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Special Interest

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Der Song zum Sonntag: Special Interest - „Street Pulse Beat“

Special Interest aus New Orleans machen Musik der Kategorien No Wave, Industrial und Post-Punk. „The Passion Of“ heißt das neue, zweite Album des Quartetts.

Von Christoph Sepin

Menschen mit Nostalgie im Herz mögen Orte vermissen, die in unserer postmodernen Internetwelt nicht mehr existieren: Eines der prominentesten Opfer der Streaming-Zukunft waren schon vor Jahren die oft schummrigen Videotheken mit ihren alten Teppichböden und teils riesigen Sammlungen von Kinohits bis zu Arthouse-Raritäten. Orte, zu denen man ging, um sich analog und mit den eigenen Händen durch VHS-Hüllen zu wühlen, um sich allerlei Inspirationen für den nächsten Filmabend zu holen, große Releases auszuborgen und neue Dinge zu entdecken.

Auch als Symbol der US-amerikanischen Gegenkultur-Utopie ist der Video- oder Recordstore mittlerweile ein Ding der Vergangenheit: in Filmen und Serien arbeiteten dort die Aussteiger und Weirdos, die schlecht gelaunten, coolen und arrogant-cleveren Außenseiter - „Clerks“ von Kevin Smith aus dem Jahr 1994 fällt da zum Beispiel ein. Als wichtiger Teil des Generation X-Kinos ist der Videostore also übrig geblieben, als eine Hochburg des 90er-Slackertums und als Inspiration für, zum Beispiel, Namen kontemporärer Bands.

Special Interest, etwa, nennt sich die heute hier zu besprechende, fantastische Band aus New Orleans: Ihr Name lässt sich von der Abteilung aus der Videothek ableiten, in der die sprichwörtlichen „speziellen Interessen“ bedient wurden - B-Movies, Trash-Filme, seltsame Low-Budget-Eigentümlichkeiten. Also der Teil des Videostores, der ein bisschen gefährlich war, spannend und faszinierend. Voll mit einzigartigen und eigensinnigen visuellen Abenteuern.

Attribute, die auf auch auf das musikalische Projekt Special Interest zutreffen - aber nicht nur: Special Interest sind No Wave, Punk, Queer, Industrial, Noise, Distortion, ihre Musik ist düster, kalt und wütend. „The Passion Of“ heißt das zweite Album des Quartetts, das Mitte Juni rausgekommen ist. Darauf ist „Street Pulse Beat“, der heutige Song zum Sonntag, trotz seiner wilden, disruptiven Energie noch das zugänglichste Lied.

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„Street Pulse Beat“, was für ein Name für ein Lied. „I can’t take you there, where desire unfolds“, was für eine erste Zeile von Vokalistin Alli Logout. „Your pleasure is not mine to hold, tell me how you want me, baby“ folgt, und dann ist schon vorgegeben, worum es geht, in dieser vor sich hin stampfenden, grauen Hymne: Um gegenseitige Erwartungen und Ablehnung, um das komplizierte Zusammenleben, um Wünsche und Lust und Begierde und Hoffnung.

Weltuntergangsmusik ist das, was Special Interest machen, und Alli Logout weiß das auch: Da ist sie der „lover in the end of times“ während den „end of days“ in einer Welt im Tumult und Kollaps. Mittendrin gibt’s noch das bisschen Menschlichkeit und Liebe und Hände, die gehalten werden wollen: „Won’t you take my wise rough hand“, singt Alli Logout. Und dann plötzlich noch ein paar Referenzen aus der musikalischen Vergangenheit, ein „Come On!“, wie von Iggy Pops Lippen gerollt.

In den Vorstellungen, die man so von US-Videotheken in der Popkultur hatte, gabs in der Special Interest-Abteilung immer so kleine Filmempfehlungszettel, die unter den VHS-Kassetten hingen, geschrieben von engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Hier auch einer für das Quartett aus New Orleans: „Musik für die No Future-Generation, für Freundinnen und Freunde der kalten Nebelmusik, der Digital Hardcore-Momente des Punk, für Menschen, die sich gerne Bands in kleinen, grauen, verschwitzten und dunklen Clubs anschauen gehen“. Wer Freude an „Street Pulse Beat“ findet, das ganze zweite Album von Special Interest gibt’s hier.

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