben.

Mugdabah Hamoudah in wien

Gersin-Livia Paya/FM4

Mugtaba Hamoudah ist am Dienstag, 2. Juni, zu Gast in FM4 Auf Laut, zu hören von 21 bis 22 Uhr live auf Radio FM4 und für 7 Tage im FM4 Player.

Die Kundgebung #BlackLivesMatter findet am Donnerstag, 4. Juni, von 17 bis 20 Uhr am Wiener Platz der Menschenrechte statt.

FM4: Welche Menschen und welche Solidarität erwartest du dir bei der Kundgebung?

Mugtaba Hamoudah: Ich erwarte mir, dass viele Menschen kommen, die selbst schwarz sind und aktiv Alltagsrassismen erleben, wie zum Beispiel auf der Straße beschimpft zu werden, in ein Meeting zu kommen und es wird angenommen, man sei die Reinigungskraft oder wenn die eigenen Haare angefasst werden. Oder wenn ich an mich denke, ich kam während meines Zivildienstes mit der Rettung in eine Wohnung, in der eine Person verletzt auf dem Boden lag, mich anschaute und sagte: „Nein, von einer schwarzen Person lass ich mich nicht anfassen.“ Deshalb trägt man schon Unmut in sich, den man kundtun möchte. Ich erwarte, dass auch viele Menschen kommen werden, die sich aktiv solidarisch zeigen wollen, um für das Thema einzustehen und um für Menschen und deren Werte in der Gesellschaft zu kämpfen.

FM4: Die Proteste passieren in einer Zeit, in der auch Massenarbeitslosigkeit und Armut herrschen, es ist auch ein Kampf gegen die finanzielle Elite. Hast du dir darüber Gedanken gemacht, wohin die Gesellschaft in Amerika sich bewegt?

Mugtaba Hamoudah: Ich glaube, dass viele schwarze Menschen sich mit diesen Problemen konfrontiert sehen, vor allem in den USA. Man sieht überall Schmerz, in den Geschichtsbüchern und auf der Straße sieht und fühlt man überall Schmerz. Und jetzt sind wir in einer Zeit angekommen, in der sich so viel angehäuft hat über mehrere Generationen. Ich glaube, jetzt ist ein Ventil gegeben, vor allem die Situation mit Covid-19 hat Gehör verschafft. Und es fragen nun einige Menschen, warum das nicht friedlich geht. Die Frage ist, wie man damit umgehen soll. Martin Luther King hat sehr friedlich protestiert und wurde am Ende umgebracht. Man sieht sich ein bisschen in einer Zwangsposition. Das Ziel ist es aber nicht, Probleme zu produzieren, sondern Probleme aufzugreifen und eine Lösung zu fordern. Und ich hoffe, dass das gut funktionieren wird, damit die Unruhen ein Ende finden und es den Menschen auch besser geht in ihrem Alltag.

FM4: Welche Parallelen siehst du zwischen den USA und Österreich?

Mugtaba Hamoudah: Das Thema ist in Österreich weniger präsent, weil hier weniger schwarze Menschen leben. Aber dennoch sind viele Probleme sehr ähnlich. Und Geschichte wiederholt sich selten, aber sie reimt sich sehr oft. Zum Beispiel gab es in Österreich viele Fälle von Polizeigewalt wie die gegen Marcus Omofuma oder Edwin Ndupu. Es ist wichtig hervorzuheben, dass die Polizei keine neutrale Bubble ist, die parallel zu unserer Gesellschaft existiert, sondern dass Polizisten und Polizistinnen Menschen aus unserer Gesellschaft sind und daher in ihrem Dienstalltag auch gewisse Rassismen und Vorurteile reproduzieren, und dass das ein Problem ist, das geändert gehört.

FM4: Welche Forderungen hast du konkret, wenn du sagst, das gehört geändert?

Mugtaba Hamoudah: Es braucht ein neues Bewusstsein in der Gesellschaft. Wir tendieren dazu zu behaupten, dass wir keine Farben sehen, dass wir alle gleich sind, aber es ist wichtig anzuerkennen, dass wir verschieden sind und das im Alltag erleben und das sehr viele Strukturen mit sich bringt. Es ist wichtig, die eigenen Rassismen, die man reproduziert, zu hinterfragen und aktiv für schwarze Menschen einzustehen. Es gilt, aktiv Rassismen abzubauen.

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FM4 Auf Laut am Dienstag, 2. Juni

Rassismus tötet. Was macht Antirassismus?

„I can’t breathe“, sagte George Floyd elf Mal, bevor er – von Polizisten zu Boden gedrückt - am 25. Mai 2020 in Minnesota an den Folgen der rassistischer Polizeigewalt stirbt. „I can’t breathe!“ ist der Tenor der empörten Proteste in den USA und weltweit. Fünf Jahre nach der breiten Mobilisierung gegen rassistische Polizeigewalt unter dem Hashtag #blacklivesmatter treten die aktuellen Proteste in einer Zeit von Massenarbeitslosigkeit und großer Unsicherheit auf. Welches Emanzipationspotenzial haben die antirassistischen Proteste? Wohin bewegt sich die amerikanische Gesellschaft? Und was bedeuten die Ereignisse für politischen Antirassismus hierzulande?

FM4 Auf Laut am 2. Juni 2020, von 21 bis 22 Uhr auf Radio FM4 und für 7 Tage im FM4 Player

Im FM4 Studio bei Lukas Tagwerker sind Mugtaba Hamoudah, Organisator der BlackLivesMatter-Kundgebung in Wien am Donnerstag, Adia Trischler und Larry Marshall (Minneapolis).

Mitdiskutieren kannst du unter 0800 226 996.

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