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Jack Nicholson in "The Passenger"

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So!mmer!Ki!no!

Blockbuster nachholen, sich dem Avantagardefilm annähern, Jack Nicholson in die Wüste begleiten, mit Sophie Marceau Schleicher tanzen: All das ist möglich im Sommerkino. Eine Ans-Herz-Legung.

Von Pia Reiser

Das einzig Schreckliche am Sommerkino sind die repetitiven Einleitungstextblöcke in Artikeln übers Sommerkino. Ein ewiggleicher Segway aus Frischluft, Gelsen, Wind im Haar, bis man endlich bei den wichtigen Dingen, nämlich den Filmen, angelangt ist.

Dieses Jahr ist ein neuer Baustein hinzugekommen, denn in Zeiten des Lock-downs, wo unklar war, wann die Kinos wieder öffnen würden, war die Möglichkeit, an der frischen Luft Filme auf großer Leinwand anzuschauen, ein Silberstreif am Kinohunger-Horizont. Und jetzt ist er da, der Silberstreif: Die österreichische Sommerkino-Landschaft blüht mengenmäßig fast so, als hätte es Covid-19 nie gegeben - nur das schöne Kaleidoskop am Wiener Karlsplatz wurde unter anderem abgesagt. Um als Veranstaltung und Ort aber während des Sommers nicht in Vergessenheit zu geraten, bespielt das CineKollektiv unter dem Titel „Kaleidoskop 2020. Fragmente.“ eine Leinwand mit Motiven, begleitet von einem Loop filmischer Arbeiten.

Teenager im Film "Lovecut"

Silverio Films

„Lovecut“, zu sehen am 3. Juli beim „Kino am Dach“

Die Kaleidoskop-Fragmente flirren bereits seit 26. Juni - ebenfalls schon eingespielt ist das Leslie Open in Graz, das unter anderem dazu einlädt mit Franka Potente in „Lola rennt“ durch Berlin zu hetzen oder mit Sophie Marceau in „La Boum“ Schleicher zu tanzen. Mehr als nur Schleicher getanzt wird im sensationellen Film „Lovecut“ von Iliana Estañol und Johanna Lietha. Liebe, Tinder, Sex, Skype, Zärtlichkeit, die Beziehung zu den Eltern, Rebellion - also an sich alles klassisches Coming-of-Age-Terrain - wird hier rauer, unmittelbarer und herzpochender erzählt als sonst in dem Genre oft üblich. „Lovecut“ wäre auf der Diagonale zu sehen gewesen, wir hier bei FM4 freuen uns sehr, den Film am 3. Juli beim „Kino am Dach“ präsentieren zu können. Am 2. Juli ist Co-Regisseurin Johanna Lietha in der FM4 Morning Show zu Gast.

Ebenfalls bei „Kino am Dach“ endlich auf großer Leinwand zu sehen sein wird „3Freunde 2Feinde“ von Sebastian Brauneis - auch der wäre auf der Diagonale gelaufen und wurde dann via FM4 Website in eure Wohnzimmer gestreamt, doch die Geschichte um Freundschaft, Ideale, Klassenkampf und eine DJ-Tasche flimmert natürlich auf Großleinwand nochmal leiwander. Mindestens die fünfte Hauptrolle spielt in „3Freunde 2Feinde“ ja Wien, und noch mehr Wien-Inszenierungen hat ein anderes Sommerkino auf Lager.

Zwei Männer und eine Frau sind vergnügt im Freien unterwegs, sie sehen aus wie gute Freunde. Filmstill aus "3freunde2feinde".

Studio Brauneis

Sommerkino-Termin beim Kino am Dach wird noch bekanntgegeben, die Vorfreude ist schon riesengroß: „3Freunde 2Feinde“- ebenfalls zu sehen gibts den Spitzenfilm am 25.07 beim Frameout im Museumsquartier in Wien

Das „Kino wie noch nie“ am Wiener Augartenspitz hat nur zwei Buchstaben im Programm verändert und präsentiert als „Wien wie noch nie“ eine Filmschau zu Wien - und geht dabei weit in die Vergangenheit zurück. Eröffnet wird mit „Die Pratermizzi“ aus dem Jahr 1927, und der Prater spielt natürlich auch in Carol Reeds „Der dritte Mann“ eine essentielle Rolle, wenn Joseph Cotten und Orson Welles eine Runde im Riesenrad drehen. Ganz dem Prater widmet sich Ulrike Oettinger in ihrem Film „Prater“ aus dem Jahr 2007.

Wer jetzt schon nervös wird, weil ich „Before Sunrise“ noch nicht erwähnt habe: Auch Richards Linklaters erstklassiger, wortlastiger Flanierfilm mit Ethan Hawke und Julie Delpy ist im Programm zu finden. Schwieriger ist es schon, jemanden zu finden, der über 45 ist und damals bei den Dreharbeiten nicht zumindest am Set oder mal mit Linklater trinken war.

