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In der Trailarea Göttweig

Trailwerk Wachau

Mountainbiken ohne Konflikte

Der aktuelle Mountainbike-Boom bringt viele Menschen raus in die Natur. Doch nicht überall ist man darüber glücklich. Denn durch die vielen Mountainbiker*innen entstehen in ganz Österreich Nutzungskonflikte. Am Göttweiger Berg in der Wachau hat man sie fürs erste gelöst.

Von Simon Welebil

Schon seit einigen Jahren geht die Zahl der Mountainbiker*innen nach oben, die Coronavirus-Krise und die Einschränkungen haben den Mountainbike-Boom noch befeuert. Die Verkaufszahlen in den Bike-Shops sind steil nach oben gegangen. Hochwertige vollgefederte Mountainbikes sind weltweit nahezu ausverkauft. Doch wo sollen all diese Naturhungrigen hin? Denn was viele nicht wissen, Mountainbiken im Wald ist generell verboten, die wenigen legalen Trails stoßen in der Nähe von Ballungsräumen generell an ihre Kapazitätsgrenzen, und so wundert es nicht, dass viele Mountainbiker*innen ausweichen und verbotenerweise ihre Runden drehen.

Verbot nach Nutzungskonflikten

Die Wachau ist vielen Radfahrer*innen in Österreich ein Begriff, allerdings eher für Genussradeln entlang der Donau, kombiniert mit ein wenig Sightseeing und mit Heurigenbesuchen. Doch vor zwei Jahren hat sich die Wachau auch auf die Mountainbike-Landkarten eingetragen, ein wenig aus der Not heraus und mit viel Eigeninitiative.

Stift Göttweig

CC0

Stift Göttweig am Göttweiger Berg

So unscheinbar die Hügel in der Wachau im Vergleich zu den Alpengipfeln weiter im Süden und Westen des Landes sein mögen, haben sich dort in den letzten Jahrzehnten lokale Rider*innen doch ihre Strecken gefunden, auch rund um das pittoreske Stift Göttweig. Knappe 150 Meter erhebt sich der Göttweiger Berg über das Tal, genug Höhenunterschied, um am Bergabfahren Spaß zu haben, auch auf den offiziellen Wanderwegen, zwar illegal, aber geduldet.

Über Jahrzehnte hat das einigermaßen funktioniert, bis die zunehmende Zahl der Mountainbiker*innen, aber auch der Wanderer*innen, die vor allem vom Welterbe-Steig angezogen werden, zu Nutzungskonflikten und Beschwerden geführt hat. Der Grundeigentümer, das Stift Göttweig, hat daraufhin das Befahren der Wege verboten.

Mountainbiken am Göttweiger Berg

Simon Welebil / Radio FM4

Ein Teil des Vereinsvorstands von Trailwerk Wachau, Obmann Martin Samek ist der zweite von rechts.

Startschuss für ehrgeiziges Projekt

Für Martin Samek, der seit 29 Jahren auf dem Mountainbike unterwegs ist, und andere Biker*innen aus der Region war das der Startschuss für ihre Initiative. Sie haben den Verein Trailwerk Wachau gegründet und sich mit den Verantwortlichen des Stifts zusammengesetzt, um zu erörtern, wie sie hier weiterhin ihre Leidenschaft ausüben könnten. Sie wollten selbst – von Mountainbiker*innen für Mountainbiker*innen – Wege anlegen und ein legales Angebot fürs Mountainbiken schaffen.

Dafür ist vor allem die Übernahme der Haftung für die Wege durch den Verein nötig gewesen, der auch eine eigene Versicherung für Unfälle abgeschlossen hat. In zwei Jahren Bauzeit, ohne schweres Gerät, sondern nur mit Schaufeln, Rechen und Scheibtruhen, ist dann ganz in Handarbeit, mit viel Einsatz der Vereinsmitglieder, eine ganze Trailarea entstanden, die sich sehen lassen kann. 13 Trails gibt es mittlerweile vom Göttweiger Berg runter ins Tal, möglichst naturbelassen, fast wie Wanderwege, ohne große Sprünge oder Einbauten. Dabei sollte für alle etwas dabei sein, für Anfänger*innen wie für Profis, stets unter der Prämisse, dass sich Wanderer*innen und Mountainbiker*innen nicht in die Quere kommen.

