Das Spaghettimonster im Tiefflug
Von Maria Motter
Die einen tragen Modelle aus Plastik, in Vintage-Rosa und Grün, und sitzen in den Reihen der Zuhörenden im Gerichtssaal. Mathé sitzt neben seinem Anwalt, trägt ein Sakko über dem Hemd und ein Exemplar aus rostfreiem Edelstahl: Das Nudelsieb sei ihre religiöse Kopfbedeckung, argumentieren Pastafari wie der Maschinenbauer Mathé, und darum soll es ihnen erlaubt sein, Nudelsiebe auch auf Fotos für offizielle Dokumente zu tragen. In den Niederlanden fordern Menschen wie Mathé und die Jus-Studentin Mienke den Staat heraus. Sie wollen klären, wie es ihre Demokratien mit der Religion halten.
Die Gretchenfrage aus Goethes „Faust I“ ist für Pastafari zentral, wenn es um aufgeklärte Demokratien geht. Der US-Amerikaner Mike Arthur verfolgt ihre Bestrebungen seit einem Jahrzehnt. Jetzt ist seine einstündige Dokumentation „I, Pastafari“ on demand anzuschauen.

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Maschinenbauer Mathé zog in den Niederlanden vor Gericht, um zu klären, dass Pastafarismus ein so rationales Glaubenssystem sei wie jede andere Religion.
Darin hört man, dass die „Kirche des fliegenden Spaghettimonsters“ weltweit zehn Millionen Anhänger*innen hätte und man erfährt, dass das Spaghettimonster erstmals im Jahr 2005 in einem Brief des damals 25-jährigen Physikstudenten Bobby Henderson an eine Schulbehörde aufgetaucht ist. Henderson wollte es nicht glauben, dass die Behörde im US-Bundesstaat Kansas ernsthaft in Erwägung zog, neben der Evolutionstheorie noch christlich-fundamentalistische Erklärungen für die Entstehung der Welt als Lehrstoff zuzulassen.
Wenn „Intelligent Design“ aka Kreationismus im Biologieunterricht vermittelt würde, so solle auch das fliegende Spaghettimonster in den Klassenzimmern Einzug halten. Das Time Magazine titelte 2005 „Evolution Wars“, die New York Times widmete sich Henderson und der Spaghetti-Monster-Kreation, die es inzwischen in die Encyclopædia Britannica geschafft hat.

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Bobby Henderson, der Autor von „The Gospel of the Flying Spaghetti Monster“, spielt in „I, Pastafari“ nur indirekt eine Rolle.
Eine Stunde Rollenspiele
Satire als wirksames Mittel, um etwas Grundlegendes zu vermitteln, ist eine Herangehensweise, die auch der Filmemacher Mike Arthur schätzt. In diesem Sinne sei er auch Pastafari, schreibt er als Antwort auf die Frage danach. Immerhin ist er kurz selbst am Ende des Films mit einem Sieb am Kopf auf einem Führerschein zu sehen. Mike Arthur bezeichnet sich als Humanist. Er glaubt daran, dass Menschen menschliche Probleme ohne die Hilfe einer übernatürlichen Gottheit lösen können.
„I, Pastafari“ bleibt ganz in der Rolle. Der Film ist visuell liebevoll gestaltet, mit vielen, kleinen Ideen. „Hell is a village in Norway“ steht auf einer Postkarte, gekochte Spaghetti werden ausgeschüttet und Archivmaterial in Illustrationen von Fernsehern präsentiert. Aber die Erzählung bleibt an der Oberfläche haften. Man trifft jeweils kurz selbst erklärte Pastafari, die niederländischen Studierenden, den österreichischen Unternehmer Niko Alm und den Deutschen Rüdiger Weida aka Bruder Spagetthus, der an seinem Wohnort eine Straßentafel mit dem Hinweis auf die „Nudelmesse“-Termine aufgestellt hat. Wenig später hat sie die Gemeinde abmontiert.

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Meinungsfreiheit vs. Religionsfreiheit
Was dazu führt, dass eine Religion staatliche Anerkennung findet, wird in der Doku zu beleuchten versucht. Weit kommt man bezüglich dieses zentralen Aspekts allerdings nicht. „Richter sind keine Theologen, also müssen sie andere Kriterien finden, um zu entscheiden, ob etwas eine Religion, eine Weltanschauung oder vielleicht nur ein großer Quatsch ist“, stellt der Jurist Roel Schutgens in „I, Pastafari“ fest.
Ein kurzer historischer Rückblick verweist auf den Lehrer John Thomas Scopes (1900 - 1970), dem 1925 in Dayton, Tennessee der Prozess gemacht worden war, weil er Darwins Evolutionstheorie in seinem Unterricht thematisiert hatte. Der Aufsehen erregende Prozess endete mit 100 Dollar Strafgeld für Scopes, Grundlage dafür war der sogenannte Butler Act im US-Bundesstaat Tennessee (der besagte, dass zur Erklärung der Entstehung des Menschen allein das Wort der Bibel zu unterrichten sei; 1967 wurde dieses Gesetz gestrichen).
„In einer Zeit von Flat Earthers, Impfgegner*innen, Fake News und ‚alternativen Fakten‘ sind es vielleicht die Pastafari, die Retter*innen, auf die die Welt gewartet hat“, bewirbt Mike Arthur seinen Film. „I, Pastafari“ bietet jenen Unterhaltung, die Satire mögen. Jedoch kaum Neues vom fliegenden Spaghettimonster, aber das Geschöpf ist ja historisch betrachtet noch jung.
Publiziert am 05.06.2020