Wem „Before Sunrise“ dann doch zu romantisch ist, der kann sich ja „Der Nachtportier“ mit Charlotte Rampling und Dirk Bogarde im Rahmen von „Wien wie noch nie“ anschauen. Ein Film von Liliana Cavani über eine sadomasochistische Beziehung zwischen einer Frau, die das Konzentrationslager überlebt hat und einem ehemaligen SS-Offizier, der in dem KZ stationiert war. Jetzt nicht der lauschigste unter den Sommerkinofilmen am schönen Augartenspitz, aber den sollte man mal gesehen haben.

Ebenfalls eine super thematische Klammer für das Filmprogramm hat das Sommerkino des Belvedere, das dieses Jahr nicht im Kammer-, sondern im Skulpturengarten stattfindet. Unter dem Titel „Visions of Reality“ gibt es hier ab 5. August unter anderem „Playtime“, „eXistenz“, „Under the Skin“ und „Total Recall“ zu sehen.

Sommerkino kann natürlich auch drinnen stattfinden, das Österreichische Filmmuseum nimmt uns mit seiner Reihe „Endlich wieder Kino“ mit an ganz wunderschöne und hypnotische Plätze der Filmgeschichte. Ein Kanon-Ride der Sonderklasse. Von Dario Argentos „Suspiria“ über John Cassavetes „Opening Night“ bis hin zu dem von mir innig geliebten „The Red Shoes“ von Powell und Pressburger. Außerdem der großartige Film „The Passenger“ von Michelangelo Antonioni, in dem Jack Nicholson als Reporter die Identität eines mysteriösen, verstorbenen Geschäftsmannes animmt, nicht ahnend, dass der ein Waffenhändler war. Noir-Elemente in der Wüstensonne (und in München! und Barcelona!) und der schönste gelbe Bademantel der Filmgeschichte (neben „Hotel Chevalier“). Endlich wieder Kino!

szenenbild "the red shoes"

kino unter sternen

„The Red Shoes“ am 15. August im Filmmuseum, Wien

Das Volxkino in Wien hilft wie immer dabei, nicht nur Filme, sondern auch die Stadt neu zu entdecken und lädt zum Filmschauen an verschiedenen Orten. FM4 hat sich aus diesem schönen Programm drei ganz besondere Lieblinge rausgepickt: Alejandro Landes erzählt in „Monos“ von jugendlichen Guerrillakämpfern im Dschungel Südamerikas. Fernab von Zivilisation und auf sich allein gestellt werden die Teenager immer anarchischer und animalischer, der Dschungel wird zum Inferno. „In the Loop"/"Kabinett außer Kontrolle“ ist eine exzellente Politsatire vom Maestro der Politsatiren: Armando Iannucci. Und „Under the Underground“ nimmt einen dann mit in die Proberäume von Janka Industries, wir steigen hinab und sehen, wo Voodoo Jürgens und Petra und der Wolf proben und arbeiten.

Szenenbild "Monos"

Gartenbaukino

„Monos“, zu sehen am 24. Juli im Rahmen des Volxkino, Wien

Dem oft sträflich vernachlässigten Kurzfilm widmet sich das dotdotdot wie immer mit umso mehr Engagement und Liebe. FM4 präsentiert hier zwei Abende, die der französischen Filmemacherin Marie Losier gewidmet sind, die Verspieltheit und Avantgarde ganz großartig zu kombinieren weiß. Ganz große Freude machen schon alleine die Filmstills aus dem Programm „Puppet Masters“, das ganz wunderbare Tierchen, Kreaturen und Filzmenschlein vor den Vorhang bittet. Und im tatsächlich märchenhaft lauschigen Park des Wiener Volkskundemuseums denkt man ja nicht nur an das auf der Leinwand, sondern auch an das abseits. Seit Jahren zeigt das dotdotdot, wie Inklusion und Offenheit funktionieren. Angefangen bei der Preispolitik bis zu Barrierefreiheit, Untertitelung und Gebärdensprache-Übersetzung bei Screenings. Wie immer: hip hurra, dotdotdot.

Wer jetzt erst draufkommt, dass er essentielle Filme des letzten Jahres versäumt hat, kann das ganz gut geballt im Sommerkino nachholen. Beim Kino im Kesselhaus in Krems zum Beispiel. Da läuft nicht nur Rian Johnsons durch und durch hocherfreulicher Whodunnit „Knives Out“, sondern auch „Parasite“ und „Joker“. Eine Preview von Johanna Moders superem Generationenporträt „Waren einmal Revoluzzer“ findet sich hier auch.

Familienfoto

Impuls Pictures AG

Alles andere als Filme aus vergangenen Saisonen versammelt wie immer das famose Frameout im Museumsquartier in Wien. Von 17. Juli bis 5. September gibt es hier immer freitags und Samstags ein Spitzenprogramm, bei dem in Nischen geblickt und Österreich-Premieren gefeiert werden. Von Kolonialismuskritik in Zombiefilmform - „Quantum Blood“ - bishin zu Dokumentationen über Diskriminierung und Bias in Technologie und virtueller Welt - „Coded Bias“. Ebenfalls im Programm die Dokumentation „Es ist zum Scheissn“ des kürlich verstorbenen Thomas Reitmeyer. Ein DIY-Film, der sich mit der Punk-Szene im Wien der späten 1970er Jahre beschäftigt.

