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Petition „Stoppt den AMS-Algorithmus“ gestartet

Das AMS setzt im Testbetrieb bereits Software ein, mit der Arbeitssuchende automatisch in Kategorien eingeteilt werden. Bald soll das System regulär in Betrieb gehen. Doch bis heute fehle es an Transparenz, wie der „AMS-Algorithmus“ arbeitet und über Menschen entscheidet, sagen Grundrechts-Aktivist*innen.

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Rund eine halbe Million Menschen sind in Österreich derzeit arbeitslos – soviele wie noch nie. Das ArbeitsMarktService (AMS) will im Lauf der nächsten Monate beginnen, ein Computerprogramm, den sogenannten „AMS-Algorithmus“, vom Test- in den Normalbetrieb zu überführen.

Eigentlich hätte das bereits mit Anfang Juli geschehen sollen, wegen der Coronavirus-Pandemie wurde der Start aber auf 2021 verschoben.

Der „AMS-Algorithmus“ teit Arbeitslose automatisch in Kategorien ein und hilft so zu entscheiden, welche Leistungen diese Arbeitssuchenden erhalten. Konkret prognostiziert die Software, wie wahrscheinlich es ist, dass Personen einen Arbeitsplatz finden. Sie teilt die Menschen dabei ein in Personsn mit hohen, mittleren und niedrigen Chancen. Arbeitslose, denen das System hohe Chancen auf dem Arbeitsmarkt voraussagt, werden keine Weiterbildungsmöglichkeiten geboten. Menschen mit niedrigeren Chancen sollen an Einrichtungen ausgelagert werden, in denen sie kostengünstiger betreut werden.

Betreuungsquote zu niedrig

Der AMS-Agorithmus, sagt Barbara Blaha vom Momentum Institut, existiere, um Geld zu sparen: “Möglichst viele Arbeitslose mit möglichst wenig Personal zu betreuen - das soll dieser Algorithmus ermöglichen. Schon vor der Krise hatten wir einen Betreuer oder eine Betreuerin pro 200 Arbeitslose. Wir wissen, dass die Betreuungsquote eigentlich doppelt so hoch sein sollte. Mit dem AMS-Algorithmus versucht man auf technische Weise etwas zu lösen, was eigentlich ein politisches Problem ist.”

Für den AMS-Algorithmus werden Daten aus den letzten Jahren herangezogen – aber kein einziger Tag der Coronavirus-Krise. Es sei absurd, auf Basis alter Daten jetzt Entscheidungen zu treffen, sagt Barbara Blaha. Denn wegen der Pandemie hat sich der Arbeitsmarkt in vielen Branchen aber stark verändert. “Ein Kellner oder Koch, der vor der Coronavirus-Krise zum Beispiel im Städtetourismus in Salzburg gearbeitet hat: Seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt werden vom Algorithmus als sehr hoch eingeschätzt. Wer aber als hoch eingeschätzt wird, hat kein Anrecht auf Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen - und im Moment auch keine Chancen einen Job zu finden, weil sich der Tourismus noch nicht erholt hat und auch lange nicht erholen wird. Er hat ab 1. Juli also keine Chancen auf AMS-Förderung, Kurse oder Lohnbeihilfen - weil er im Segment hoch eingestuft wird.”

Problem für Saisonarbeiter*innen

Für Andreas Czák von der Grundrechts-NGO Epicenter.Works sind die Kategorien des AMS-Algorithmus durch politische Entscheidungen geprägt. Zum Beispiel: “Menschen, die innerhalb der nächsten sechs Monate prognostiziert einen Job finden, werden keine Weiterbildungen bekommen. Das heißt, alle Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter, die sich vielleicht umschulen lassen wollen, haben nicht die Möglichkeit, weil das System sagt: Sie sind hochqualifiziert - sie arbeiten in der Wintersportindustrie, sie werden weiterhin in der Wintersportindustrie arbeiten.”

Berechnungsmodelle geheim

Analysiert hat den Algorithmus Ben Wagner vom Sustainable Computing Institute der Wirtschaftsuni Wien. Er beklagt vor allem mangelnde Transparenz – obwohl der Quellcode der Software offengelegt ist, werden die rund 90 Berechungsmodelle geheimgehalten: “Man könnte diesen Algorithmus viel transparenter gestalten. Man könnte eine objektive externe Kontrolle ermöglichen.”

Epicenter.Works hat deshalb heute die Internetpetition „Stoppt den AMS-Algorithmus“ online gestellt. Mitgetragen wird sie unter anderem von Attac, Momentum, Quintessenz und Digital Society. Die Hauptforderungen: Menschen sollen über den Zugang zu Leistungen für Arbeitslose entscheiden. Das AMS soll mehr Personal erhalten. Und die Teilnahme an einem AMS-Algorithmus solle freiwillig und vom Erhalt von Förderungen entkoppelt sein. Mehr Transparenz, sowie eine umfangreiche Überprüfung von Algorithmen auf deren Technik und soziale Auswirkungen, bevor sie eingeführt werden.

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