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Mile Me Deaf

Beate Ponsold

Wer Mile Me Deaf sagt, muss Wolfang Möstl sagen

Wolfgang Möstl ist als Mile Me Deaf einer der innovativsten und produktivsten musikalischen Gestalter der österreichischen Underground-Szene. Mit „ECCO“ veröffentlicht er dieser Tage sein neues Album.

Von Lisa Schneider

„Es passierte viel Schlimmes, aus dem noch Schrecklicheres entstand, und dann kam die Zukunft und ging“, schreibt Patti Smith in ihrem gerade ins Deutsche übersetzten, neuen Buch „Im Jahr des Affen“, „und wir sind hier und sehen immer noch denselben menschlichen Film, und eine lange Kette von Verlusten, die sich in Echtzeit auf gewaltigen Bildschirmen abspielt.“ Patti Smith ist Rockstar und große Poetin, vor allem aber ist sie jemand, der gelebt hat. Sie weiß, dass am Satz „history repeats itself“ durchaus etwas dran ist.

Wolfgang Möstl ist noch keine 70 Jahre alt, auch wenn sein dichtes musikalisches Ouevre durchaus darauf schließen lassen könnte. Er hat Bands gegründet, und Projekte wieder auf Eis gelegt, er hat einige der besten österreichischen Platten produziert. Er ist von der Stadt zurück aufs Land gezogen und er ist Vater geworden. Dass in all diesen Prozessen, im Leben wie im Musikmachen, die Wiederholung ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt ist, erfährt im neuen Mile Me Deaf-Album „ECCO“ seinen musikalischen Ausdruck.

Wer Mile Me Deaf sagt...

... muss Wolfang Möstl sagen. Der prägt seit Jahren das, was am Wiener Untergrund gut ist: Es hat natürlich an der Gitarre begonnen. Wolfgang Möstl zieht seit jeher durch dunkle, angestaubte Ecken und wischt sie neugierig auf, macht Stoner Rock zu einer existenziellen Erfahrung (Melt Downer), bereitet Vaporwave für die vielleicht mal große Masse vor (Voyage Futur), und er schreibt herrlich gute Popsongs (Mile Me Deaf), die der Arbeitsthese seines Haus-Labels Siluh Records zu Grunde liegen: Kratzig und launig, aber bitterschön melodiös.

Das Graben und Kratzen dort, wo andere Menschen gelangweilt aufgeben, hat auch gerade erst das neueste Möstl-Projekt hervorgebracht: gemeinsam mit Werner Thenmayer hat er Æther Kombo gegründet, ein weiteres Outlet für weird-gutes Zeug. Weil es in unseren Gefilden gerade niemanden, zumindest keine Band gibt, die trippig-wavig 80er-Jahre-New-Age-Kassetten zu neuen, atmosphärischen Klangtrips zusammenschraubt, hat Wolfgang Möstl das übernommen.

Immer schon ein bisschen Weltuntergang

„We’re living in a shrinking hell“ hat Wolfgang Möstl schon am vielleicht besten Mile Me Deaf-Album „Eerie Bits Of Future Trips“ (VÖ 2015) gesungen. Es mag an der weichen Stimme, am krautigen und gleichzeitig schunkeligen Unterbau dieses Noisepop-Albums liegen, dass der Untergang der Menschheit nicht ganz so arg geklungen hat. Die Reise ging weiter: „What happens to the human age, when everyone’s bored of it?“ lautet die Eröffnungszeile des vorletzten Mile Me Deaf-Albums, „Alien Age“. Ein post-psychedelischer, zuckerbunter Popausflug in die Dystopie, weil: Wie Songs über einen Planeten schreiben, den wir eh schon längst ruiniert haben?

Musikalisch war „Alien Age“ ein Zauberberg aus Samplings, kein klassischer Bandentwurf, sofern die Musik von Mile Me Deaf das je überhaupt war. „ECCO“ ist eine eher ungeplante, aber nicht weniger passende Fortsetzung und Weiterentwicklung im Bandkontext. Und es ist, wie nicht anders zu erwarten, musikalisch und inhaltlich zukunftsweisend: „Post-human pop about birth and death“, wie es der Pressetext so klingend ausdrückt.

Synthesizermelodien statt Samples, das hier ist alles originär, oder jedenfalls noch originärer, als es vorher war. Futuristische Basslines ersetzen das Schlagwerk fast immer, und überhaupt ist das alles sehr weich, unkantig und sogartig gestaltet. Vor fünf Jahren hätte man über ein solches Mile Me Deaf-Werk gestaunt, aber nur kurz. Diese trippy Elemente waren, wenn man genau hinhörte, schon früh im Bandkatalog angelegt. Und das vor allem auch in den kryptischen Textzeilen, die Wolfgang Möstl gern über die Riffs geworfen hat: Einfach genug zum Mitsingen, schwierig genug, sich „Hä?“ zu fragen.

Mile Me Deaf Albumcover "ecco"

Siluh Records

Das neue Album von Mile Me Deaf heißt „ECCO“ und erscheint via Siluh Records.

Auskotzen light

Das ändert sich auf „ECCO“, einem Album, das sich ganz subtil und ohne große Schlussfolgerung dem Leben, dem Tod und der Frage widmet, wie oft man seine eigenen Fehler wiederholen muss.

„I tracked down my own trace / it’s bound to the rocks in space“ singt Wolfgang Möstl am „ECCO“-Opener „Stop And Rewind“. Ein Lied über die Angst oder zumindest über das Nachdenken darüber, sich zu wiederholen, „zurückzuspulen und das Ganze wieder von vorn durchzumachen“. Gute Musik ist, wenn Inhalt und Form ineinandergreifen. Und so kann Wolfgang Möstl durchaus reflektiert unser aller Lethargie und Wiederholungsdrang aufarbeiten, ihn aber gleichzeitig auf eine Metaebene heben: „It’s a loop“ tönts, immer wieder, hintereinander, auf geloopten Instrumentals. Form und Inhalt werden auf „ecco“ auch auf etwa 35-minütiger Länge eins: Es ist ein Album wie ein Fluss, die Texte dazu sind ein mal mehr, mal weniger verständlicher Stream Of Consciousness.

Phrasen wie „No place like home“ („Weirdness“) oder ganz schlichte Aufforderungen wie "Moving on, moving on, that’s the plan („The Plan“) gehören zu den einfachsten, die Wolfgang Möstl geschrieben hat. Im FM4-Interview erzählt er, dass die Texte mehr als früher gehört und verstanden werden wollen. Dass ihm die Interaktion mit dem Publikum einst bis zu einem gewissen Grad egal war: Man war eine Rockband und hat sein Set gespielt, sich ausgekotzt, ist weitergezogen. Das Offene, Emotionale, das mit den Menschen nach dem Gig Biertrinken und das Leben Besprechen - das hat sich erst seit seinen Solo-Gigs ergeben.

Es ist keine Krise, es ist einfach das Leben, das Wolfgang Möstl zu Musik macht. Repetitive Elemente sind in beiden Bereichen Grund für Beruhigung und Wohlbefinden. Ein Glück ist’s, wenn sich vor allem gute Dinge wiederholen, und das ist allerspätestens am letzten, besten Stück der Platte klar. „Phase“ ist ein siebenminütiges, kleines Epos, ganz in Möstl-Manier: gemessen an der Ergriffenheit, die der Refrain fordert, müsste man es post-pathetisch nennen.

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