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Andrea Savall

„Wir wurden verflucht“ - Hinds über ihr neues Album

Zwischen Jetlag, Fernbeziehungen, Sexismus im Musikbusiness und Welttourneen vermissen die Musikerinnen von Hinds ihr Zuhause in Madrid – und das hört man auch auf „The Prettiest Curse“.

Von Michaela Pichler

„This is a very tough life, you don’t live at the rhythm of the rest of the world. Everything is so hectic and fast and you are never home, you miss your people. And that’s why we call it a curse. But at the same time, there is no other job like this one! We love it with all of our hearts, like, alright, somebody put a spell on us, but it’s alright, because it’s the best spell we could receive!”, strahlt Hinds-Sängerin und Gitarristin Carlotta Cosials im Videochat-Interview.

Gemeinsam mit Ana Perrote, Ade Martin und Amber Grimbergen hat vor neun Jahren für Hinds alles begonnen. 2016 erschien ihr Albumdebüt „Leave Me Alone“, perfekt eingespielt von ihrer ersten Welttournee. Die zahlreichen Konzerte nehmen auch in den folgenden Jahren nicht ab, bei Festivals wie dem SXSW spielen sie 16 Konzerte in nur vier Tagen. Zuletzt waren Hinds noch gemeinsam mit The Strokes unterwegs, kurz bevor die Corona-Pandemie das internationale Konzertbusiness zum Stillstand gebracht hat.

Hinds Cover

Andrea Savall

Das dritte Album von Hinds „The Prettiest Curse“ ist am 5. Juni 2020 via Lucky Numbers erschienen.

Vertontes Heimweh und das Suchen und Finden der Muttersprache

Mittlerweile sind Hinds wieder in ihrer Heimatstadt Madrid, wo sie im Lockdown nicht nur Interviews gegeben haben, sondern auch Tutorials auf Instagram veröffentlicht haben - zum Nachspielen ihrer neuen Songs auf „The Prettiest Curse“. Darauf verarbeiten sie ein Gefühl, das vor allem bei ihren jahrelangen Tourneen - von LA nach Tokyo und wieder zurück - immer wieder aufkommt und sie nicht loslässt: Hinds sind von Heimweh geplagt. Und nutzen dieses Gefühl als treibende Kraft für ihr drittes Album, das weit entfernt von Madrid entsteht. Thematisch finden sich diese verfluchten Schattenseiten des Musikerinnen-Lebens auch auf der ersten Single „Riding Solo“: „I spent my whole day working / I did a pretty good job / But if I get sentimental / It’s ’cause I fucking miss home“

Im Musikvideo wird die Einsamkeit in einer kargen Landschaft eingefangen. Die Musikerinnen ziehen sich gegenseitig durch die Wüste, cruisen in der Nacht mit einem alten Sportwagen durch die Prärie und lassen alles sehr nach Editorial Shooting á la Vogue aussehen. Dazu fransige Rock-Gitarren und die ersten spanischen Verse im Hinds-Repertoire. Denn das Heimweh ist es schließlich, dass die spanische Band erstmals in ihrer Muttersprache singen lässt, wie Carlotta Cosials im Interview erklärt: „So probably because of being in Los Angeles or being in London or being in wherever, it was like: „Pfff, I just wanna speak Spanish with my friends!“ When you’re in Spain you don’t realize, how this is your life. But then you’re away and suddenly you start to miss it, you miss the tortillas de patatas and you miss all your culture and your roots. And in the end, they pop up!”

Die spanischen Momente befinden sich aber nicht nur in den Texten, sondern auch im Sound. Wie in „Come Back and Love Me“ zum Beispiel, wo die Gitarre plötzlich flamenco-esk nach lauen Sommerabenden an der andalusischen Küste klingt. Sehnsucht reiht sich ein in die Gefühlswelt von „The Prettiest Curse“, die auch auf weiteren Songs am Album wiederkehrt. „Suddenly you are falling in love and what the hell are you gonna do!? You are not in the same place and this sucks.“

„Now we’re gonna do whatever the fuck we want“

Wenn Hinds nicht gerade Heartbreak-Songs schreiben, rechnen sie auf „The Prettiest Curse“ außerdem mit Sexismus in der Musikindustrie ab: Denn als All-Female-Band haben Hinds die letzten Jahre etliche sexistische Kommentare und Pseudo-Ratschläge erhalten. Von fremden Dudes nach den Konzerten, aber auch von Personen im Business. Wie man die Gitarre richtig stimmt zum Beispiel oder was die Musikerinnen auf der Bühne anziehen sollen.

„To be fair, I don’t know you but a friend of mine does / He said you were successful ’cause your legs are nice.“

Dem entgegnen Hinds in „Just Like Kids (Miau)“ mit einer fetten Portion Sarkasmus und jeder Menge Punk-Rock-Attitude, wie Carlotta Cosials im Interview erzählt: "Now we are feeling more free. Because rock and punk are the voice of freedom, of doing, what you wanna do and speaking out loudly! And once we classified ourself as a rock’n’roll band, we were just like: „Okay, now we’re gonna do whatever the fuck we want!"“

Hinds lassen sich nicht glattbügeln

Für die neuen Songs haben sich Hinds mehr Zeit im Studio in New York gelassen und ihren garagigen Gitarren-Sound ein bisschen nachpoliert. „I mean we really wanted something easier to listen to. Like, more polished and yeah, just easier to the listener!” In Songs wie „Good Bad Times“ macht sich das mit breiterer Instrumentierung bemerkbar, weniger Lo-Fi-Geschrammel, hie und da ein paar glitzernde Synthesizer-Akkorde versteckt im Klangteppich. Ein bisschen mehr Pop mischt sich da in den Rock’n’Roll. Hinds präsentieren sich auf ihrem dritten Werk aber alles andere als glattpoliert.

Bester Beweis dafür ist der Song „Burn“ - entstanden aus dem Zustand lodernder Wut über eine Person, die hinter dem Rücken von Sängerin und Gitarristin Carlotta Cosials die Gerüchteküche angefeuert hat. Zorn wurde hier in ein Gitarrensolo verwandelt, das es in sich hat. "Sometimes, when songs come from anger or from something passionate, they really sound different. And I’m also very proud of the guitar solo, I think it’s one of the best I’ve ever written.”

Die ansteckende Energie, die rauen Gitarrenriffs und die Extraportion Rock’n’Roll-Madness hat man an Hinds immer schon geschätzt. Diese Attitüde geht zum Glück auch auf „The Prettiest Curse“ nicht verloren. Als Carlotta Cosials das hört, lacht sie: „Even if we try, it’s impossible to not be Hinds! You know what I mean? I think we have such a strong character that we can not get rid of it!”

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