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Walther von der Vogelweide

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musikerziehung

Die U-Musik wurde in Österreich erfunden!

Eine Musikerziehung, anlässlich der Sendung FM4 Most Wanted Austrian Clubtracks, über die unglaubliche Geschichte der U- und Dance-Musik aus Österreich. Erstmals in Textform, dafür aber mit Videos!

Von Stefan Elsbacher

Ihr werdet es vielleicht nicht glauben, aber die wichtigsten Musik- und Stilrichtungen, die es auf der Welt gibt, wurden in Österreich erfunden. Glaubt ihr nicht? Bitte sehr:

Von Minne bis Mendt

Begonnen hat alles im 12. Jahrhundert mit Walther von der Vogelweide. Dessen Minnesang, der als Vorläufer des Cloudrap gilt, feierte auf der Strecke Wien-Passau seinen Durchbruch. Dann gings weiter mit der Wiener Klassik (ihr wisst schon, Mozart, eine wahnsinnige Diva aber irrsinnig erfolgreich und außerdem Namensgeber des österreichischen (und im deutschsprachigen Raum einzig verbliebenen) Musikpreises.

Dann wurde das Kunstlied eines Franz Schubert populär, das Wiener Couplet eines Johann Nestroy (der als Vorreiter eines Nino oder Voodoo Jürgens gelten kann), der Wiener Walzer von Johann Strauss inklusive Sohn, der erste international erfolgreicher Tanzexport aus Ö. Mit der 12ton-Musik eines Arnold Schönberg wird’s modern, bis zum Wiener Lied und dem Kabarett-Chanson eines Qualtingers und Bronners, der außerdem mit diesem Lied…

…1970 schön gesungen von Marianne Mendt, den Austropop und somit die Basis für den ganzen Rest geprägt hat.

Dann war lange nichts.

Bis Mitte der 80er eine delikate und anfangs nur unter eingefleischten Fans bekannte Musikrichtung vom italienischen Gardasee aus nach Westösterreich rüberschwappte: Cosmic Music.

Begründer und Überbringer war der österreichische DJ Stefan Egger, der die Mixes aus Afro, Reggae, Disco und später auch Hip Hop und Trance auf gleichnamigen Partyreihen, vor allem in Innsbruck aufgelegt hat und der den ursprünglich, aber missverständlich als Afro bezeichneten Cosmic-Sound bis nach München bekannt gemacht hat. (Dort war bereits der Munich Sound eines ebenfalls italienischen Giorgio Moroder beliebt, von Donna Summer bis Atréju schlug sich dieser Sound ebenso im Cosmic nieder.)

the manual

the manual

And now: Here comes the music

Mit der Erfindung des Samplings, also dem Stehlen von Musik unter dem Alibi der Freiheit der Kunst, (und dem angeblichen Verbrennen von 1 Million Pfund) wurde das britische Aktions- und Musikprojekt The KLF bekannt. Bestehend aus den beiden Timelords Bill Drummond und Jimmy Cauty, verrieten diese mit ihrer Pop-Bibel „The Manual - How to have a number one the easy way“ das Geheimnis, wie man schnell und einfach einen Nummer 1-Hit schreibt und bescherten damit Österreich das hier:

Der Song „Bring me Edelweiß“ von der Band Edelweiß wurde nämlich genau nach der Anleitung des KLF-Manuals verfasst. Mit Erfolg. der Song wurde über 3 Millionen Mal verkauft, war in mehreren Ländern auf Platz 1, in Österreich 14 Wochen lang.

WM 2018 Spielplan

DSL

Und der adrette Mann an den Turntables ist niemand geringerer als ein gewisser DJ DSL, der hier den verblüfften Österreicher*innen zum ersten Mal zeigt, was scratchen ist. Wir schreiben das Jahr 1988 und der Austrodance ward geboren.

FM4-affine Menschen kennen DSL (DJ Superleiwand!), der auch gern als „Urvater der österreischichen DJ-Szene“ bezeichnet wird, vor allem durch seine tollen Grafiken zu Fußball EM und -WM (s. links) und unter anderem davon:

DSL, der im analogen Leben Stefan Biedermann heißt, festigte seinen Status dann in weiterer Folge als begehrter Remixer bekannter Pop-Größen und scratchend auch hier:

Data de Groove, das sechste Studio-Album von Falco, dem bekanntesten Pop-Export seit Vogelweide und wenn dieses Album heute rauskommen würde, wäre es noch immer seiner Zeit voraus.

Der Bruder von DSL heißt Klaus Biedermann. Der war nicht nur DJ in der legendären Disco U4, wo sich die Wiener New Wave-Szene regelmäßig upgedatet hat, sondern auch der Produzent von „Bring me Edelweiß“. 1991 gründete er sein eigenes Musikprojekt namens Bingoboys und schrieb diesen Welthit:

Platz 1 in den Dance Charts der USA. Und wir merken schon, in Österreich wird Ironie großgeschrieben.

