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Blick durch ein Gitter auf einen Gefängnis-Gang

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In „Die Gefangenen“ geht ein Gefängnispsychologe zu weit

Als „bester Spannungsroman des Jahres“ wird der Roman „Die Gefangenen“ beworben. Es ist das Debüt der amerikanischen Journalistin Debra Jo Immergut und beschreibt die Beziehung von Gefängnispsychologen Frank und seinem High-School-Schwarm Miranda. Sie soll er jetzt als Gefangene therapieren.

Von Lena Raffetseder

„Ich erkannte sie auf Anhieb. Wie auch nicht? Eine wie sie vergisst man nicht so schnell. Jedenfalls ich nicht.“

Buchcover "Die Gefangenen"

Penguin Verlag

„Die Gefangenen“ ist im Penguin Verlag erschienen. Aus dem Englischen übersetzt haben Ulrike Wasel und Klaus Timmermann.

Frank ist Gefängsnispsychologe und dürfte seinen Jugendschwarm Miranda, eine Gefangene, natürlich nicht behandeln. Er müsste den Fall an eine Kollegin weitergeben. Vor allem deshalb, weil Miranda sich nicht an ihn zu erinnern scheint. Frank behandelt sie trotzdem. Es ist ein schwerer Verstoß gegen ethische Grundsätze. Es wird aber nicht bei diesem einen Verstoß bleiben.

Zwei parallele Leben

Abwechselnd schreibt Debra Jo Immergut aus Mirandas und aus Franks Sicht. Wir erfahren von Mirandas Gefängnisalltag von Schlägereien, Überdosen, aber auch tiefen Freundschaften. Miranda ist die Tochter eines ehemaligen Kongressabgeordneten, ihre Jugend war von Verlust geprägt. Wegen Totschlags wurde sie zu 52 Jahren Haft verurteilt. Eine „derart obszöne Anzahl von Jahren, dass sie sich davor scheute, in numerischen Kategorien über ihre genaue Länge nachzudenken.“

Doch auch Frank ist nicht wirklich frei. Er fühlt sich als Versager. Sein Vater ist eine Koryphäe der Psychologie, während Frank seinen Posten verloren hat und jetzt den Job in der Justizanstalt im Bundesstaat New York als Strafe ansieht. Sein Ausweg: Miranda. Aber auch sie benutzt ihn, die Therapie ist nur Vorwand.

Frank zu blenden, ist nicht schwer: „Sie erzählte ihm von ihren Erinnerungen, ihren Träumen, den Dingen die sie bereute, und er gab ihr die Pillen. Es war eine Art Austausch, so sah sie das. Und wie jeder Austausch, bei dem Intimes enthüllt wurde, fühlte es sich ein wenig schäbig an.“

„Übernehmen Sie keine therapeutische Funktion, wenn Objektivität nicht gewährleistet werden kann.“

Autorin Debra Jo Immergut

Penguin Verlag

„Die Gefangenen“ ist der Debütroman von Debra Jo Immergut.

Franks Kapitel lesen sich wie ein Psychotherapie-Handbuch, von dem er selbst immer weiter abkommt. Er scheint von Fachliteratur geleitet zu werden, rechtfertigt aber immer den nächsten Übergriff. Er ist bereit, alles für Miranda zu tun, auch gegen ihren Willen.

Kein klassischer Thriller

„Die Gefangenen“ ist das Debüt der Journalistin Debra Jo Immergut. Seit vielen Jahren unterrichtet sie Kreatives Schreiben in Strafanstalten. Ihre Erfahrungen waren die Inspiration; das merkt man an den Schilderungen der Häftlinge, ihres Alltags und der psychischen Probleme.

Die Wendungen, die die Handlung vorantreiben sind aber teilweise vorhersehbar und nicht immer plausibel. Das Buch ist spannend, aber statt einem Thriller liest man doch eher die Geschichte zweier Menschen, die sich wiederfinden und Lesende mit der Frage konfrontieren, wohin Obsession führt und wer dann die Strafe verdient.

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