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Das Corona-Semester: Was hast du gelernt?

Ein „positives“ Höllensemester, in dem unendlich vieles gelernt worden ist: So lässt sich das Corona-Sommersemester 2020 zusammenfassen.

Von Lukas Tagwerker

Wenn schon allein die Erinnerung an Mitte März stresst und im Gespräch lieber auf die positiven Nebenwirkungen von Lock-down und Homeschooling eingegangen wird, dann schwingt mit, was Christian Kienbacher, der ärztliche Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie von SOS Kinderdorf Wien betont: Aus Studien lasse sich ablesen, dass etwa ein Drittel der Kinder als Folge der Pandemie eine posttraumatische Belastungsstörung zeige, auch wenn diese Folgen erst in den nächsten Wochen und Monaten sichtbar würden.

„Am schlimmsten war die Zeit ganz am Anfang, wo man gar nichts draußen machen durfte“, sagt der Berufsschüler und Landesschüler*innenvertreter Alex Prosek. „Es war für alle eine Überforderung“, sagt Vanessa, die gerade die vierte Klasse Gymnasium abschließt.

Zu klaustrophobischen Momenten zu Hause und Gefühlen von Einsamkeit durch den Wegfall der Schule als physischem sozialen Raum kam anfangs die Überlastung durch eine Vielzahl unübersichtlicher digitaler Lernplattformen.

„Wir haben uns relativ bald auf eine Online-Lernplattform geeinigt. Da haben wir Kurse für die einzelnen Klassen angelegt und unsere Aufgaben und Materialien hochgeladen“, erzählt Barbara Schubert, die an einem Privatgymnasium in Wien Simmering Deutsch und Französisch unterrichtet.

Für sie war dieses Semester eines der kleinen Schritte und Improvisationen und bis zuletzt voller Unsicherheiten. Wichtig war Barbara Schubert, dass Klassengemeinschaft und Peer-Bewusstsein auch virtuell weiterleben: Zu sehen, dass und wie Mitschüler*innen Aufgaben lösen, kann motivieren.

Kind lernt zu Hause

APA/AFP/VLADIMIR SIMICEK

Passend zum Kochboom hat Barbaras 2C Grammatik-Übungen in Form von Kochrezepten auf die Lernplattform hochgeladen. Als bis Ostern die Weisung galt, keinen neuen Stoff vorzugeben, haben Schüler*innen ihre eigenen bereits geschriebenen Odysseus-Geschichten vorgetragen und die Audio-Files auf der Plattform geteilt.

Vanessa haben besonders die Chemie-Experimente zu Hause Freude gemacht. Neben einem Gärungsexperiment war das Radieschen-Pflanzen in zwei verschiedenen Beeten ein Highlight: Die einen wuchsen im Dunkeln ohne Dünger, die anderen in der Sonne am Balkon mit Dünger.

Zuerst seien die Radieschen im Dunkeln zwar schneller gewachsen, dann haben die am Balkon aufgeholt und sind größer geworden.

Die Covid-19-Krise hat manches deutlich gemacht, das schon vorher problematisch war. So hat die mangelnde Koordination unter den Lehrer*innen bei der Vergabe von Hausaufgaben in vielen Schulen die Schüler*innen überlastet.

„Ich tat mir manchmal wirklich schwer, mich an die Hausaufgaben zu gewöhnen. Du hast da in jedem Fach Aufgaben bekommen. Und zu Hause ist es viel schwerer, sich zu konzentrieren, weil da zum Beispiel der Fernseher steht oder irgendwelche Haustiere da sind.“

Mit nur einem Tag Berufsschule pro Woche und einem eigenen ruhigen Zimmer zu Hause, sagt Alex, hat er sich gut konzentrieren können und die Aufgaben so schnell fertiggemacht, dass er sogar sechs Stunden pro Woche mehr Zeit für sich hatte.

Im Künstlerbedarfsgeschäft, wo Alex seine Lehrlingsstelle hat, ist er coronavirusbedingt vom Verkauf in den Versand gewechselt, wo die gestiegene Nachfrage einerseits zu stressigen Momenten und andererseits zu wertvollen Lernerfahrungen über Firmenabläufe geführt hat.

„Es war richtig, richtig schwierig. Es gab so viele Aufträge, dass wir nicht mehr hinterhergekommen sind. Nach ein paar Wochen haben wir gemerkt, dass es die Post nicht mehr schafft, uns diese Wagerln zu liefern, wo wir unsere Pakete draufgeben können. Wir mussten unsere Europaletten verwenden, was dazu geführt hat, dass wir irgendwann auch keine Europaletten mehr hatten und Kunden angerufen haben und gefragt haben, wo ihre Lieferungen bleiben.“

Alex und Vanessa erzählen beide, dass zu den größten Lernerfahrungen der Umgang mit Stress gehört hat und das Cool-Bleiben auch in konflikthaften Situationen. Für Vanessa zählt auch die Kompetenz, sich die eigene Zeit selbst einzuteilen, zu den großen Lektionen dieses Semesters.

Für Barbara Schuster war das möglichst verständliche Formulieren von Aufgaben, als es keine unmittelbare Möglichkeit zum Nachfragen gegeben hat, eine größere Herausforderung als gedacht. Neben der großen Zukunftsfrage „Wie geht die Schule mit Digitalisierung um?“ und dem durch die Coronavirus-Krise verschärften Thema der Bildungsgerechtigkeit sieht sie auch das Positive der Umstellungen: „Paradoxerweise konnte man anders und genauer auf die stilleren Schüler*innen eingehen, zu denen man sonst oft nicht durchgedrungen ist. Man konnte sich intensiver mit Dingen beschäftigen, die manchmal in der Hektik des Schulalltags links liegen bleiben.“

Das Corona-Semester: Was haben wir (nicht) gelernt?

FM4 Auf Laut, heute, Dienstag, 30. Juni, 21 bis 22 Uhr

Fast ein ganzes Halbjahr ohne klassischen Unterricht. Stattdessen Homeschooling, E-Learning, Aufgaben alleine meistern müssen, Zoom-Treffen und Skype-Präsentationen. Und nicht zuletzt eine „Ausnahmematura“ ohne Durchfallen: Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern waren mit völlig neuen Situationen konfrontiert.

Was ist in diesem Semester alles gelernt worden? Was haben Erfahrungen von Autonomie und Selbstmotivation, aber auch Isolation mit den Jugendlichen gemacht? Was bedeutet die „technische Schocktherapie“ für die Zukunft der Schule?

Alexandra Augustin spricht mit Schüler*innen, Lehrer*innen und mit Dir in FM4 Auf Laut am Dienstag, 30. Juni, von 21 bis 22 Uhr.

Anrufen und mitdiskutieren kannst du unter 0800 226 996.

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