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Jay-Z und Beyonce

The Carters

Ein „Black Lives Matter“ Mixtape

Es gibt viel zu viele Songs über Polizeigewalt, hier eine kleine Auswahl aus aktuellem Anlass.

Von Stefan „Trishes“ Trischler

Es ist kein neues Phänomen, dass die Polizei Menschen dunkler Hautfarbe schikaniert, foltert und ermordet. Deshalb gibt es schon seit Jahrzehnten Musik, die sich mit dieser rassistischen Unterdrückung auseinander setzt. Einige besonders wichtige und ganz aktuelle Songs zum Thema Polizeibrutalität und Rassismus sind hier versammelt.

Denzel Curry - „Pig Feet“

Einer der ersten HipHop-Musiker, der sich etwa zu den aktuellen Entwicklungen nach dem Mord an George Floyd geäußert hat, ist der, in Los Angeles lebende, Rapper Denzel Curry. Abgesehen von den persönlichen Erfahrungen mit Polizeischikanen, die fast jeder Afroamerikaner und jede Afroamerikanerin gemacht haben, geht das Thema bei Denzel noch tiefer: Sein älterer Bruder Treon starb 2014 in Polizeigewalt an den Folgen von exzessivem Taser- und Tränengas-Einsatz.

Für den aktuellen Song „Pig Feet“ hat sich Denzel Curry mit seinem Kollegen Daylyt, dem Produzenten Terrace Martin und dem Saxophonisten Kamasi Washington zusammengetan - gemeinsam haben sie eine extrem dringliche Wall Of Sound aufgebaut, die an Public Enemy’s beste Zeiten erinnert. Das Video ist aus Aufnahmen der letzten Tage zusammengeschnitten, zum Abschluss ist die leider sehr lange Liste der Todesopfer von Polizeibrutalität zu lesen.

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YG - „FTP“

Ausschreitung gegen die systematische Polizeigewalt gegenüber Afroamerikanern und Afroamerikanerinnen hat es in der Geschichte schon viele gegeben, besonders häufig und heftig in Los Angeles: An die LA Riots von 1992 kann man sich eventuell noch erinnern, aber schon im August 1965 gab es die Watts Riots im gleichnamigen Stadtteil als Reaktion auf das notorisch rassistische LAPD.

In der Musik von kalifornischen HipHop-Gruppen waren deren Übergriffe ein ständiges Thema, einer der berühmtesten Songs ist vermutlich Fuck Tha Police von NWA, der Gruppe um Ice Cube, Dr. Dre und Eazy E. An dem Klassiker hat sich auch YG orientiert, einer der wichtigsten Repräsentanten des aktuellen Rap-Geschehens in LA. „FTP“ heißt sein brandneuer Song, und das ist klarerweise die Abkürzung für dieselben drei Wörter, die wir in diesen 2 Minuten und 28 Sekunden recht oft hören:

Kendrick Lamar - "Alright“

Black Lives Matter begann als Hashtag auf Twitter, nachdem 2013 George Zimmermann freigesprochen wurde. Er hatte in Florida den unbewaffneten afroamerikanischen Teenager Trayvon Martin erschossen, weil er ihn wegen seines Hoodie Pullovers für bedrohlich hielt. 2014 wurden unter anderem Michael Brown, Eric Garner und der nur 12-jährige Tamir Rice von Polizisten ermordet, das löste neue Proteste aus, wo sich „Black Lives Matter“ zum zentralen Slogan entwickelt hat.

Leider blieb der Hashtag und die Bewegung aktuell, weil weiterhin Menschen von Polizistenhand sterben. Einer der Songs, der auf den Demos immer öfter zu hören war, ist „Alright“ von Kendrick Lamar. Darin erzählt der Rapper aus Compton von allen Traumata und Schwierigkeiten im Leben, endet aber mit einem optimistischen „We Gon Be Alright“!

Beyoncé - „Freedom“

Beyoncé ist in den letzten Jahren in ihrer Kunst politischer geworden. Im Video zum Song „Freedom“ von ihrem bahnbrechenden audiovisuellen Album „Lemonade“ zollt Beyoncé dann auch Trayvon Martin, Michael Brown und Eric Garner Tribut Respekt, indem ihre Mütter Fotos ihrer umgebrachten Söhne in die Kamera halten. In seinem Gastvers spricht Kendrick Lamar die Verfolgung durch die Polizei auch direkt an, während Beyoncé in ihren Strophen in Naturgewalt-Metaphern die Unaufhaltsamkeit von Freiheit und Gerechtigkeit beschwört. Das Ganze übrigens über ein obskures mexikanisches Psychedelic Rock-Sample, das Beyoncé selbst ausgegraben und an Producer Just Blaze geschickt hat.