Das durch Corona eine ungeahnte Rückkehr feiernde Autokino lädt in Enzersdorf ein zum Frames Off Set Filmfestival. Auch hier läuft „Lovecut“, außerdem der großartige Schneehüttenthriller „The Lodge“ und der Flugzeugentführungsthriller „7500“.

Wem die viele frische Sommerluft Lust auf Avantgarde macht, der ist in Salzburg bestens aufgehoben, das Sunset Kino des Salzburger Kunstvereins lädt zu einem kuratierten Programm, das Ausflüge in filmische Welten abseits von gängigen Erzählformen und Bilderwelten verspricht. Unter anderem zeigen die Diagonale-Direktoren Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger hier „Rihaction“, den ersten Film des Filmkritikers und Kurators Neil Young.

In Linz lädt ein feines Sommerkinoprogramm zunächst ins Donauparkstadion (11.-13. Juli) und von 16. Juli bis 16. August ins Parkbad. Gezeigt wird ua die Dokumentation „White Riot“, „Yesterday“, „Parasite"und "The Climb“.

Spannend macht es das frameout, das Programm wird erst demnächst veröffentlicht. Im Wiener Museumsquartier steht meist sehr fein Kuratiertes, Popkultur-Zeitgeistiges und zu meiner großen Freude auch oft Tanzlastiges am Programm.

Falls jemand jetzt sagt: Ich will keinen Fließtext, ich will eine Liste, bitte sehr ...

FM4 Sommerkino-Empfehlungen

3.7.: FM4 Preview: „Lovecut“, Kino am Dach, Wien
4.7.: „Suspiria“, Filmmuseum, Wien
5.7.: „Knives Out“, Kino im Kesselhaus, Krems
7.7.: Marie Losier: Just a Million Dreams, dotdotdot, Wien
7.7.: „Rear Window“, KIZ Royalkino, Graz
10.7.: „Professione Reporter“, Filmmuseum, Wien
11.7.: „Hass“, Kino am Dach, Wien
13.07: „7500“, Frames Off Set, Autokino Enzersdorf
13.07: „White Riot“, Donauparkstadion, Linz
14.7.: Marie Losier: Waltz in Wonderland, dotdotdot, Wien
14.7.: „Lola rennt“, Leslie Open, Graz
15.7.: „Müllers Büro“, Murinsel, Graz
16.7.: „Queen and Slim“, Kino am Dach, Wien
18.7.: „Waren einmal Revoluzzer“, Kino im Kesselhaus, Krems
19. 7.: „Porträt einer jungen Frau in Flammen“, Aspern an der Zaya
19.7.: „Film stars don’t die in Liverpool“, Leslie Open, Graz
20.7.: „Prater“, Wien wie noch nie, Wien
20.7.: „Nightshift“, Frames Off Set, Autokino Enzersdorf
22.7.: „James Bond jagt Dr. No“, Murinsel, Graz
24.7.: FM4 Favourite: „Monos“, Volxkino, Dornerplatz, Wien
25.7.: „Before Sunrise“, Wien wie noch nie, Wien
25.7: „3Freunde 2Feinde“, Frameout, Wien
1.8: Yesterday, Parkbad, Linz
3.8.: The Lodge, Frames Off Set, Autokino Enzersdorf
04.8.: „The Sound is innocent“, Murinsel, Graz
06.8.: „Once Upon A Time In Hollywood“, Trumer Sommerkino,
8..8.: „Opening Night“, Filmmuseum, Wien
8..8.: „Der Nachtportier“, Wien wie noch nie, Wien
8.8.: „Es ist zum Scheissn“, Frameout, Wien
9..8.: „Playtime“, Belvedere 21 Sommerkino, Wien
12.8.: „Rihaction“, Sunset Kino, Salzburg
14.8.: „1. April 2000“, Belvedere 21 Sommerkino, Wien
14.8: The Climb, Parkbad, Linz
16.8.: „The Rocky Horror Picture Show“, Bad Fischau
16.8.: „The Red Shoes“, Filmmuseum, Wien
25.8.: „Die beste aller Welten“, Leslie Open, Graz
21.8.: FM4 Favourite: „Kabinett außer Kontrolle“, Volxkino, Johann-Nepomuk-Berger-Platz, Wien
28.8.: „Under the Skin“, Belvedere 21 Sommerkino, Wien
11.9.: FM4 Favourite: „Under the Underground“, Volxkino, Gürtelnightwalk

In diesem Sinn: The romance of movies is not just in those stories and those people on the screen but in the adolescent dream of meeting others who feel as you do about what you’ve seen. (Pauline Kael - „For Keeps: 30 Years at the Movies“)

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