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Menschen mit Regenbogenfahne bei der Fensterl Parade

Ines Bacher

Wie geht’s queeren Menschen 2020?

Nach wie vor werden LGBTIQ*-Personen in Österreich diskriminiert. Das zeigen eine neue EU-Studie und auch die Erfahrungen, die queere Jugendliche in Österreich machen. Aber es gibt auch positive Entwicklungen: Vorurteile und Intoleranz gegenüber LGBTIQ*-Personen werden in Österreich weniger.

Von Ambra Schuster

„Du bist viel zu hübsch für eine Lesbe“; „Wenn du mit mir schläfst, dann kann ich dich umstimmen, dann bist du nicht mehr lesbisch“; „Du kannst ja dann gar keine Kinder kriegen“; „Du kommst in die Hölle“. Es waren Sätze wie diese, die Janet dazu gebracht haben, ihre sexuelle Orientierung nicht zu sehr nach außen zu tragen. Die heute 21-Jährige wurde in der Schule gemobbt, sexuell belästigt und ausgegrenzt. So sehr, dass sie sich nach mehrmaligem Schulwechsel erst gar nicht mehr geoutet hat.

Fensterl-Parade

Umrahmt von zwei Wochen Vienna Pride hätte Ende dieser Woche auch wieder die Regenbogenparade stattgefunden. Wegen der Coronavirus-Krise wird daraus heuer nichts - weshalb FM4 zur Fensterl-Parade aufruft. Denn LGBTIQ*-Themen bleiben trotz der abgesagten Veranstaltungen wichtig..

Damit ist sie übrigens nicht alleine. Laut einer aktuellen EU-Studie mit 140.000 Befragten verstecken heute zwar tendenziell weniger junge Menschen, dass sie LGBTIQ* sind, allerdings halten nach wie vor 27 Prozent der 15-17-jährigen LGBTIQ*-Schüler*innen in Österreich ihre sexuelle Orientierung geheim. Im EU-Schnitt sind es sogar 30 Prozent.

Anhaltende Angst vor Diskriminierung

Im erwachseneren Umfeld an der Uni hatte Janet bisher keine Diskriminierungserfahrungen. Hier hat sie aber auch nur auf Nachfrage erzählt, dass sie lesbisch ist. Man sehe es ihr schließlich nicht an, sagt sie. Ihre Queerness zeigt sie nur versteckt, mit einem Ring am Daumen etwa. Mit Regenbogen-Flagge oder ähnlichem traut sie sich in Österreich abseits der Pride nicht hinauszugehen. Auch im beruflichen Kontext will sich die Informatikstudentin und Deutschnachhilfelehrerin nicht outen. Zu groß ist die Angst, wieder diskriminiert zu werden und sich selbst den Alltag unnötig schwer zu machen.

Ihre Sorge scheint nicht unbegründet zu sein. Tatsächlich fühlten sich laut der EU-Studie 40 Prozent der LGBTIQ*-Personen in Österreich im Jahr vor der Befragung diskriminiert, 20 Prozent allein am Arbeitsplatz. Beide Werte liegen hier im EU-Schnitt. Zwar gehen mittlerweile rund die Hälfte der Befragten offen mit der eigenen Sexualität um, 39 Prozent vermeiden es aber nach wie vor, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten. Sieht man sich diese Zahlen an, wird deutlich, dass es weitere politische Maßnahmen braucht, um die Sicherheit und Rechte der LGBTIQ*-Gemeinschaft zu stärken.

Coming-out bleibt Risiko

Etwas positivere Erfahrungen als Janet hat Patrick gemacht. Der 26-Jährige geht sehr offen mit seiner Homosexualität um und versteckt sich auch nicht vor Blicken, wenn er mit einem Freund Händchen hält. Als für ihn mit 18 Jahren klar war, dass er schwul ist, hat er sich relativ schnell bei der Familie, am Arbeitsplatz und auch bei Freunden geoutet. „Ich hatte so einen inneren Druck, dass ich es sagen muss. Danach habe ich mich befreiter gefühlt.“

Die HOSI - Homosexuellen Initiative ist seit 1979 politische Interessenvertretung und Serviceorganisation für Lesben und Schwule und queere Personen in Österreich.

Er habe es aber auch leicht gehabt, sagt Patrick. Seine Familie, hat seine Homosexualität sehr herzlich aufgenommen, selbst die Großeltern. Gleichzeitig hat er nach seinem Outing aber auch viele Freunde verloren. „Sie haben mich als Schwuchtel beschimpft, das war ziemlich hart am Anfang. Man glaubt, man ist ewig mit Leuten befreundet und dann lassen sie dich fallen, obwohl du der gleiche Mensch bist und nur eben auf Männer stehst.“

Seit drei Jahren leitet Patrick eine Jugendgruppe der Homosexuellen Initiative in Salzburg und lädt alle, die Hilfe und Beratung brauchen oder einfach neue Leute kennenlernen wollen ein, vorbeizukommen.

Mehr Toleranz - dank queeren Role Models?

Es sei immer noch schwer sich zu outen, vor allem hier in Österreich, meint Janet. Sie studiert derzeit in Bangkok und genießt, dass es in Thailand egal ist, dass sie lesbisch und noch dazu polyam ist. Niemand sollte sich gezwungen fühlen, sich am National Coming Out Day oder im Pride Month outen zu müssen. „Besser später als zu früh, meiner Meinung nach“, sagt Janet.

Gesamtgesellschaftlich ist es heute wohl leichter, sich zu outen und auch zu zeigen, dass man lesbisch, schwul, bi-, trans- oder intersexuell ist. Vorurteile und Intoleranz gegenüber LGBTIQ*-Personen werden in Österreich weniger. Das gaben zumindest auch 54 Prozent der Befragten in der EU-Studie an. Wichtig für diesen Prozess dürfte auch die zunehmende Sichtbarkeit von LGBTIQ*-Personen in Politik, Medien und im Fernsehen sein. Angefangen von Ellen DeGeneres, Kristen Stewart bis Ellen Page wird die Liste der Role Models länger. Auch in Filmen und Serien sind queere Charaktere und Paare mittlerweile stärker repräsentiert. Und das ist gut so, geben sie doch vor allem LGBTIQ*-Jugendlichen Orientierung und Anhaltspunkt.

FM4 Auf Laut 9.6.: Queere Sichtbarkeit

Einmal im Jahr findet die Pride statt, eine Demonstration für die Anliegen von homo- und bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen. Auch wenn sie heuer nur eine Fensterl-Parade sein wird, ist sie doch ein wichtiges Zeichen für die Sichtbarkeit und Solidarität mit der queeren Community. Wie sieht es aber an den übrigen 364 Tagen im Jahr aus? Laut einer EU-Studie fühlen sich 40 Prozent der LGBTIQ*-Personen in Österreich in mindestens einem Bereich ihres Lebens diskriminiert. Wie sichtbar können und wollen schwule, lesbische, bi-, trans- und intersexuelle Menschen im Alltag sein? Inwieweit sind sie in Medien, Politik und anderen Bereichen repräsentiert? Und welche queeren Rolemodels gibt es? Darüber spricht Ali Cem Deniz mit Aktivist*innen und Anrufer*innen am 9. Juni in FM4 Auf Laut. Ruft an und diskutiert mit unter 0800 226 996.

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