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Meek Mill

Atlantic Records

Hiphop-lesekreis

Meek Mill zeigt uns „Otherside of America“

Den amerikanischen Traum gibt es in Meek Mills desolater und trister „Otherside of America“ nicht. Ein HipHop-Lesekreis über den neuesten Track des nunmehr politischen Rappers.

Von Natalie Brunner

„Otherside of America“ von Meek Mill ist eine sehr kraftvolle Nummer, die im Zuge der Proteste in den USA veröffentlicht worden ist. Meek nimmt uns darin mit in die Welt, in der er aufgewachsen ist, und sie ist desolat und trist. Das Versprechen des amerikanischen Traums ist nicht eingelöst worden, Menschen und Bürgerrechte werden auf der Schattenseite des amerikanischen Traums nicht respektiert.

Diese Tatsache ist sogar dem amtierenden Präsidenten klar, er erkennt die systematische strukturelle Benachteiligung der Schwarzen Bevölkerung und führt in einer Wahlkampfrede, die Meek Mill als Intro für „Otherside of America“ verwendet, sogar Zahlen an.

What do you have to lose?
You’re living in poverty
Your schools are no good
You have no jobs
58% of your youth is unemployed
What the hell do you have to lose?

Donald Trump hat diese Worte an potentielle afroamerikanische Wählerinnen gerichtet, bei einer Kundgebung im August 2016 in Michigan.

„Otherside of America“ schließt mit einem Auszug aus einem Interview, das Meek Mill zwei Jahre später auf CNN gegeben hat: „Ich bin in einer rücksichtslosen Nachbarschaft aufgewachsen, in der wir nicht von der Polizei geschützt werden. Wenn Sie sieben Menschen pro Woche sterben sehen würden, würden wahrscheinlich auch Sie selbst eine Waffe tragen. Würden Sie?“, fragt Meek Mill den Moderator der ihm zögerlich zustimmt.

Zwischen diesen zwei Medienzitaten entfaltet sich Meek Mills Vortrag mit solch eindringlicher Kraft, dass er die Zuhörerinnen tatsächlich mitnimmt in das Philadelphia, in dem er aufgewachsen ist. Wo Familien auseinandergerissen werden, weil ein Elternteil ins Gefängnis geht, nicht weil er oder sie Gewaltverbrechen begangen hat, sondern nicht in der Lage ist, die Kaution für eine Verwaltungsübertretung zu bezahlen.

Die Fallstricke des amerikanischen Justizsystems kennt Meek Mill leider sehr gut. 2008 ist er wegen Drogen- und Waffenbesitzes zu einer mehrmonatigen Gefängnissstrafe verurteilt worden und sieben Jahren Bewährung. Nachdem er der ihm zugeteilten Richterin Genece Brinkley die von ihr gewünschte Erwähnung in einem Song verwehrte, wurde er von ihr danach immer wieder wegen Verstößen gegen seine Bewährungsauflagen verurteilt. Die Causa wuchs zu einer medial nachvollziehbaren Fallstudie der Lücken und Ungerechtigkeiten des US-Justizsystems. Der Fall ist in der fünteiligen von Jay Z produzierten Dokuserie „Free Meek“ aufgeschlüsselt, und ist laut Meek repräsentativ für das Schicksal unzähliger Opfer des Justizsystems.

„Free Meek“ ist auch eine Chronik von Meek Mills Wandlung vom expliziten zum politischen Rapper, der in seinen Lyrics und mittels der von ihm und Jay Z mitgegründeten REFORM-Allianz für eine Änderung des Kautions- und Bewährungssystems in den USA kämpft. Ein System, das, wie Ava DuVernay in ihrer Doku „The 13th“ argumentiert, darauf aus ist, die Gefängnisse voll mit Afro-Amerikanerinnen zu haben, um unentgeltlich über ihre Arbeitskraft zu verfügen, eine de-facto Fortführung der Sklaverei.

Der FM4 HipHop-Lesekreis mit Sebastian Seidl, Mahdi Rahimi, Stefan Trischler und ich über „Otherside of America“.

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