In der Trailarea Göttweig

Trailwerk Wachau

Die Trailbau-Crew

Corona bringt ein neues Publikum

Unter der Woche geht es recht beschaulich zu am Parkplatz 5 des Göttweiger Stiftes, an dem die Base der Trailarea mit einer Übersichtstafel über die Strecken und einer Radservicestation steht. Am Wochenende aber sei hier fast genauso viel los wie in einem Bikepark, erzählt Steffan Gittenberger aus dem Vereinsvorstand. Dann sei der ganze Parkplatz voll mit Autos und den dazugehörigen Biker*innen, nicht nur aus Krems und der Wachau, sondern auch aus Wien und Umgebung, St. Pölten, Bratislava, Graz, Linz, sogar aus Tschechien. „Publikum von weit, wo man denkt, wie kommt ihr hier ins Trailwerk?“

Einerseits hat das wohl mit der Qualität der Strecken zu tun, andererseits aber auch mit dem momentanen Mountainbike-Boom, der von den Coronavirus-Einschränkungen in den letzten Monaten noch einmal beflügelt worden ist. Im ersten Jahr der Trailarea seien vor allem erfahrene Mountainbiker*innen nach Göttweig gekommen, erzählt Martin Samek, heuer ab 1. Mai hat er aber auch eine ganz andere Gruppe wahrgenommen, mit äußerst kostengünstiger Ausrüstung. „Die haben zwar einen Helm aufgehabt, aber man hat gesehen, es sind Anfänger, die jetzt raus wollen an die frische Luft und da reinschnuppern – und wir hoffen, dass sie dabeibleiben.“

In der Trailarea Göttweig

Trailwerk Wachau

Was den Reiz des Mountainbikens auf Trails ausmacht, ist, dass man sich dabei voll konzentrieren muss und alles andere nebensächlich wird: „Ein Problem in der Arbeit, irgendeine Belastung in der Familie oder Stress, das ist dann alles nicht mehr da. Man fährt bergauf, das macht müde. Man fährt bergab und muss sich konzentrieren, dass man die Linie erwischt - vollste Konzentration“, kommt Martin Samek ins Schwärmen.

Göttweig als Glücksfall

Während es in Mountainbike-Hotspots wie Innsbruck jedes Jahr Nutzungskonflikte in die Medien schaffen und die lokale Szene einen aufreibenden Kampf um mehr legale Trails führt, habe man am Göttweiger Berg eine glückliche Situation vorgefunden, um Trails verwirklichen zu können, erklärt Martin Samek. Mit dem Stift Göttweig gibt es am ganzen Berg nur einen Grundbesitzer, was die Kommunikation und Verhandlungen extrem erleichtert habe. Außerdem sei der Berg weder für die Jagd noch für Forstwirtschaft sonderlich interessant, sodass zwei große Interessensgruppen am Wald schon im Vorhinein weggefallen seien. „Dann ist es nur mehr darum gegangen, den Wanderern zu kommunizieren, dass wir auf unseren eigenen Strecken bleiben, und wir haben keine Konfliktpunkte mehr gehabt.“

Mountainbiken am Göttweiger Berg

Simon Welebil / Radio FM4

Durch das breite legale Angebot konnte die Initiative die massive Nachfrage nach Mountainbike-Strecken in der Region einigermaßen befriedigen, wofür die Beteiligten von vielen Seiten Dankbarkeit und Anerkennung bekommen. Als am Beginn des Trailbaus die ersten Freiwilligen fürs Schaufeln gesucht wurden, habe Martin auf einmal Bekannte getroffen, die er eigentlich schon ans Rennrad verloren geglaubt hätte, aus Frust über das fehlende Angebot und schlechtem Gewissen beim illegalen Fahren im Wald. „Jetzt setzen sie sich wieder aufs Mountainbike, weil es etwas gibt, wo nicht der Jäger hinter dem Eck wartet und ein Streitgespräch sucht.“

Gibt es ein Patentrezept fürs Miteinander?

