FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Arche Noah Team

Arche Noah | Rupert Pessl

artenschutz

Erbsenzähler (und -züchter) an die Macht

Ein Besuch beim Verein Arche Noah und ein Blick auf die Petition für mehr Artenschutzpolitik

Von Albert Farkas

Der Verein Arche Noah setzt sich seit über 30 Jahren für Biodiversität im Allgemeinen und Saatgutvielfalt im Speziellen ein. Was einem sofort auffällt, wenn man den gemütlich dimensionierten Schaugarten von Arche Noah in Schiltern in der Nähe von Krems betritt: Einen so frenetischen und vieltönigen Vogelgesang kriegt man mittlerweile selten zu hören. Das Anbaugebiet, in dem auf wenigen Hektar Pflanzenraritäten auf traditionelle Weise in Kräutergärten und Streuobstwiesen gezüchtet werden, ist eine echte Grün-Oase.

Diagnose: Pflanzenschwund

Der Zweck des Ganzen, wie der Name schon andeutet: Die Samen der in vielen Fällen vom Aussterben bedrohten Sorten sammeln und für die Nachwelt bewahren. Denn die industrialisierte Landwirtschaft zerstört leider nicht nur besonders viel Natur, sie ist auch schlecht darin, die Kulturpflanzen, auf denen unsere Ernährung beruht, in ihrer Vielfalt zu erhalten.

Mitarbeiter mit großem Sieb

Arche Noah | Rupert Pessl

Hier werden Erbsen von ihren trockenen Hülsen befreit.

In den letzten 30 Jahren sind laut der Welternährungsorganisation 75 Prozent der Obst- und Gemüsesorten verschwunden, weil sie nicht mehr angepflanzt und genutzt werden, und der Verlust beschleunigt sich zunehmend. Wie Bernd Kajtna, der Geschäftsführer des Vereins Arche Noah, erzählt: „Ich war vor 18 Jahren in Niederösterreich unterwegs, und wir haben in alten Obstgärten nach seltenen Obstsorten gesucht. Viele Bäume, die wir damals gefunden haben, existieren heute schon einfach nicht mehr. Da verschwindet die Vielfalt sehenden Auges.“ Im Schaugarten in Schiltern gibt es auf Schritt und Tritt und Woche für Woche Beispiele für auf der Kippe stehende Exoten, wie zum Beispiel aktuell weichfleischige Kirschen oder den Antonowka-Apfel, der sich auch ohne Hilfe von Pestiziden gegen Pilzbefall zur Wehr setzen kann.

Mehr Artenvielfalt = mehr Resilienz

Der Erhalt von aus der Mode gekommenen Grünsorten mag wie ein Nischenanliegen erscheinen. Die Ausdünnung der Pflanzenwelt ist aber in vielerlei Hinsicht fatal. Zum Beispiel ist es ja so, dass die bestehende Natur durch den menschengemachten Klimaumbruch immer mehr ans Existenzlimit gedrängt wird. Und dann beraubt sich der Mensch auch noch einer Reihe an Arten, die an die neuen Verhältnisse möglicherweise noch am besten angepasst wären. Gleichzeitig schützen vielfältige, intakte Ökosysteme vor dem Übergreifen weiterer Pandemien und bieten die Werkzeuge für die Entwicklung neuer Medikamente, denn Forscherinnen und Forscher tun sich schwer, völlig neue, nicht bereits in der Natur vorkommende Wirkstoffe zu erzeugen.

Dagmar Urban, Referentin für Saatgutpolitik bei Arche Noah, und der Geschäftsführer des Vereins, Bernd Kajtna

Arche Noah | Rupert Pessl

Dagmar Urban, Referentin für Saatgutpolitik bei Arche Noah, und der Geschäftsführer des Vereins, Bernd Kajtna

Vielfalt müsste erfasst werden

Mit der aktuellen Petition namens „Vielfalt säen, Gesundheit ernten“ ruft der Verein Arche Noah die Bundesregierung auf, sich aktiver bei der Gestaltung der österreichischen und europäischen Artenschutzpolitik zu engagieren, die jetzt gerade in der europäischen Biodiversitätsstrategie 2030 formuliert werden soll. Um damit aber überhaupt anfangen zu können, bräuchte es laut Dagmar Urban von Arche Noah erstmal ein zentrales Erfassungssystem für die Vielfalt der Kulturpflanzen als Grundlage: „Eine unserer Forderungen für die neue Biodiversitätsstrategie ist, einfach auch ein Monitoring aufzubauen. Weil es gibt nicht einmal eine aktuelle Bestandsaufnahme, welche Sorten es in Österreich überhaupt gibt, und welche wie gefährdet sind.“

Mehr Geld fürs Feld

Nicht zuletzt, meinen die Initiatorinnen und Initiatoren der Petition, braucht es für einen effektiven Artenschutz eine komplette Neuausrichtung in der Landwirtschaft, weg von Agrarwüsten hin zu mehr kleinteiligen Anbauflächen. Der Verein Arche Noah fordert daher eine jährliche Biodiversitätsmilliarde, auch als die Unterstützung der Bäuerinnen und Bauern bei diesen Umwälzungen.

Eine Arche am Balkon

Übrigens muss man nicht der hohen Politik angehören, um einen Beitrag zu mehr Sortenvielfalt leisten zu können. Ein sinnlich unmittelbar bereicherndes Erlebnis ist es, bei sich im Garten oder am Balkon eine der Obst- und Gemüseraritäten anzupflanzen, für die man beim Verein Arche Noah Samen kaufen kann. Dafür ist es auch jetzt, Anfang Juli noch nicht zu spät, wenn man, wie Bernd Kajtna rät, zum Beispiel zu einem Heiligen Basilikum oder einem Zuckerhutsalat greift.

Hier kann man die Petition von Arche Noah für eine aktivere Artenschutzpolitik unterschreiben. Die öffentliche Konsultation des Umweltbundesamtes zur neuen österreichischen Biodiversitätsstrategie soll Ende Juli beginnen.

mehr Umwelt:

Aktuell: