Dave Chappelles „8:46“ ist nichts zum Lachen
Von Natalie Brunner
Das, was Dave Chapelle „Rohheit“ nennt, ist eine der großen Stärken seines halbstündigen Auftritts. „8:46“ ist am 7.Juni bei Chappelle zu Hause in Ohio aufgezeichnet worden. Das Programm zeigt, wie bravourös Chappelle komplexe und emotional ergreifende Narrative baut und Zusammenhänge aufdeckt. Er setzt Politik und Gegenwartsgeschichte nicht nur in einen persönlichen Kontext, sondern mehr noch, er lässt die Fäden, die er aufgreift, in seiner Person zusammenlaufen.
Das Programm ist eine geistreiche und emotional ergreifende, persönliche Auseinandersetzung mit den Polizeimorden an schwarzen US-Bürger*innen und deren medialer Verarbeitung. Das ist sehr viel und Chappelle schafft es, die enormen Bögen, die er aufbaut, nachvollziehbar zu machen, indem er sie zu seiner Person zurückführt. Das geschieht nicht aus Eitelkeit, sondern um seine Perspektive, seine Gebrochenheit und seinen Schmerz zu vermitteln.
So erzählt Dave Chappelle, dass Sean Williams, der weiße Polizist, der am nächsten Tag John Crawford III umgebracht hat, ihn am Abend zuvor kontrolliert und gesagt habe, dass er es diesmal noch bei einer Warnung belässt. Am nächsten Tag erschießt der Polizist am Parkplatz eines Kaufhauses John Crawford III, der in dem Laden eine unverpackt zum Verkauf angebotene Luftdruckpistole erstanden hatte.
8:46 Sekunden ist die Zeitspanne, die der Polizist Derek Chauvin auf George Floyds Kehle gekniet ist. Dave Chappelle versucht uns zu vergegenwärtigen, wie lange 8 Minuten und 46 Sekunden Todeskampf sind, indem er von den 35 Sekunden Erdbeben erzählt, in denen Chappelle überzeugt war zu sterben. „What are you signifying that you can kneel on a man’s neck for 8 minutes and 46 seconds and feel like you wouldn’t get the wrath of God?“, sagt Chappelle. „That’s what is happening right now. It’s not for a single cop, it’s for all of it.“
Chapelle macht sich auch über Don Lemon von CNN lustig, der Prominente beschuldigte, „in ihren Villen zu sitzen und nichts zu tun“. „Spielt es eine Rolle, ob man berühmt ist? Nein“, sagt Chappelle. „Das sind die Straßen, die für sich selbst sprechen. Sie brauchen mich im Moment nicht“.
“This is the streets talking for themselves. They don’t need me right now. I kept my mouth shut. But don’t think that my silence is complicit… Why would anyone care what their favorite comedian thinks after they saw a police officer kneel on a man’s neck for 8 minutes and 46 seconds?”
Warum er dann doch vor der Kamera getreten ist erklärt Dave Chappelle auch, nicht, weil er ein Role Model ist, sondern: „weil er das direkt sagt, was er für die Wahrheit hält“, und das, so Chappelle weiter, „brauchen Menschen, wenn wieder einmal klar wurde, dass sie von den Institutionen, denen sie vertrauen sollten, systematisch belogen werden.“
Publiziert am 20.06.2020