Am Göttweiger Berg sind die Konflikte bereinigt, anderswo in der Wachau bestehen sie weiterhin und spitzen sich sogar noch zu. Dabei sollten vor allem Mountainbiker*innen zur Entspannung beitragen, indem sie sich, wie es Martin Samek ausdrückt „auf den Wegen benehmen“, und sich bewusst sein sollen, dass man illegal auf fremden Wegen fahre. Wer nicht zu einer Party eingeladen sei, müsse sich erst recht gut aufführen, um nicht rausgeschmissen zu werden, versucht er es mit einer Analogie zu erklären. „Und vielleicht werden wir dann einmal eingeladen zur Party.“

Mountainbiken am Göttweiger Berg

Simon Welebil / Radio FM4

In der Trailarea Göttweig ist das Patentrezept für ein Miteinander am Berg die bestmögliche Entflechtung von Wanderer*innen und Mountainbiker*innen. Bei den Fahrten rund um den Berg zeigt Martin einige Stellen, an denen die Mountainbike-Trails auf Wanderwege treffen, potenzielle Konfliktstellen, die sie auf Anregung von Wanderer*innen umgebaut und entschärft haben, Shared Trails, also gemeinsam genutzte Wege gibt es am Göttweiger Berg nur auf Bergauf-Passagen, wo die Mountainbiker*innen langsam unterwegs sind, ansonsten verzichten sie wegen der hohen Frequenz darauf, weil ein ständiges Ausweichen niemanden Spaß mache.

Mehr legale Strecken braucht das Land

Es braucht in Österreich insgesamt mehr legale Strecken, um den Nutzungsdruck rauszunehmen, da „der Absatz an Mountainbikes auch wo gefahren werden will“, meint Stefan Gittenberger. Erreicht werden kann das auf unterschiedliche Arten. Die Trailarea Göttweig ist als Bottom-up-Projekt entstanden, aus Mountainbiker*innen, die sich zu einem Verein zusammengeschlossen haben, um eine lautere Stimme zu haben und um so auch Partner zu finden, Gemeinden oder Firmen, mit denen sie etwas umsetzen können. Wer einem Verein beitritt, kann damit etwas bewegen.

Zur gleichen Zeit sieht man aber auch, dass Strecken auch top-down errichtet werden können. Die großen Schigebietsbetreiber oder Tourismusverbände in Österreich investieren dann aus kommerziellen Gründen in Bike-Infrastruktur, wie man etwa in Sölden, Schladming oder Leogang und Saalbach sehen kann.

Wer spricht für die Szene?

Im Moment wird österreichweit an einer Interessensvertretung für Mountainbiker*innen gearbeitet, angestoßen von den Livetalks des Tretlager-Blogs und des Mountainbike-Szene-Magazins Lines. Möglichst viele Protagonist*innen der heimischen Mountainbike-Szene sollen in dieser Initiative zusammenkommen, um der Szene eine starke Stimme nach außen zu verleihen und breitere Akzeptanz zu finden.

Auch hier in der Wachau wird diese Initiative unterstützt. Man wünscht sich von ihr auch „Argumentationshilfen, Zahlen, Daten, Fakten, Artikel, Studien etc., damit man gegenüber einem Partner auch schlüssig argumentieren kann“.

Mountainbiken am Göttweiger Berg

Simon Welebil / Radio FM4

Was sie sich hier sonst noch für eine konfliktfreie Zukunft des Mountainbikens wünschen, ist mehr Toleranz für alle Beteiligten, die ihre Hobbys ausüben wollen. „Auf die anderen Rücksicht nehmen und gewähren lassen, dann würd’s funktionieren. Mehr braucht’s nicht.“

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