Ui, tuat des weh

Mit dem ganzen Geld gründete Klaus Biedermann seine Produktionsfirma ultimaTIEF und der Name war Programm: Die ersten Apres Ski-Shits noch lange vorm Kitzloch aus Tirol von Dj Ötzi und Perlen wie der Klane Indianer und auch der HC Rap für HC Strache sind 4 gute Gründe, warum wir uns lieber noch einmal mit Bruder DJ Superleiwand beschäftigen, um dann endlich den Bogen zum Downbeat zu spannen, der wahrscheinlich dann doch bedeutendsten Strömung im österreichischen Musik-Kosmos.

G-Stoned

DSL war 1990 auch Mitglied des Quartetts „The Moreaus“, wo Pioniere wie Sugar B, Rodney Hunter oder auch Peter Kruder eine kleine österreichische Hip Hop-Szene etabliert haben und aus dem sich der spezifische Sound herauskristallisiert hat, um den es jetzt gehen soll:

Weil, wer Kruder sagt, muss auch Dorfmeister sagen. Und mit ihrem 1993 gegründeten Plattenlabel G-Stone Recordings, das so genannt wurde, weil es sich in der Ottakringer Grundsteingasse befunden hat, haben Kruder und Dorfmeister den Wiener Downbeat (oder Downtempo) etabliert.
Den so typischen, internationale Beliebtheit erlangte „viennese sound..“

Hier ein Song, den K&D für ihre „Sessions“ aus dem ersten Sofa Surfers Album „Transit“ genommen haben, die wiederum Ende der 90er vor allem den Dub und Downtempo worldwide exportiert haben.

Downbeat. Eine ziemlich chillige Mischung aus Dub, Trip Hop, electronia, Jazz und Ambient. Zu hören in sämtlichen Hotellobbys und Aufzügen dieser Welt. Die G-Stoned-EP und die K&D Sessions-CD fand sich wohl in jedem CD-Regal aller bis 1990 geborener Menschen.

Ziemlich G-Stoned waren außerdem noch Sugar B, Rodney Hunter, Makossa, Megablast, Tosca, Marsmobil, Urbs und eben DSL. Sehr männerdominiert das Ganze, ja.

female:pressure

Darum soll eine Frau nicht unerwähnt bleiben, die großen Einfluss darauf hatte, warum dieser ganze subkulturelle Sumpf überhaupt Aufmerksamkeit erregt hat: Katharina Weingartner, Journalistin, Autorin und Redakteurin der legendären Ö3 Musicbox und Miterfinderin der sogenannten Sendung Tribe Vibes, aus dessen Essenz dann FM4 und die Sendung FM4 Tribe Vibes entstanden ist, die bis heute als eine der wichtigsten Hip Hop-Sendungen im deutschsprachigen Raum gilt.

Und auch die erste, international erfolgreiche weibliche DJ Electric Indigo, die schon damals großen Einfluss auf die ganzen DJ-Buben hatte und die nicht nur den Techno in Österreich etabliert hat, sondern auch mit der von ihr gegründeten Plattform female:pressure bis heute vielen Nachfolgerinnen Skills und Selbstbewusstsein ermöglicht hat.

Wir bleiben noch kurz bei House und Techno und da war Mego eines der wichtigsten und einflussreichsten österreichischen Labels für elektronische Musik der letzten 25 Jahre, das bis heute als editions mego weiterexistiert und unter vielen anderen diesen österreichischen Produzenten bekannt gemacht hat:

Bam, oida!

Und dann das: Auf Grund einer ungünstigen Sternenkonstellation und dem darauffolgenden Zusammenprall zweier Meteoriten kam es 2008 zu einem kurzlebigen Phänomen, das den Bereich Wien-Donaustadt wenn dann nur unabsichtlich verlassen hat: Der Krocha.

Rund um die Wiener Nachtschicht formierte sich die völlig unpolitische und auf Style und Slang reduzierte Jugendbewegung. Die zugehörige Musik war Schranz und Hardsytle, der Tanz Jumpstyle und die bevorzugte Nahrungsaufnahme UV-Strahlen aus dem Soli. Weil der Krocha auf Grund seines begehrten Vokuhilas gern gejagt wurde, war er nach einem Jahr leider ausgestorben.
Alle Krocha? Wer weiß...

Wir bleiben in 1220, nur ca. 7 Jahre später: Da winkte plötzlich der mögliche Krocha-Überlebende und Minne-Cloud-Rapper Yung Hurn mit Dada-Texten über Stoli statt Soli aus den YouTube-Fenstern und beendete die Geschichte der österreichischen Dance-Music mit einem einfachen aber bestimmten:

Unglaublich? Aber wahr.

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