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Denkmäler in Wien

Radio FM4/Ali Cem Deniz

Wie Denkmäler politische Debatten beeinflussen

Sie stehen herum, viele bemerken sie nicht und vielen sind sie einfach egal. Dennoch können Statuen und Denkmäler zum Gegenstand politischer und emotionaler Debatten werden. Historiker Anton Tantner erklärt wie das passiert.

Von Ali Cem Deniz

Wir treffen uns auf dem Heldenplatz in Wien. Anton Tantner kommt mit dem Fahrrad. Auf seinem orangefarbenen T-Shirt ist eine Hausnummer zu sehen: Boschstraße 24 – das ist die Adresse, wo einst die Kinderbuchautorin Mira Lobe gewohnt hat, erklärt er mir später. In seiner Arbeit beschäftigt sich Anton Tantner intensiv mit Hausnummern, Adressen, aber auch Denkmälern und anderen Symbolen in der Stadt. Nicht nur mit ihrer Geschichte, sondern auch mit ihrer Gegenwart. Und zurzeit gibt es überall auf der Welt lebendige Debatten über Denkmäler, die seit Jahrzehnten und sogar Jahrhunderten herumstehen.

Denkmäler in Wien

Radio FM4/Ali Cem Deniz

Erklärungen reichen nicht

Die Prinz-Eugen-Statue am Heldenplatz ist so groß, dass sie fast den Blick auf die Nationalbibliothek versperrt. Was sieht der Historiker, wenn er auf den großen Mann mit dem großen Pferd schaut? „Grundsätzlich muss ich sagen, dass ich gerade in der Stadt, wo man lebt und aufgewachsen ist, Denkmälern ähnlich gegenüberstehe wie der Rest der Bevölkerung. Die ignoriert man ja“, gibt Anton Tantner zu. Wenn er sich das ganze mit seiner Historiker-Brille ansieht, fallen ihm am Heldenplatz allerdings ganz viele Umgestaltungsmöglichkeiten ein.

Prinz Eugen ist mit seinen Erfolgen als Feldherr gegen die Osmanen fast schon eine mythische Figur der österreichischen Geschichtsschreibung und ist aus den Schulbüchern nicht wegzudenken. Oft wird dabei vergessen, dass sogar eine SS-Division nach dem Feldherren benannt war und sich Rechtsextreme bis heute auf Prinz Eugen berufen. Soll man hier eine Tafel aufstellen, die die Person und den Kontext erklärt? Auch wenn er sich beruflich mit Schildern beschäftigt, ist eine kleine Erklärtafel für Tantner nicht genug. Das würden die wenigsten lesen.

Denkmäler in Wien

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Er spricht sich für größere „Eingriffe“ aus und erinnert an den Vorschlag das Karl-Lueger-Denkmal etwas nach rechts zu rücken. Die Statue des wegen seiner antisemitischen und rassistischen Ansichten umstrittenen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger ist wohl eine der prominentesten „problematischen“ Denkmäler Österreichs. Vor wenigen Tagen wurde das Luegerdenkmal mit Farbe überschüttet.

Statue im Wasser

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Die große britische Verdrängung, versenkt im Hafen von Bristol

Mit dem Akt der Versenkung der Statue eines Sklavenhändlers im Hafen von Bristol hat die britische Variante der „Black Lives Matter“-Bewegung die blutigen Wurzeln des britischen Reichtums offen gelegt. (Robert Rotifer)

Man lerne manchmal mehr über Geschichte, wenn man sich anschaue, wieso ein Denkmal gestürzt würde, als wenn es jahrzehntelang unbemerkt vor sich her stünde, sagt Tantner. Am 7. Juni haben Black Lives Matter-Aktivist*innen die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston im Wasser versenkt. Seit Jahren gab es in der Stadt eine Debatte über das Denkmal. Für die einen galt Colston als großer Sohn und Wohltäter der Stadt, für die anderen als unmenschlicher Ausbeuter, dessen abscheuliche Taten zu wenig Beachtung bekamen. Die Forderungen von Schwarzen Aktivist*innen wurden ignoriert. Die Statue blieb an ihrem Ort. Dann landete die Statue im Wasser und die ganze Welt hat dadurch von Colston und seinen Taten gehört.

Die Bilder aus Bristol erinnern an den Sturz der Saddam-Hussein-Statue in Bagdad, mit der auch der Niedergang des Saddam-Regimes besiegelt wurde. Doch der Versuch, politische Veränderungen zu erreichen, indem man steingewordene Manifestationen von politischen Systemen zerstört, ist nicht auf Diktaturen und autoritäre Regime begrenzt. 1961 wurde etwa das Andreas Hofer-Denkmal am Innsbrucker Bergisel von Unbekannten gesprengt.

Was man noch so alles mit Denkmälern anstellen könnte, beschreibt Anton Tantner in diesem Artikel für das Magazin skug.

Die Wirkung von Denkmälern

Das Niederreißen und Zerstören von Denkmälern kann große symbolische Wirkung erzielen, aber für den Historiker Tantner ist das nicht nachhaltig. Eine Möglichkeit könnte es sein, problematische Statuen in Museen zu stellen, so könnte ihre ideologisch-politische Bedeutung relativiert werden. Gleichzeitig würden sie aber als Kunstwerke nicht verloren gehen. Anton Tantner spricht sich auch dafür aus, dass Statuen ganz neue Rolle bekommen. Vor der Prinz-Eugen-Statue würde er beispielsweise zum Jahrestag des Ibiza-Skandals die Vengaboys auftreten lassen.

Denkmäler in Wien

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Marcus Omofuma-Denkmal am Platz der Menschenrechte

Und manche Statuen schaffen es ganz ohne Außenwirkung, politische Bewegungen und eine kritische Beschäftigung mit der Geschichte zu inspirieren. In Wien nennt Anton Tantner das Marcus Omofuma-Denkmal als Beispiel. Ein großer grauer Granit-Stein am Platz der Menschenrechte erinnert an den 1999 in Polizeigewahrsam gestorbenen Flüchtling. Immer wieder wird Omofuma-Stein zum Startpunkt für Demonstrationen. Zuletzt für die Black Lives Matter-Demo, bei der mehr als 50.000 gegen Polizeigewalt und Rassismus protestiert haben.

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