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Bild von der Black Lives Matter Demo in Wien

APA/HANS PUNZ

Rassismus und Polizeigewalt in Österreich

Nach der Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch die US-Polizei gab es international Antirassismus-Proteste, auch in Österreich. Wie ist hierzulande die Situation bezüglich rassistischer Polizeigewalt?

Von Gersin Livia Paya

Marcus Omofuma ist der Name eines abgewiesenen Asylwerbers aus Nigeria, der 1999 während eines Abschiebeversuches, bei dem ihn Polizeibeamte gefesselt und ihm Mund und Nase zugeklebt hatten, ums Leben gekommen ist. Das Gericht in Korneuburg stellte in seinem Urteil knapp drei Jahre später den Erstickungstod fest und verurteilte die Polizisten wegen fahrlässiger Tötung zu je acht Monaten bedingter Haft.

1999 wurde zum ersten mal in der Zweiten Republik in den Medien groß über die Misshandlung eines Angehörigen einer ethnischen Minderheit berichtet.

Die Liste der Opfernamen im Zusammenhang mit Polizeigewalt geht auch danach weiter: Richard Ibekwe, Cheibani Wague, Johnson Okpara, Edwin Ndupu, Yankuba Ceesay, Essa Touray, Bakary J. und Mike B.

Kein Zweifel, es gibt rassistische Polizeigewalt in Österreich. Dagegen unternimmt unter anderem der Verein ZARA - Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit seit 1999 etwas. Sie veröffentlichen jährlich einen Rassismusreport und in über zwanzig Jahren Anti-Rassismus-Arbeit verzeichnen sie einen Anstieg von rassistischen Vorfällen in Österreich.

Laut ZARA wird rassistischer Hass in fast 2 von 3 Fällen online, in Form eines Kommentars, verbreitet. Hassposter*innen verbreiten Rassismus fast doppelt so häufig als Reaktion in Kommentaren wie in ursprünglichen Beiträgen.

2019 sind fast 2.000 rassistische Vorfälle gemeldet worden. 75 davon sind rassistische Vorfälle im Zusammenhang mit der Polizei. ZARA nennt das aber nur „die Spitze des Eisberges“. Die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Fälle sei sehr hoch, denn viele Menschen trauten sich nicht, Vorfälle mit der Polizei überhaupt zu melden.

Zu den fast 2.000 eingegangenen Meldungen bei der Beratungsstelle ZARA zählen vor allem Hasspostings im Netz, so sind etwa drei von fünf Fällen im Internet, aber auch Beschimpfungen im öffentlichen Raum und generelle rassistische Benachteiligung, beispielsweise am Arbeits- oder Wohnungsmarkt.

Laut „FRA“, der in Wien ansässigen, europäischen Agentur für Grundrechte, meldet die Mehrheit (63%) der Opfer von rassistischen Vorfällen im Zusammenhang mit der Polizei, den Vorfall nirgends. Entweder, weil sie glaubten, dass sich dadurch nichts ändern würde, weil sie kein Vertrauen in die Polizei hätten, Angst vor den Folgen, oder weil es "sowieso ständig passiere.

Bereits vor 20 Jahren hat Amnesty International Besorgnis darüber ausgedrückt, dass die „Mehrheit der Beschwerden über Misshandlung von Festgenommenen von nicht weißen AusländerInnen und ÖsterreicherInnen“ gekommen ist.

Unterstütze die ZARA-Antirassismus-Arbeit-Beratungsstelle, hier geht’s zum Crowdfunding.

Aber wirklich offizielle Zahlen von Seiten des Innenministeriums gibt es nicht. Laut „Amnesty International“ hat das Innenministerium bekannt gegeben, dass die Zahl der Anzeigen gegen BeamtInnen wegen rassistischer Diskriminierung unbekannt sei. Genau dieses Fehlen macht es schwierig, ein objektives Bild von der Gesamtzahl der Fälle von polizeilichen Misshandlungen und Diskriminierungen zu bekommen. Eine wichtige Zahl ist aber offiziell: 50.000 Menschen bei der Black Lives Matter-Demo im Juni 2020 in Wien.

„Es braucht eine weitreichende Veränderung“ - Vanessa Spanbauer, Journalistin, in „Im Zentrum“

Mehr dazu:

Racial Profiling in Wiener Parks?

Der Wiener Rapper T-Ser und seine Kollegen erhoben 2018 Vorwürfe des „Racial Profiling“ gegen die Wiener Polizei, was diese bestritt.

Es bleibt die Frage, wer die Wächter überwacht? Nach den Anti-Rassismus-Protesten sind in den USA und auch in Österreich Rufe nach Veränderungen, die dieser Frage nachgehen, laut geworden, etwa nach einer unabhängigen Kontrollbehörde. Denn in den vergangen Jahren wurden auch in Österreich rassistische Polizeiübergriffe, Racial Profiling und Polizeischikanen gegen Schwarze Menschen bekannt. Es fehlt an externen Einrichtungen, die die Polizei kontrollieren. Die Exekutive betont hingegen, ihre Beamten gegen Diskriminierung und Vorurteile zu schulen. Auch ZARA arbeite mit der Polizei zur Bewusstseinsbildung zusammen.

Es gilt also: Hinschauen, wenn man auf Rassismus stößt, egal ob online oder offline und es am besten melden, das geht auch anonym bei ZARA.

FM4 Auf Laut am 16.6. ab 21 Uhr

Wie steht es um Polizeiübergriffe und Rassismus in Österreich? Wie lassen sich solche Übergriffe in Zukunft verhindern? Welche außerpolizeilichen Strukturen braucht es? Wie lässt es sich am besten reagieren als Augenzeug*in einer solchen Situation? Darüber diskutiert Claudia Unterweger mit Gästen und Anrufer*innen in FM4 Auf Laut, am Dienstag, 16.6. ab 21 Uhr. 0800226 ist die Nummer ins Studio.

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