Jay-Z - „99 Problems“

Auch ihr Beyoncés Ehemann Jay-Z hat sich in den letzten Jahren vom reinen Rapper/Geschäftsmann immer mehr zum Aktivisten entwickelt. So half er etwa seinem Kollegen Meek Mill beim Kampf gegen die unfairen Instanzen des US-Justizsystems und setzt sich auch stark für die Gefängnisreform ein. Kritik hagelte es aber, als er anfing, die American Football Liga NFL zu beraten, die den afroamerikanischen Quarterback Colin Kaepernick nach dessen Black Lives Matter-Protesten am Spielfeld noch immer boykottiert. Erfahrungen mit Polizeigewalt hat Jay-Z aber offensichtlich auch schon einige gemacht. Im zweiten Vers seines Hits „99 Problems“ aus 2003 stellt er nämlich einen Dialog mit einem Polizisten bei einer Verkehrskontrolle nach, der sehr schnell eskaliert:

KRS One - „Sound Of Da Police“

Schon zehn Jahre davor hat der New Yorker Rapper KRS One die Polizeisirene als immer erschreckendes Warnsignal für die afroamerikanische Community verewigt. Im Song "Sound Of Da Police“ zieht er auf der einen Seite akustische Parallelen zwischen dem Polizei-„Officer“ und dem „Overseer“, also dem Aufseher auf den Plantagen in der unmenschlichen Zeit der Sklaverei. Andererseits zählt er auch eine lange Liste an Vorfahren auf, die auch schon Probleme mit der Staatsgewalt hatten – und schließt mit der Frage „When is it gonna stop?“

Dave - „Black“

Obwohl der Fokus momentan auf den USA liegt, gibt es Polizeigewalt natürlich auch in Europa. Man erinnere sich etwa an durch die österreichischen Staatsgewalt umgebrachte afrikanische Männer wie Marcus Omofuma oder Seibane Wague! In England existiert Rassismus natürlich ebenfalls, was ja nicht zuletzt die Brexit-Abstimmung und die letzten Wahlen entschieden hat. In den großen afrikanischen und karibischen Communities in England wird das auch musikalisch immer wieder thematisiert.

So beschimpfte Stormzy im großen Hit Vossi Bop Boris Johnson und seine Regierung, und Rapper Dave ging noch mehr ins Detail. Als er bei den Brits Awards seinen Song „Black“ live gespielt hat, hängte er eine vierte Strophe an, in der er unter anderem sagt: „The truth is our Prime Minister is a real racist.“ Davor geht es in dem Stück um verschiedene Facetten von Blackness, die leider in Gesellschaften wie England oder auch Österreich sehr eindimensional wahrgenommen wird.

Nina Simone - „Mississippi Goddam“

Nach dem Ende der Sklaverei, die in den US-Südstaaten ja mit dem Bürgerkrieg erzwungen wurde, wehrten sich die Gegenden, die von der Sklavenarbeit besonders profitiert hatten, mit allen Mitteln gegen ihre jetzt freien, dunkelhäutigen Mitbürger. Sie wurden von Wahlen ausgeschlossen, in wirtschaftlichen Abhängigkeiten gehalten und wegen Kleinigkeiten lange inhaftiert, wo sie dann erst recht wieder Zwangsarbeit leisten mussten.

Mit dem Aufschwung der Bürgerrechtsbewegung verschäfte sich die Reaktion darauf ebenfalls. Der Ku Klux Klan breitete sich über weite Teile der USA aus, unterwanderte Polizeieinheiten und verbreitete ungehindert Terror gegen Afroamerikaner. Beeinflusst vom Mordes an Bürgerrechtsaktivisten Medgar Evers und dem Bombenanschlag auf eine afroamerikanische Kirche, bei dem vier Mädchen getötet wurden, schrieb die große Sängerin, Komponistin und Pianistin Nina Simone 1964 den Song „Mississippi Goddam“, der bis heute ein emotionales Dokument ihrer Wut und gefühlten Ohnmacht gegenüber rassistischen Terror ist.

Bonus Beats:

Sam Cooke - A Change Is Gonna Come

Run The Jewels - Walking On Snow

Geto Boys - City Under Siege

Fugees ft. A Tribe Called Quest & Busta Rhymes - Rumble In The Jungle

Ice Cube - We Had To Tear This Motherfucker Up

J Dilla - Fuck The Police

The Temptations - Ball Of Confusion

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