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Sofie

Manuel Haring

Auf ihrem Debüt kreiert Sofie Lo-Fi-Ästhetik in einer fiktiven Welt

Sofie Fatouretchi ist Malerin, DJ, Radio-Host, Violinistin und ehemalige Creative-Director für den Boiler Room. Als Sofie hat sie nun ihr Albumdebüt „Cult Survivor“ veröffentlicht. Im Interview erzählt sie, was träumen mit Kapitalismuskritik zu tun hat und wie gut sie im Schlaf Songs schreiben kann.

Von Michaela Pichler

„Ich hatte letzte Woche eine Ausstellungseröffnung, für die ich sehr viel gearbeitet habe. Aber es war mir dann letzte Woche doch etwas zu viel, zu sehr zurück zur Realität“, sagt Sofie Fatouretchi im Videochat-Interview über die Zeit nach dem Lock-down. Während den Ausgangsbeschränkungen hat sie viel gemalt, große Gemälde, die am Ende schon viel zu viel Platz in ihrer Wohnung in Wien eingenommen haben. Wien ist ihre Zweit-Heimat sozusagen, denn Sofie Fatouretchi ist in Palo Alto geboren und erst als Teenager nach Österreich umgezogen.

Mit ihrem Talent für die Geige schafft sie es auf das Wiener Konservatorium, doch die Karriere einer klassischen Musikerin tauscht sie lieber wieder mit einem Leben an der US-amerikanischen Westcoast ein. In LA bewirbt sie sich für ein Praktikum bei Stones Throw Records, für das sie schließlich vier Jahre arbeitet. Irgendwann baut Sofie Fatouretchi auch noch den Boiler Room in den USA mit auf, in London tritt sie als Radio-Host beim Sender NTS auf. Auch auf FM4 kennt man Sofie Fatouretchis Stimme, in ihrer Show „Sofies Tapes“ wühlt sie ein ums andere Mal in ihrer Plattensammlung und präsentiert ihre Schätze. Nun ist es für die Multi-Künstlerin aber an der Zeit, selbst eine Platte zu veröffentlichen. „Cult Survivor“ ist das Debüt, das nie geplant war.

Sofie - "Cult Survivor"

Stones Throw Records

Das Album „Cult Survivor“ ist am 26. Juni via Stones Throw Records erschienen.

Lo-Fi-Pop gemacht im Keller

„Als die Lieder geschrieben worden sind, war es wirklich nicht mit dem Hintergedanken, dass sie ein öffentliches Tageslicht sehen werden“, sagt Sofie. Mit Tageslicht hat die Entstehung der Songs auf „Cult Survivor“ tatsächlich wenig zu tun. Sofie hat die zwölf Tracks nämlich im Keller ihrer Universität geschrieben. In einem Uni-Proberaum der Angewandten in Wien, in dem ein altes Keyboard stand. Mit dem Smartphone nimmt sich die Künstlerin auf, ohne groß an einen tatsächlichen Release zu denken.

Als dann ihr ehemaliger Chef von Stones Throw Records - Peanut Butter Wolf - nachfragt, wie es denn in Wien so laufe, schickt Sofie ihm die Handy-Demos. Am Ende der E-Mail-Unterhaltung stand der Albumvertrag. Die Stimmung, die Sofie sich mit dem Uni-Keyboard im Keller kreiert hat, sollte auf der Platte aber nicht verloren gehen. „Ich wollte diesen Sound beibehalten vom Proberaum, wie das Keyboard klang, dass alles nicht so perfekt war, und das kam zum Beispiel beim Lied ‚Truth of the Matter‘ sehr gut zur Geltung, weil das sollte wirklich so nahe wie möglich an die erste Handyaufnahme des Liedes herankommen.“

Dreams Are My Reality

Sofie nimmt sich auf ihrem Debüt dem Thema der Fiktion aus verschiedenen Perspektiven an. In ihren Texten erschafft sie sich ein Paralleluniversum. Was auf den ersten Blick ein bisschen nach „l’art pour l’art“ klingt, hat vielmehr mit Kapitalismuskritik zu tun. „Es gibt diese Kurzgeschichten von Ottessa Moshfegh, das Buch heißt ‚Homesick For Another World‘ und das habe ich während dieser Zeit gelesen. Und diese Sehnsucht ist bei mir sicher auch ein Thema, also Sehnsucht nach nichts Konkretem, sondern nach einer Welt, in der es nicht diese Indoktrinierung des Kapitalismus gibt, in der wir so gefangen sind.“

Sofie sehnt sich nach Veränderung und erschafft diese in einer Traumwelt. Auch die Single “Asleep” ist so eine Realitätsflucht-Ballade auf „Cult Survivor“, wie Sofie erzählt: "Es geht vor allem darum, dass man sich irgendetwas erhofft oder man eine sehr große Erwartungshaltung hat und dass die oft so unvorstellbar oder unrealistisch ist. Dass es eigentlich am besten ist, man erträumt sich die nur. Und lässt die Realität einfach die Realität sein.“

„Every time I close my eyes / I get to be with you / I know it’s really not that deep / That’s why I rather stay asleep“

Im Träumen ist die Musikerin Sofie so gut, dass sie sich im Schlaf sogar ihre zukünftigen Songs erträumen kann. “Ich bin sehr viel Karaoke singen gegangen und dann irgendwann hatte ich einen Traum: Wir haben ein Duett gesungen im Traum und das Lied war ‚Georgia Waves‘. Ich bin dann aufgestanden und hab das Lied aufgeschrieben und das wurde dann ‚Georgia Waves‘", erzählt sie.

Nimmt auf „Cult Survivor“ vor allem das Keyboard viel instrumentalen Raum ein, überzeugt auf „Georgia Waves“ neben Sofies melancholisch-mehrstimmigem Gesang die E-Gitarre mit einem heulenden Solo.

Literatur zum Träumen

Sofie findet während dem Songwriting im Keller Inspiration in den unterschiedlichsten Büchern. Nicht nur „Homesick For Another World“ beeinflusst die Wahlwienerin, auch eine Hommage an den US-amerikanischen Poeten Paul Guest befindet sich auf dem Album: In „Guest“ rezitiert Sofie in einem schwerelosen Zeitlupen-Sound Verse des Dichters, den sie bewundert.

„I am too old / to learn your name in any other language / I am on road / almost there but not home“

Nicht nur Gedichte fließen in Sofies Songs ein, auch einfache Buchtitel kreieren im Songwriting-Kopf der Künstlerin eine lebhafte Fiktion. Der Track „99 Glimpses“ erinnert vom Titel her an eine Biografie über Prinzessin Margaret, die jüngere Schwester von Queen Elisabeth II. In Sofies Parallelwelt herrscht aber stattdessen „Prince“ Margaret, „in einem fiktiven Land auf einem anderen Planeten“.

Musikalisch klingt Sofies Paralleluniversum nach Pop-Nostalgie mit viel Lo-Fi-Ästhetik. Der unaufgeregte Gesang von Sofie, der einen Hauch von Nico in sich trägt, tut dabei den Rest. „Cult Survivor“ ist damit ein gelungener Soundtrack zum Tagträumen, das übrigens auch ein Hobby von Sofie ist: „Das ist schon verrückt! So was wird dir in der echten, realen Welt nie geboten, was man sich in Träumen vorstellen kann!"

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