FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Albumcover von Haims "Women in Music Part III", in der die Band hinter einer Wursttheke steht.

Universal Music

Haim ziehen alle Register auf „Women In Music Part III“

Die drei Haim-Schwestern traten schon als Kinder gemeinsam auf, wenn es sein musste auch in einem Wurst-Geschäft. In einem solchen Delikatessenladen ließen sie sich nun für das Cover ihres dritten Albums fotografieren. „Women In Music Part III“ nennen Danielle, Alana und Estelle Haim ihr neues Album. Pop-Musik der Gegenwart wie nur die City Of Angels sie hervorbringen kann.

Von Eva Umbauer

Die drei Haim-Schwestern sind sogenannte Valley Girls, aufgewachsen im San Fernando Valley, hinter den Hollywood Hills. Ihre Eltern waren dort Immobilienmakler*innen, verkauften das eine oder andere Haus auch etwa an Musiker*innen, nicht Stars, sondern Session-Musiker*innen, Keyboarder*innen, Bassist*innen oder Schlagzeuger*innen von Alternative-Bands.

Es lässt sich anständig leben im San Fernando Valley. Also, dass ihnen ja niemand etwas Schlechtes sagt über das Valley, wo Estelle, Danielle und Alana eine glückliche Kindheit verbrachten. Dennoch ist ihr Verhältnis zu Los Angeles heute zwiespältig. Aber deshalb nach New York ziehen?

Von L.A. ausgerechnet nach New York?

Nein, doch keine Option, auch wenn Haim im recht fröhlichen Album-Opener „Los Angeles“ sinnieren, ihre Heimatstadt zu verlassen: „New York is cold, I tried the winter there once“, heißt es in diesem neuen Song von Haim. Ein tolles Saxofon fällt auf in diesem Doch-Nicht-New-York-Track.

In „Summer Girl“ kommt wieder das Saxofon vor, und das „doo-doo-doo“ aus Lou Reeds Klassiker „Walk On The Wild Side“. Wieder eine Referenz an New York, obwohl Haim dann doch lieber in L.A. bleiben, auch wenn das nicht so einfach ist mit der Heimatstadt: „Hometown of mine, just got back from the boulevard can’t stop crying...“, singt Danielle Haim in „Los Angeles“.

Albumcover von Haims "Women in Music Part III", in der die Band hinter einer Wursttheke steht.

Universal Music

„Women In Music Part III“ von Haim erscheint heute bei Universal Music.

Haim nennen ihr bereits drittes Album „Women In Music Part III“. Das mit dem Teil III deswegen, weil es nach „Days Are Gone“ und „Something To Tell You“ eben der dritte Longplayer der Schwestern-Band ist. Das „women in music“ ist Danielle im Traum gekommen und hat auch ihre Schwesten überzeugt:

„We liked it because we are literally women in music and we always get written about that way, so it seemed cool to make it our own and control the narrative.“

„Women In Music Part III“ kann man auch abkürzen als „WIMPI“. Ein „wimp“ ist ein Weichling. Haim mögen dieses Wort, lachen viel über allerlei Dinge, die „wimpy“ sind. Haim haben das Lachen nicht verlernt, auch nach ihrem letzten, etwas durchwachsenen Album nicht, das vier Jahre nach dem so ansprechenden Debüt endlich erschienen war.

„We had to face our inner demons!“

So viel zu lachen gab es für die Band ja nicht, vor allem weil der Partner von Danielle Haim, der Musiker und Producer Ariel Rechtshaid - er arbeitete unter anderen mit We Are Scientists -, mit einer Krebsdiagnose konfrontiert war. Danielle Haim fiel in eine tiefe Depression.

Danielle Haim zeichnet für die Produktion von „Women In Music Part III“ verantwortlich, und als Co-Producer kamen Ariel Rechtshaid und Rastam Batmanglij hinzu. Letzterer war Mitglied der New Yorker Band Vampire Weekend, auf deren letztem Album Danielle auch trommelte.

Bei Haim spielte Danielle immer das Schlagzeug im Aufnahmestudio, auch wenn sie bei den Konzerten der Band nur gelegentlich selbst in die Felle haut. Das Schlagzeig war bei Haim immer schon besonders wichtig. Ale Songs beginnen praktisch mit den Drums. Beim neuen Album war das Verhältnis Drums:Gitarre 50:50.

„Sonically drums are so important to us, and once we figure out our drum tone, you can hear it. This time they are pretty trashy drum sounds, like on tracks such as ‚The Steps‘, ’I’ve Been Down’, and ‚Gasoline‘, they are like 90s breakbeats. Even in ‚Summer Girl‘ the drum sound is a lot more raw than usual.“

Rock-Band ohne Star-Allüren

Von wegen in die Felle hauen: Haim begreifen sich als Rockband. Sie mögen das Wort „Rock Star“ noch immer, und fügen im FM4-Interview mit Christian Lehner sogleich an, dass das natürlich im Jahr 2020 aber schon etwas peinlich ist. Daniella, Alana und Este Haim wollten immer schon Rock-Stars sein, wie Stevie Nicks - die Sängerin von Fleetwood Mac, jener Band, die sich von der englischen Blues-Gruppe hin zur großen kalifornischen Band entwickelte.

Das klassische Rockstar-Klischee des zu sehr über die Stränge Schlagens, des sich körperlich und psychisch Ruinierens, das müssen Haim aber nicht haben. Jedoch ein Zurückblicken auf das große musikalische Erbe von L.A. muss sein, etwa auf den Folk-Sound des Laurel Canyon in den Sixties, dessen wohl berühmteste Vertreterin Joni Mitchell war.

Im Song „I Know Alone“ wird die Songschreiber-Gigantin Joni Mitchell dann auch direkt zitiert: „Screaming every word of ‚Both Sides Now‘“, singt Danielle Haim in diesem Track, der aber kein Folk-beeinflusster Song ist, sondern der wohl am stärkten von Synthies dominierte Track am neuen Haim-Album.

Es gibt aber auch Soft-Rock auf „Women In Music Part III“, das zum Motto hat „Halte dich nicht zurück, habe keine Hemmungen, sei furchtlos!“. „Women In Music Part III“ ist das bisher selbstbewussteste Album der Haim-Sisters. Sie ließen alles einfach fließen, und es floss. Die Songs kamen diesmal so schnell wie nie zuvor.

Haim lassen sich nicht mehr alles gefallen

Die Zeiten, in denen Haim bloß ein Zehntel bezahlt bekamen bei Auftritten als Co-Headliner, im Vergleich zur anderen - männlichen - Band, sind definitiv vorbei. Das lassen sich Haim längst nicht mehr gefallen. Women in music, das ist nicht einfach, wird es wohl nie sein. Es war ein Lernprozess, wie Haim im FM4-Interview sagen:

„We were kids when we started. You don’t go to business school when you are a child. It is really just learning on the job.“

„Women In Music Part III“ ist eine beeindruckende Platte, eine provokative Platte, die unter anderem von den zwanzig Jahren im Musikgeschäft der Haim-Schwestern erzählt („Gasoline“), vergleichsweise introvertiert denn extrovertiert ist, die dunklen Electro-Pop zelebriert, genauso wie eben Soft-Rock.

Tolle Riffs, tolle Grooves, Punk, Garage, R&B, und die sinnliche Stimme von Danielle Haim, begleitet von den Vocals von Alana und Este. These sisters are doing it for themselves. Haim, die quintessentiellste L.A.-Band ihrer Generation.

mehr Musik:

Aktuell: