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Orlando Weeks

Orlando Weeks

„Ich war nie ein richtiger Frontmann“

Orlando Weeks stand als Sänger der englischen Band The Maccabees am Sprung in die große Liga, aber dann trennte sich die Band. Jetzt geht er mit dem Soloalbum „A Quickening“ seinen ganz eigenen Weg.

von Eva Umbauer

Orlando Weeks veröffentlichte als Sänger der Maccabees vier Alben, das erste vor dreizehn Jahren. Davor gab es die Band bereits weitere vier Jahre. Als Grund für die Auflösung 2016 nannten die Maccabees dann unter anderem auch an, dass man eben schon so lange zusammenspielte.

Nichts Bestimmtes war Schuld am Ende der Maccabees. Niemand hatte etwas falsch gemacht, es passte nur alles einfach nicht mehr wirklich. Dabei hatte „Marks To Prove It“, das letzte Album der Londoner Band, die Spitze der britischen Charts erreicht, und das davor, „Given To The Wild“, war mit Platz vier ebenfalls erfolgreich.

„After 14 years as a band we have decided to call it a day“, ließen uns die Maccabees wissen - und weg waren sie. Am Sprung in die Oberliga britischer Bands erklärten die Maccabees im Sommer 2016 ihren Abschied und gaben im darauffolgenden Jahr in London ihre allerletzten, hochemotionalen Konzerte vor vielen Musikliebhaber*innen. Große Indierock-Songs mit dem Herzen am rechten Fleck. Es war jammerschade um diese Band aus Südlondon, aber niemand konnte ihre Trennung aufhalten.

Das erste künstlerische Lebenszeichen von Sänger Orlando Weeks nach dem Ende der Maccabees war ein Kinderbuch, das er geschrieben und auch illustriert hatte. Orlando Weeks studierte Illustration in Brighton. Außerdem hatte er begleitend zum Buch Musik komponiert. Wie alle guten Kinderbücher eignete sich „The Gritterman“ durchaus auch für Menschen, die selbst keine Kinder mehr waren.

The Gritterman

Das Buch war inspiriert vom Großvater von Orlando Weeks, der im ländlichen Südwestengland - in Devon und Cornwall - Traktoren und andere landwirtschaftliche Geräte reparierte. Seinen verstorbenen Großvater hatte Orlando Weeks schon am ersten Album der Maccabees verewigt, mit dem Song „Good Old Bill“. Dann ließ er ihn also ein Buch inspirieren.

Dabei ist die Figur in „The Gritterman“ kein alter Landmaschinenmechaniker, sondern verkauft im Sommer mit seinem Wagen Eis und ist im Winter mit dem Streufahrzeug als Splittstreuer auf den Straßen unterwegs - bis ihn eines Tages der Anruf erreicht, dass er nicht mehr gebraucht wird. Ein berührendes Buch über das Altwerden.

A Quickening von Orlando Weeks

PIAS

Die Musik zu „The Gritterman“ von Orlando Weeks wurde vom Briten Marcus Dravs produziert, der auch schon mit Coldplay, Mumford And Sons und Brian Eno gearbeitet hatte.

Auch das erste richtige Soloalbum von Orlando Weeks wurde nun von Marcus Dravs produziert. Es heißt „The Quickening“ und behandelt die Elternschaft, die Orlando Weeks seit wenigen Jahren mit seiner Partnerin teilt.

Elternschaft? Altwerden? Das ist nicht sehr rock’n’roll, aber Orlando Weeks meint, dass er damit ohnehin nie wirklich etwas zu tun hatte: „I’ve tried to be ‚the frontman‘. I just can’t do it.“

Weit weg von den Maccabees

Und so ist sein Soloalbum dann auch recht weit entfernt vom Sound der Maccabees. Ja, Orlando Weeks erfindet sich seit „The Gritterman“ weiter neu. „The Quickening“ ist hypnotisch und meditativ. Die großen Gitarren, wie die Maccabees sie gerne hatten, sucht man vergeblich. Alle Instrumente zeigen sich praktisch gleichwertig, vom Piano über die Hörner und die herrlich dissonante Percussion bis zu den Holzblasinstrumenten.

Bei „All The Things“ wird erst ein Tambourin geschüttelt, später kommt ein Bläsersolo. Das klingt einmal kraftvoll, dann wieder zart. Orlando Weeks singt Wiegenlieder, die - wie schon bei „The Gritterman“ - auch längst Erwachsene durchaus sanft entschlummern lassen.

„This record for me is a document of some of the most complicated/simple moments of my life.“

„I’ll be your blood sugar“, singt Orlando Weeks in „Blood Sugar“ und in „Milk Breath“ heißt es „My son, my son, my son...“. Der Albumtitel „A Quickening“ steht für erste Kindsbewegungen. Das mag alles ein wenig selbst-zentriert klingen - ein Konzeptalbum übers Eltern-Sein - ist es aber nicht, so wie Orlando Weeks diese intimen Geschichten erzählt, in Songs mit Titeln wie „Moon’s Opera“ oder „Summer Clothes“.

In letzterem Stück geht es um die Partnerin von Orlando Weeks - ihren Körper, ihre Kleider. Und „St. Thomas“ handelt von jenem Londoner Spital, in dem nicht nur Orlando Weeks zur Welt gekommen ist, sondern auch sein Sohn.

„A Quickening“ von Orlando Weeks ist eine Ode an die Elternschaft, die einem auch gefallen kann, wenn man selbst nicht Mutter oder Vater ist. Auch weil Orlando Weeks mit „The Quickening“ manchmal an Mark Hollis erinnert, jenen genialen britischen Songschreiber, der erst mit seiner Band Talk Talk Pop-Luft geschnuppert hatte, um dann immer weiter in sein betörend tiefgründiges und ganz eigenes musikalisches Universum hineinzutauchen.

„A Quickening“ von Orlando Weeks ist bei PIAS erschienen.

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